Wertvolle Minderheit
Wer sein Unternehmen nicht komplett verkaufen will, aber strategische Partner braucht, hat eine neue Alternative: die Beteiligungsbörse. Im Interview erklärt Gründer Matthias Wittenburg, für welchen Typus Unternehmer das taugt.
Das Gespräch führte Thorsten Giersch.
Anfang 2023 hat Matthias Wittenburg das Unternehmen „Die Beteiligungsbörse“ gemeinsam mit Holger Kruse gegründet. Mit dem Komplettverkauf mittelständischer Betriebe befasst er sich seit Jahren, aber im Alltag bemerkte Wittenburg, dass es immer höheren Bedarf für Teilverkäufe gibt, doch bisher keine Plattform, wo solche Geschäfte effektiv abgewickelt werden können.
Warum gibt es die Beteiligungsbörse? Welchen Bedarf stillen Sie?
Es gibt sehr viele Unternehmerinnen und Unternehmer, die Eigenkapital suchen, meistens um ihr Unternehmen wachsen zu lassen oder eine Akquisition zu tätigen. Jedoch haben immer mehr Betriebe ein ernsthaftes Bilanzproblem, sei es infolge der Krisen der vergangenen Jahre, wegen Lieferkettenproblematik, Energiekostenpreisen und natürlich des Zinsanstiegs. Diese Unternehmen kommen zu uns und suchen einen Beteiligungspartner, der eine minderheitliche Beteiligung am Unternehmen gegen eine Kapitalanlage übernimmt und damit das Eigenkapital des Unternehmens stärkt. Um solche Unternehmen kümmern wir uns. Und da gibt es kein vergleichbares Portal.
Beteiligungsbörsen gibt es doch längst. Nicht zuletzt ihr 2018 gegründetes Unternehmen Companylinks.
Völlig richtig. Der erste und wesentlichste Unterschied ist aber, dass wir uns bei der Beteiligungsbörse spezifisch um Minderheitsbeteiligungen kümmern, während sich die meisten Unternehmensbörsen mit dem Komplettverkauf von Firmen beschäftigen. Zwar ähneln sich bei Minderheitskapital die Prozesse dahinter, sind aber dann doch wieder komplett anders. Wenn ich ein Unternehmen vollständig verkaufe, geht typischerweise der Unternehmer oder die Unternehmerin, während er oder sie beim Teilverkauf an Bord bleibt –
nur eben mit zusätzlichen Gesellschaftern, mit zusätzlichem Kapital.
Wie funktioniert das für einen Mittelständler?
Im kleinen bis mittleren Mittelstand sprechen wir typischerweise von Kapitalerhöhungen in der Größenordnung von ein bis zehn Millionen Euro. Das ist ein Markt, der auf der einen Seite riesengroß ist, auf der anderen Seite aber relativ wenig Standards hat und indem es, um es mal freundlich auszudrücken, eine ausgesprochen heterogene Beratungsqualität gibt. Was wir machen, und das ist für die Profis wahrscheinlich der größte Unterschied, ist, dass bei uns jede Transaktion, bevor wir Investoren ansprechen, durch eine ausführliche Prüfung läuft.
Eine Due Diligence quasi ins Blaue hinein? Ist der Aufwand nicht immens?
Ja und nein: Normalerweise machen Investoren das zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sie ein Unternehmen schon kennen und umgekehrt auch. Wir machen das ganz bewusst im Vorfeld unter Einsatz verschiedener digitaler Helfer. Das vereinfacht das Prozedere bei gleichzeitig hoher Qualität enorm. So können wir Investoren eine Angebotsunterlage zur Verfügung stellen, die schon eine deutlich größere Aussagekraft hat als das durchschnittliche Pitchdeck, was ja meistens mit rosaroter Tinte geschrieben ist. Nun ist es so, dass der Aufwand einer Due Diligence irgendwann durch das Unternehmen ohnehin geleistet werden muss. Der große Vorteil ist, wenn wir es am Anfang machen, erreichen wir ein ungleich größeres Investorenspektrum.
Inwiefern?
Sie müssen sich das so vorstellen: Es gibt grundsätzlich schon eine ganze Menge Interessenten für Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen. Das können Beteiligungsgesellschaften sein, Family Offices oder durchaus auch andere Unternehmen, die sich strategisch weiterentwickeln wollen und, sagen wir mal, gehobene Privatkunden. Die bekommen, wenn sie entsprechend aktiv im Markt sind und ein gutes Netzwerk an Beratern haben, durchaus einen ganz erheblichen Dealflow aufgelegt, aber im Regelfall eben noch nicht durchgeprüft, sondern mit einem großen breiten Disclaimer. Alle Angaben in diesem Dossier sind nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben, aber es gilt das Motto: Bitteschön lieber Investor, das müssen sie schon selbst alles überprüfen.
Also wird die Prüfungspflicht an den Käufer delegiert.
Das hat den großen Nachteil, dass viele Interessenten sich Fälle, die sie grundsätzlich interessant finden, gar nicht erst anschauen, weil sie den Aufwand scheuen, der mit einer solchen Prüfung verbunden ist. Deshalb ziehen wir das nach vorne, deklinieren das durch und kommen so zu einer Angebotsunterlage, die wesentliche Aspekte geprüft hat.
Und welche Aspekte sind das?
Alle Disziplinen, die eine ordentliche, seriöse Due Diligence typischerweise umfassen sollte. Das sind die Aspekte rechtliche Prüfung, die Finanzprüfung und die kommerzielle Due Diligence – also welche Produkte hat das Unternehmen und welche Dienstleistungen, in welchen Märkten ist es unterwegs, wer sind die Wettbewerber und so weiter. Für die steuerlichen Aspekte und je nachdem, wie das Unternehmen gelagert ist, kann es dann noch mal eine Tiefenbohrung geben: im Bereich IT oder bei Intellectual Property. Unsere Berater und Digitalpartner prüfen, erstellen eine Angebotsunterlage, mit der wir zu Investoren gehen, die sich bei uns zuvor registriert haben.
Gibt es ein Muster, für welchen Typus Mittelständler welche Sorte Investor passt?
Wir unterscheiden grob gesagt zwei Unternehmenstypen, die zu uns kommen, um Kapital zu suchen. Das sind zum einen Wachstumsunternehmen, keine Start-ups, aber häufig noch jüngere Betriebe, die von vornherein auf ein relativ schnelles Wachstum ausgerichtet waren. Bei denen auch die wiederholte Einwerbung von Kapital quasi Teil der DNA ist. Wenn so ein Unternehmen zu uns kommt, dann haben wir es meistens mit Unternehmerinnen und Unternehmern zu tun, die völlig vorbehaltslos Investoren gegenüber auftreten.
Aber das gilt doch nicht für alle, oder?
Wenn wir es mit der zweiten Gruppe, dem klassischen Mittelständler, zu tun haben, den es vielleicht schon mehrere Generationen gibt, der jetzt aber erstmals familienexternes Kapital sucht – da gibt es durchaus Vorbehalte, vielleicht auch gewisse Berührungsängste. Das Familienunternehmen, das Allerheiligste Dritten gegenüber zu öffnen, fühlt sich für die Mittelständler oft schwierig an. Und da beobachten wir, dass es ein deutlich größeres Interesse daran gibt, mit anderen Unternehmerpersönlichkeiten zu arbeiten, beispielsweise Family Offices.
Gibt es eine Zusammenarbeit mit den typischen Hausbanken der Mittelständler?
Ja, sogar sehr intensiv. Weil die Banken und Sparkassen uns ihre Kunden schicken und sagen, wir haben hier einen, der ist gut, den wollen wir auch weiter finanzieren, aber der braucht Eigenkapital. Und wir als Sparkasse können dem das nicht stellen. Ja, und da hilft es natürlich, wenn man mit einer gewissen persönlichen Reputation daherkommt, wenn man die Hamburger Börse als älteste Wertpapierbörse Zentraleuropas im Boot hat.
Kommen wir zum Schluss noch zur Käuferseite. Welche Organisationen sind das, die sich auch mit Minderheitsbeteiligung zufriedengeben? Wollen die nicht mitbestimmen?
Interessanterweise nicht. Es ist sicherlich so, dass es Investoren gibt, die eine Mehrheit oder eine Komplettübernahme anstreben – allen voran Beteiligungsgesellschaften, also Private Equity, oder auch strategische Investoren. Aus den gleichen Gruppen gibt es aber auch Marktteilnehmer, die bewusst die Minderheiten suchen, weil sie sagen, hier habe ich ein offensichtlich erfolgreiches Unternehmen mit einer erfolgreichen Geschäftsführung, und das unterstütze ich bei seinem Wachstum durch Kapital. Es gibt eben auch gehobene Privatkunden, die Interesse daran haben, in ein mittelständisches Unternehmen einzusteigen. Denn irgendwie ist es schon cooler, wenn ich meinen Freunden erzählen kann, ich habe mich an einer Craft Beer Brauerei beteiligt, als wenn ich sage: Ich habe ein Dax-ETF gekauft.