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Personal > Unternehmensnachfolge

Die Suche nach einem Nachfolger kostet Zeit und Nerven

Drei, zwei eins – deins: Ein Unternehmen lässt sich nicht von heute auf morgen an den Nachfolger übergeben. Dabei gibt es mehr Optionen, als nur zu vererben oder zu verkaufen.

Dass seine vier Töchter nicht das Unternehmen übernehmen wollten, hatte Hans B. akzeptiert. Aber dass seine Schlosserei untergehen würde, hätte er sich nicht träumen lassen. B. hatte das Unternehmen bis weit über seinen 70. Geburtstag hinaus weitergeführt. Als ein Großkunde absprang, begannen die finanziellen Sorgen. Da er auch nicht auf neue Ideen oder Branchenkontakte eines Nachfolgers bauen konnte, wurde es für B. immer enger. 2016 ordnete seine Hausbank die Zwangsversteigerung der Firma an, aber die Erlöse konnten die Verbindlichkeiten nicht decken. Also kam auch sein Privatvermögen unter den Hammer. Und auch privat endete es im Fiasko: Nach mehr als 50 Jahren Ehe ließ sich seine Frau von ihm scheiden.

Die Geschichte von B. ist kein Einzelfall. Obwohl (oder womöglich gerade weil) die Regelung der Nachfolge zu den komplexesten und schwierigsten Aufgaben eines Unternehmerlebens zählt, schieben viele Unternehmer das Thema vor sich her. Wie aus dem KfW-Mittelstandspanel 2015 hervorgeht, hat die Hälfte der Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen, die innerhalb der kommenden drei Jahre eine Übergabe planen, noch nicht mit der Umsetzung begonnen. Ein weiteres Drittel hat dies aktuell noch nicht getan, will sich aber „später“ damit beschäftigen.

Ein Aufschub kann fatal sein. Denn eine passende, funktionierende und langfristig tragfähige Nachfolgelösung ist nicht von heute auf morgen gefunden. „Eine geregelte Übergabe braucht einen Vorlauf von bis zu zehn Jahren“, sagt Julia Reichert, die die Roemheld Gruppe in fünfter Generation leitet. Einen Zeithorizont von mindestens zwei bis fünf Jahren empfiehlt auch Professor Frank Wallau, der an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach zu Mittelstand und Unternehmensnachfolge forscht.

Übergabe als Familienprojekt

Schon in ihren frühesten Kindheitserinnerungen nahm Julia Reichert ihren Vater vor allem als eines wahr: als Unternehmer. In ihren Anfängen datiert die Roemheld Gruppe auf das Jahr 1707. Für Julia Reichert war schon früh klar, dass sie und ihr Bruder eines Tages in die Fußstapfen der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern treten würden – und auch wollten.

Damit entschied sich die Unternehmerfamilie für eine Nachfolgelösung, die die Mehrheit der Mittelständler wählt. Das zeigen Untersuchungen der KfW: Rund 60 Prozent der Befragten legen sich auf eine einzige Übergabevariante fest. Die Hälfte davon will das Unternehmen am liebsten an ein Familienmitglied übergeben. Doch selbst dann ist eine Übergabe kein Klacks. Früher wurde einfach der älteste Sohn Thronfolger des Patriarchen. „Heute wird die Nachfolge meist als ein gemeinsames Familienprojekt betrachtet“, sagt Dominik von Au, Geschäftsführer der Intes Akademie für Familienunternehmen, „das ist auch richtig so, kann allerdings Konfliktpotential mit sich bringen.“

„Führung und Eigentum trennen“

Um die Unternehmensübergabe nicht unnötig kompliziert zu machen, empfiehlt der Experte: „Führung und Eigentum sollten voneinander getrennt werden, dann liegen deutlich mehr Optionen auf dem Tisch.“ Nur wenn sich alle an die Spielregeln hielten und die Übergabe von Anfang an fair und transparent ablaufe, könne sie gelingen. Denn: „Streit ist der größte Wertvernichter im Familienunternehmen und in der Unternehmensnachfolge“, weiß von Au.

Streit gab es nicht, als die Roemheld Gruppe Mitte 2016 die Übergabe an die fünfte Generation einleitete. Doch das Unternehmen musste zwei Herausforderungen bewältigen: Erstens wollten Julia Reichert und ihr Bruder Philipp mehr Verantwortung übernehmen. Zweitens wollte ein weiterer Familienstamm, der die andere Hälfte der Unternehmensanteile kontrollierte, aus dem Unternehmen aussteigen und seinen Anteil ausbezahlt bekommen. Für den übernehmenden Zweig bedeutete das einen enormen finanziellen Kraftakt.

Mehr Artikel zu den Themen Strategie und Unternehmensnachfolge finden Sie auf unseren Themenseiten.

Einarbeitung ist wichtig

Im Jahr 2013 war Julia Reichert, nach mehreren Stationen im mittleren Management außerhalb der Firma, in das Familienunternehmen eingetreten. Dort war das Feld bestellt. Insbesondere personell bestanden gefestigte Strukturen. Das hielt der neuen Geschäftsführerin den Rücken frei, um sich in die neuen Aufgaben als Chefin der Holding einzufinden. „Die Einarbeitung war wahnsinnig wichtig. Mein Vater und die vier externen Geschäftsführer stellten insbesondere in der Zeit des Ausscheidens meines Onkels sicher, dass das Unternehmen erfolgreich weiterläuft“, sagt die 37-Jährige heute.

Wie wichtig es gerade bei einem familiengeführten Unternehmen ist, mit offenen Karten zu spielen, zeigte sich, als der zweite Familienstamm 2016 ankündigte, sich aus dem Unternehmen zurückziehen zu wollen. Alle Beteiligten waren sich jedoch darin einig: Die Roemheld Gruppe soll fortbestehen. Dieser Konsens ebnete den Weg für eine Einigung. Schnell war sich der Familienstamm um Julia Reichert darin einig, die Anteile des Onkels nach Möglichkeit übernehmen zu wollen.

Großzügiger Tilgungszeitraum

„Unser Ziel war es, unsere Selbständigkeit zu bewahren“, sagt Reichert. Um den zweiten Familienstamm auszahlen zu können, handelte die Roemheld Gruppe eine Finanzierung mit ihrer Hausbank aus. „Zugleich mussten wir sicherstellen, notwendige Investitionen auch weiterhin durchführen zu können“, sagt die Geschäftsführerin. Dafür habe man mit der Bank einen großzügigen Tilgungszeitraum vereinbart, der deutlich über das normale Maß hinausgeht. Außerdem holten sich Julia Reichert und ihr Bruder Hilfe bei einem Rechtsanwalt und Steuerberater, der die Struktur des Unternehmens schon lange als Berater kannte. Fachexpertise von außen zu holen sei unbedingt empfehlenswert, resümiert Reichert: „Bei der steuerrechtlichen Gestaltung einer Unternehmensnachfolge gibt es sehr komplizierte Mechanismen, die man allein kaum durchblickt.“

Die gesamte Übergabe dauerte rund eineinhalb Jahre. Mittlerweile liegen alle Firmenanteile in der Hand eines Familienstammes. Für das Projekt Generationenwechsel steht damit nur noch der letzte Punkt vor der Realisierung: Zum 1. Januar 2018 wird auch Julia Reicherts Bruder in die Geschäftsführung eintreten.

Nicht immer die eigenen Kinder

Was bei der Römheld Gruppe geklappt hat, muss anderswo nicht zwangsläufig funktionieren. Nicht immer wollen, können oder sollen die Kinder des Unternehmers die Firma übernehmen. So hat die Universität Sankt Gallen zusammen mit der Beratungsgesellschaft EY herausgefunden, dass mehr als die Hälfte der befragten Unternehmerkinder eine Angestelltenkarriere in einem Fremdkonzern dem Leiten des elterlichen Betriebs vorzieht. Ein Drittel kann sich zwar eine unternehmerische Tätigkeit vorstellen, will dann aber doch lieber sein eigenes Unternehmen gründen. Damit bleiben nur noch rund ein Zehntel an potentiellen Nachfolgern übrig.

Doch selbst wenn sich keine Kinder finden sollten, die das Unternehmen weiterführen wollen oder können, muss dies nicht zwangsläufig zum Verkauf führen. „Die Familie kann zum Beispiel einen externen Geschäftsführer einsetzen und über eine Kontr-ollfunktion, etwa in einem Beirat, weiter einen prägenden Einfluss auf das Familienunternehmen ausüben“, sagt Intes-Geschäftsführer Dominik von Au.

Eine besondere Nachfolgevariante

Für eine besondere Nachfolgevariante entschied sich der Unternehmer Jürgen Möschter. Er gehört zur immer größer werdenden Gemeinde flexibel planender Unternehmer, die mehrere Optionen für die Nachfolge kombinieren. Möschter begann 1992 mit der Entwicklung und Fertigung von Präzisionsbauteilen. 25 Jahre später beschäftigt das Unternehmen 160 Mitarbeiter und setzt mit Präzisionsbauteilen, Isolierungen und Industriekomponenten rund 20 Millionen Euro im Jahr um. Dass er sein Lebenswerk erhalten will, stand für Jürgen Möschter außer Frage. Ebenso klar war aber auch, dass seine Tochter nicht nachrücken würde. „Einen Management-Buy-out (MBO) hat er schon relativ früh als Alternative angesehen, schon während der Auswahl des Käufers“, sagt Geschäftsführer Stefan Veltum. Bei dieser Lösung werden aus Geschäftsführern Inhaber.

Da das bestehende, vierköpfige Führungsteam aufgrund der Unternehmensgröße nicht mehr als den Kauf von 9 Prozent der Anteile stemmen konnte, musste für die restlichen 66 Prozent ein weiterer Investor her. Familie Möschter behielt ihrerseits ein Viertel der Firmenanteile. Eine Unternehmensberatung sprach gut ein Dutzend potentielle Käufer an, darunter auch eine chinesische Firma. Schlussendlich entschieden sich das Management und Jürgen Möschter jedoch für einen Private-Equity-Investor aus Deutschland, die Hannover Finanz.

Raus aus der operativen Geschäftsführung

Als Nächstes gründeten die Gesellschafter zusammen die Moeschter Group – damit waren die neuen Eigentumsverhältnisse auch in eine rechtssichere Form gegossen. Jürgen Möschter selbst zog sich sukzessive aus dem Unternehmen zurück – nach dem „3, 2, 1“-Prinzip: „Im ersten Jahr nach der Übergabe war ich jede Woche noch drei Tage in der Firma, im zweiten Jahr zwei Tage, im dritten Jahr einen – und dann gar nicht mehr“, sagt der 67-Jährige.

Sich aus der operativen Geschäftsführung vollständig herauszuziehen fiel dem Unternehmensgründer jedoch nicht so leicht wie geplant. Um strategisch auch weiterhin mitreden zu können, hatte sich Möschter für eine Sonderform des MBO entschieden. Anstatt dem Management und dem Investor alle Anteile zu überlassen, behielt er 25 Prozent. Das hat zwei Vorteile: Erstens kann er so weiterhin für das Unternehmen tätig sein. Zweitens besaß die Entscheidung eine wichtige Signalwirkung: „Dass Familie Möschter weiterhin maßgeblich Anteile hielt, zeigte, dass kein Ausverkauf stattfindet und sie weiterhin an das Unternehmen glaubt“, sagt Veltum. Fachleute sprechen bei dieser Variante von einem Owners-Buy-out (OBO). „Ein OBO ist auch eine Form der privaten Vermögenssicherung, die das Risiko streut“, erklärt Goetz Hertz-Eichenrode, der Vorstandsvorsitzende von Hannover Finanz.

Mit Fingerspitzengefühl

Der Übergang eines Unternehmens von einem Eigentümer auf den nächsten wird auch gern dazu genutzt, die Unternehmensstrategie zu schärfen. Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt. Als das Management der Moeschter Group die „Vision 2030“ vorlegte, wonach das Unternehmen die Weltmarktführerschaft im Bereich Roh- und Karosseriebau/Schweißtechnik anstrebt, war das dem Senior zunächst zu theoretisch.

Schließlich schoben die Manager die mittelfristig gedachte „Agenda 2022“ hinterher, die als ein Kernziel vorsieht, den Jahresumsatz auf 50 Millionen Euro zu verdoppeln. Das neue Strategiepapier war dieses Mal aber nicht dem Senior geschuldet, sondern dem Käufer. „Der Hannover Finanz war der erste Zeitrahmen in zu weiter Ferne“ so Veltum. Der Zeithorizont des neuen Strategiepapiers war nicht zufällig gewählt: Der PE-Investor bleibt bei den meisten Unternehmen für rund acht Jahre an Bord, dann will er seine Anteile möglichst mit Gewinn verkaufen. „Nach 2022 stellt sich natürlich erneut die Frage, wie es mit der Moeschter Group weitergeht“, sagt Stefan Veltum. Bisher sei noch nichts konkret.“ Man könnte es auch anders sagen: Nach der Übergabe ist vor der Übergabe.


Der Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 11/2017. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

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