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Finanzierung > Unternehmensnachfolge

Diese Optionen haben Eigentümer

Viele Familienunternehmen gehen die Nachfolge zu spät an und verschließen sich Optionen wie Private Equity. Ein Leitfaden, um Millionen Arbeitsplätze zu sichern.

Heuschrecke
Goldene Zeiten: Lange galten sie als gierige Heuschrecken. Inzwischen haben sich Finanz investoren gewandelt. Für manchen Mittelständler ist das eine Chance.Bildquelle: KI-generiert/Shutterstock.com

Heuschrecken hatten schon in der Bibel keinen guten Ruf, waren die Insekten doch im alten Ägypten für eine der sieben Plagen verantwortlich. Als Synonym von Private-Equity-Häusern hat sie 2005 der damalige Vizekanzler Franz Müntefering etabliert. Und als sich jüngst die 36 Vereine der Fußballbundesliga für eine „strategische Vermarktungspartnerschaft“ mit Unternehmen aus der PE-Branche aussprachen, war ihnen der Unmut sehr vieler Fans im Stadion sicher. Im Mittelstand hat sich der Ruf gebessert. „Private Equity hat auch für den Mittelstand seinen Schrecken verloren. Die aggressiven Finanzierungen aus vergangenen Jahren machen die Banken in der Form heute gar nicht mehr mit“, sagt Uwe Rittmann, der bei der Beratung PwC den Bereich Familienunternehmen und Mittelstand leitet. Dennoch gelten die meist angelsächsischen Investoren nur als Notlösung, wenn eine Alternative für die Firmenübergabe fehlt.

Das Thema Nachfolge beschäftigt fast jeden zweiten Mittelständler. In den nächsten drei Jahren steht bei 43 Prozent der Familienbetrieb eine Firmen- oder Anteilsübertragung an. „Vor allem die größeren Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern planen den Generationenwechsel“, sagt Annette von Maltzan vom Ifo-Institut in München. Sie bezieht sich auf eine Umfrage. 42 Prozent der Unternehmen haben danach noch keinen Nachfolger für die Geschäftsleitung aus der Familie. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Zeppelin Universität in Friedrichshafen in einer Studie im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen. Die Zahl der Nachfolgerinnen und Nachfolger, die bereit sind, den eigenen Betrieb zu verkaufen, nimmt spürbar zu. 

Ausufernde Bürokratie, steigende Energiepreisen und der Fachkräftemangel schrecken ab. „Die nächste Unternehmergeneration spürt, dass die Leistungen von Unternehmern heute weniger geschätzt werden“, sagt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Da halten sich Nachfolger oder Nachfolgerinnen eher zurück. Die Bereitschaft, sich zwischen Vorschriften und Steuerdiskussionen aufzureiben, nimmt ab.

Doch was tun, wenn sich keine Nachfolgerinnen oder Nachfolger in der Familie finden? „Je kleiner die Unternehmen, desto häufiger übernehmen Leute aus der zweiten Reihe“, sagt Philipp Präckel. Er leitet bei der DZ Bank das mittelständische Firmenkundengeschäft für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland und hat früher über zehn Jahre Übernahmen betreut. Typische Kandidatinnen und Kandidaten für diese Management-Buy-Outs (MBO) sind Leitende zwischen Mitte 30 und Mitte 40, die in aller Regel aber kein Geld für den Kauf des gesamten Unternehmens haben. „Man muss dann schauen, welche Form von Nachfolgefinanzierungen zu finden sind“, sagt Präckel. „Das ist für uns sehr beratungsintensiv, aber Unternehmer stehen MBOs zunehmend offener gegenüber.“

Das Pendant zum MBO sind MBI, Management-Buy-In: Hier kommt der Nachfolger oder die Nachfolgerin von außen. Oft sind das Beraterinnen und Berater, die über Jahre hinweg viel Geld verdient haben, sich aber zu jung für den Ruhestand fühlen und sich unternehmerisch betätigen wollen. Hinzu kommt oft eine regionale Komponente: Die Kandidaten wollen sich räumlich nicht verändern und ihrer Region und den Menschen dort helfen. Zwar wächst diese Gruppe Präckel zufolge, es stehen aber insgesamt zu wenig zur Verfügung. PwC-Berater Rittmann sieht es anders: „Kandidatinnen oder Kandidaten für einen MBI gibt es nach meiner Einschätzung genug, aber relativ wenig Unternehmen, die offen dafür sind.“ Wenn gerade für kleine Betriebe wie Bäcker, Metzger und andere MBO oder MBI nicht zu finden sind, gibt es in der Regel nur noch zwei Möglichkeiten: den Verkauf über eine Unternehmerbörse wie DUP oder NexxtChange – oder den Betrieb zu schließen.

Den größeren Betrieben steht auch der Private-Equity-Markt offen. Allein schon bei dem Wort schüttelten Unternehmer jahrzehntelang instinktiv mit dem Kopf, doch die als Heuschrecken verschrienen Risikokapitalgeber haben viel dafür getan, ihren Ruf zu verbessern. „Private Equity hat seinen Schrecken verloren und die Leute treten heute zumeist hochprofessionell und mittelstandskompatibel auf“, meint Präckel. „Unternehmen werden beratungsoffener.“

Phänomen Unersetzlichkeit

Trotz dieser positiven Tendenz bleibt ein Kernproblem, über das alle Beteiligten unabhängig klagen. Die wenigsten seien bereit und in der Lage, rechtzeitig, also spätestens mit Mitte 50, den Prozess zu starten, sagt PwC-Experte Rittmann. „Eigentlich sollte die Nachfolge ein klar strukturierter Prozess sein. Das geht am besten, wenn sich die Eigentümer professionell begleiten lassen. Das ist aber häufig nicht der Fall.“ Auch für Michael Inhester von der Kanzlei Poellath ist die verspätete und unstrukturierte Nachfolgeplanung einer der größten Fehler. „Je erfolgreicher die Leute sind, desto später fangen sie an – das  Phänomen der vermeintlichen Unersetzlichkeit.“ Der auf Verkaufsprozesse spezialisierter Anwalt wird in der Regel eingeschaltet, wenn grundsätzlich entschieden ist, eine Firma zu verkaufen. 

Zu seinen ersten Aufgaben gehört, die betrieblichen und privaten Bereich zu entflechten. „Wenn es gut läuft, kommen wir vor der Investmentbank in den Prozess hinein und arbeiten dann eng mit den M&A-Advisors des jeweiligen Finanzinstituts zusammen.“ Wenn es schlecht läuft, macht der Eigentümer alles mit dem altgedienten persönlichen Steuerberater – ein weiterer großer Fehler. Oft gingen die Prozesse über dessen Fähigkeiten hinaus, weiß Inhester aus Erfahrung. Interessenskonflikte kann es auch geben, weil einige Steuerberater einen nennenswerten Teil ihres Umsatzes mit dem Unternehmen machen, der bei erfolgtem Verkauf weg sein kann.

Neben einem kleinen externen Team braucht es drei bis vier Eingeweihte aus dem eigenen Unternehmen, ohne deren Wissen und Datenzugang der Verkauf praktisch nicht einzuleiten ist. Ob der Eigentümer selbst operativ führt oder ein familienfremder Manager steuert, ist ein großer Unterschied. Letzteres mache den Prozess komplizierter, sagt Alexandra Avramopoulos, Managing Director der Investment Bank bei UBS Europe. Dann ist eine Vertraulichkeitsvereinbarung nötig und im Zweifel eine finanzielle Beteiligung bei Vertragsabschluss, auch damit er oder sie zielführend kommuniziert, bis zum Abschluss im Sinne der Familie handelt.

Wenn die beiden Teams ihre Arbeit aufnehmen, analysieren sie zunächst genau, wie die Gesellschafterverhältnisse sind und schließen, wenn erforderlich, eine Gesellschaftervereinbarung. Problembehaftet werden Verkaufsprozesse dann, wenn es nicht einen, sondern mehrere Eigentümer gibt und sie sich uneins sind. Als nächstes steht die Frage an, welche Kaufinteressenten infrage kommen könnten. Hierzu schauen sich die Fachleute die Zahlen, das Geschäftsumfeld und die Branche genau an. Der Unternehmenswert wird hierbei in der Regel als Mehrfaches des Ertragswerts ermittelt. Idealerweise liegt es mindestens im zweistelligen Bereich. Bei herkömmlichen Mittelständlern liegt der Wert derzeit oft eher niedriger. „Ist kein Wachstumspotenzial erkennbar, fällt Private Equity meistens schon weg“, sagt Anwalt Inhester.

Dafür gilt die Daumenregel, wonach eine Milliarde Umsatz eine Mindestgröße sei, um für Finanzinvestoren interessant zu sein, nicht mehr. „Es gibt für jedes Unternehmen passende PE-Investoren“, sagt UBS-Bankerin Avramopoulos. „Die sind häufig auch auf Betriebsgrößen spezialisiert, und ab einem Unternehmenswert im höheren zweistelligen Millionenbereich lohnen sich die Kosten für einen professionellen Verkaufsprozess, der zur Wertmaximierung führen kann.“

Prinzip Zufall

Das Prinzip Zufall bei der Investorensuche ist oft auch nicht zielführend. „Eigentümer sprechen bekannte Unternehmer aus ihrem Netzwerk an oder den Berater der Hausbank“, spricht PwC-Berater Rittmann aus Erfahrung. Die spontane Frage beim Golfen ist nur die zweitbeste Lösung. Viel besser sei, eine durchdachte Vorauswahl zu treffen und einige Private-Equity-Häuser mit einem guten Locktext anzuschreiben. Und auf die Antwort vorbereitet zu sein. „Idealerweise ist ein Data Room dann schon vorhanden“, sagt Rittmann.

Die Due Diligence vorzubereiten, hat für die Eigentümer Tücken, unter anderem, dass man intern keine Unruhe verbreiten will, aber das Wissen einiger Mitarbeiter unbedingt braucht. Die Kunst ist, die Anforderungen potenzieller Investoren hinreichend vorzubereiten, ohne dass sich Gerüchte im Unternehmen ausbreiten. Verständlich, dass die Due Diligence nicht immer rund läuft. „Oft sind die Private-Equity-Häuser erschrocken über mangelnde Professionalität“, meint Rittmann. „Ganz entscheidend ist, die anderen Gesellschafter abzuholen. Dafür empfehle ich eine leicht erfassbare und verständliche Unterlage nach dem Motto KLV: Für Kinder, Laien und Vorstände. Viele vergessen, dass der Gesellschafterkreis oft nicht nur aus Fachleuten besteht.“

Neben der mangelnden Vorbereitung auf die Prüfung gibt es ein zweites heikles Thema: dass der Prozess vonseiten der Eigentümer unnötig in die Länge gezogen wird, weil intern noch Themen gelöst werden müssen. Je besser die Vorarbeit, desto effizienter und kürzer die Phase, die man anschließend für den Prozess benötigt.

Eine Alternative zu Finanzinvestoren sind Family Offices. „Geld ist dort ausreichend vorhanden, aber es gibt immer wieder atmosphärische Themen“, sagt PwC-Berater Rittmann. Die DNA von Familienunternehmen sei eher nicht so, dass man mit alten Konkurrenten zusammengehen möchte. „Die emotionalen Strukturen sind sehr komplex, die Historie spielt eine große Rolle“, meint Rittmann. Dann zeige sich, wie homogen ein Gesellschafterkreis wirklich sei und ob es gelinge, die Mehrheit für eine Übernahme zustande zu bringen.

Neben Family Offices und Private Equity kommen sogenannte Strategen als Käufer infrage – Wettbewerber oder größere Konzerne, die Sparten, Know-how oder Marktzugang hinzukaufen. Ein Beispiel ist der Heizungsbauer Viessmann, der sein Wärmepumpengeschäft an den US-Konzern Carrier Global verkaufte. „Die Angebote von Strategen sind aufgrund von Synergien unterm Strich oft höher, gerade im derzeitigen Zinsumfeld“, sagt Bankerin Avramopoulos.

Nach einem geglückten Verkauf stellt sich das vermeintliche Luxusproblem, was die bisherigen Eigentümer mit all dem Geld machen. „Viele sind auf diesen Moment nicht optimal vorbereitet“, sagt PwC-Berater Rittmann. „Der langjährige Berater der Hausbank hat beileibe nicht immer eine Allokationsstrategie für 50 Millionen Euro.“ Auch hier helfe, frühzeitig Fachleute einzubinden, um das teuer Verdiente zu bewahren. Da möchte die UBS-Bankerin Avramopoulos nicht widersprechen. „Die Geldanlage ist bei solchen Beträgen etwas, das echten Profis übertragen werden muss. Und viele vernachlässigen das Thema Steuern.“ Auch das Thema Erbschaft sollte frühzeitig vorbereitet werden. 

Avramopoulos rechnet damit, dass es vor allem in der Autozulieferbranche in den kommenden Jahren viele Verkäufe geben könnte. Die produzierende Industrie kämpft mit den hohen Energiekosten. Hinzu kommen enorme Investitionen in den Wandel zur Elektromobilität und die Digitalisierung von Prozessen und Produkten. Da fehlt es so manchem Betrieb an Eigenkapital oder Finanzierungsmöglichkeiten. Manchmal braucht es eben keine Heuschreckenplage biblischen Ausmaßes, sondern schlicht und einfach Disruption.

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