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Recht und Steuern > Steuerpolitik und Arbeitsmarkt

Kurswechsel statt herumdoktern

Steuerliche Entlastung oder Wahlkampfmanöver? Christian Lindners Versprechen an Ostern und die Realität der steigenden Belastungen für Arbeitnehmer.

FDP-Chef Lindner: "Das Bürgergeld benötigt ein Update" Bildnachweis: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Es gibt Ankündigungen mit denen sich jeder Finanzminister auf dieser Welt einer großen Zustimmung sicher sein kann. Das gilt auch für den deutschen obersten Kassenwart. So hat Christian Lindner über Ostern versprochen: es wird in diesem Jahr für die arbeitende Bevölkerung eine weitere steuerliche Entlastung geben. Da nickt der geschröpfte Bürger automatisch wohlwollend: Endlich mal eine gute Idee aus Berlin. Doch schnell nagt der Zweifel am Steuerzahler: Ist etwa ein Haken an der Wohltat?

Es lohnt – wie so oft – genauer hinzusehen. Tatsächlich hat Lindner eine Entlastung erst einmal nur in Aussicht gestellt. Wie hoch die letztendlich ausfällt, wird erst im Herbst verraten. Der Spielraum ergibt sich nach dem Blick in die fiskalische Glaskugel – wenn also die Steuerschätzer die künftigen Einnahmen des Finanzministers umrissen haben. Der dürfte dabei hoffen, dass sich dann die Wirtschaft auch hierzulande wieder aufgerappelt hat und mehr Geld in die Staatskassen sprudelt.  

Natürlich hätte Lindner die Spendierhosen auch dann erst anziehen können. Doch dann sind die Abstimmungen für die Parlamente in Brüssel, Erfurt oder Dresden gelaufen. Somit wird der eigentliche Grund für die Osterüberraschung aus dem liberal geführten Finanzministerium klar: Wahlkampf. Fällt die Entlastung der Bürger im Herbst dann doch nicht so üppig aus, bleibt es bei der guten Absicht. Hat die ein paar Stimmen eingebracht, ist das Ziel der Ankündigung erreicht.

Bei der Begründung für die – geplante – Entlastung klingt ebenfalls Wahlkampf durch. Der Abstand zwischen Beziehern von Bürgergeld und arbeitender Bevölkerung soll wieder größer werden. Der ist nach der jüngsten Erhöhung tatsächlich geschrumpft, denn die Ampel die Sozialleistung inflationsbedingt angehoben. „Massiv und überproportional“ kommentiert der FDP-Chef diesen Schritt. Dabei schwingt unterschwellig die Einordnung mit: Die Leute sollen arbeiten gehen, statt in der sozialen Hängematte herumzulungern.

Aus der Sicht von manch einem Alleinverdiener verfestigt sich dieser Eindruck sogar. Sehr vereinfacht gerechnet kommt eine Familie mit zwei Kinder auf einen Bürgergeldanspruch von 2079 Euro – Anteile für Unterkunft und Heizung sind bereits enthalten. Hinzu kommt, dass die Bezieher auch krankenversichert sind. Bei den Arbeitnehmern kommen hingegen in diesem Jahr höhere Kassenbeiträge zu. Außerdem ist bereits zum Jahreswechsel die CO2-Abgabe angehoben worden und mit dem Monatswechsel die Mehrwertsteuer für Gas. Zuvor schon die Mehrwertsteuer für Hotels- und Gaststätten. Und beim täglichen Einkauf ist von der sinkenden Teuerungsrate wenig zu spüren, Dort kommt auch indirekt die Mauterhöhung an, die ebenfalls seit dem Jahreswechsel in Kraft ist.

Wer fällige Steuersenkungen also nur mit dem gestiegenen Bürgergeld begründet, verfolgt einen verqueren politischen Ansatz. In einem reichen Land wie Deutschland sollte nicht die Absicherung nach untern auf den Prüfstand. Vielmehr ist zu fragen: warum bleibt für die Menschen, die täglich ihrem Job nachgehen so wenig übrig? Auch deshalb gehen derzeit die Beschäftigten aus vielen Branchen mit so viel Wut auf die Straße. Die so erstreikten Lohnerhöhungen bergen bereits die nächste böse Überraschung. Die höheren Vergütungen treiben gleichzeitig durch die Progression die Steuerbelastung hoch. So bleibt von der Lohnerhöhung überproportional viel beim Fiskus hängen. Zusätzlich zu den ohnehin in diesem Jahr bereits gestiegenen Steuern.

Lindners Anpassungspläne sind also eine längst überfällige Notwendigkeit und keine liberale Großtat. Schon heute bastelt das Finanzministerium an einer Korrektur der Steuerprogression für 2025 und 2026. Doch es ist nur ein herumdoktern an einem seit Jahren bekannten Symptomen. Vor allem den Menschen mit kleineren Einkommen bleibt zu wenig übrig. Gerade hier muss endlich eine spürbare die Steuerentlastung ankommen. Das würde einen interessanten Mechanismus auslösen. Plötzlich hätten mehr Bürger auch genug Geld zum Ausgeben – beispielsweise für Autos, Häuser, Wohnungen, Sanierungen oder schlicht den Besuch in der Gaststätte. Von so einem Ansatz könnten auch der Mittelstand und das Handwerk profitieren. Die Ampel könnte mit einem Kurswechsel bei der Steuerbelastung auch aktive Wirtschaftspolitik betreibe. Und am Ende fließt dennoch mehr in die Kassen des Finanzministers und seiner Kollegen in den Ländern. Man muss nur wollen.

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