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Management > Adieu, Mensch?

Was Künstliche Intelligenz schon jetzt in den Unternehmen leistet

Künstliche Intelligenz in der Firmenorganisation sorgt für bessere Leistungen und Erträge. Sie ist clever, lernt schnell, und vergisst nie. Sollten wir uns also über einen Produktionszuwachs freuen – oder eher vor marodierenden Maschinenmonstern fürchten?

Der Plan: „Neuromorphe Algorithmen sollen audio-visuelle Sensordaten nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns verarbeiten.“ Ist es also so weit, dass Dr. X, jene Figur des Mad-Scientists aus Trashfilmen, die Welt durch humanoide Roboter erobern will? Keineswegs, denn es handelt sich um ein Projekt einer deutschen Universität. „Die Wissenschaftler möchten mit ihrem Projekt die neurobiologischen Funktionsweisen des Gehirns auf robotische und informationstechnische Systeme übertragen.“

Marodierende Maschinenmonster – und das auch noch mit der Unterstützung von einer halben Million Euro aus Staatsgeldern? Geht’s noch? Kein Wunder, dass selbst ein fortschrittlicher Unternehmer wie Tesla-Gründer Elon Musk die Künstliche Intelligenz (KI) für „die derzeit größte Gefahr für unsere Zivilisation“ hält.

„Gehirninspirierte Hardware“

Aber gemach. Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag tritt in seinem Sachstandsbericht zu „Technologien und Visionen der Mensch-Maschine-Entgrenzung“ solchen Einschätzungen entgegen. Darin heißt es, „dass die eher an weit in die Zukunft blickende Sciene-Fiction gemahnenden Visionen … dazu beitragen können, realistische Chancen und Risiken aus dem Blickfeld zu verdrängen“.

Das soll natürlich nicht sein. In der deutschen KI-Forschung und Praxis geht es freilich friedlich zu. So planen die Neu-Ulmer Forscher des Va-morph-Projekts, einen Computer nach den Funktionsprinzipien des menschlichen Gehirns zu bauen, weil die Bio-Datenverarbeitung den technischen Systemen immer noch überlegen ist, etwa bei der Auswertung von Sinneseindrücken. Daher wollen sie mit ihrer „gehirninspirierten Hardware“ eine Rechnerarchitektur zusammenstellen, bei der Prozessor und der Speicher nicht wie in bestehenden Computern getrennt sind, sondern nach dem Modell der vereinten Neuronen und ihrer synaptischen Verbindungen im Gehirn zusammenarbeiten. So lassen sich Daten viel schneller verarbeiten als mit der konventionellen Rechnerarchitektur, nach der PC oder Tablets funktionieren.

Als erster Tester für die Praxistauglichkeit des Konzepts soll der Roboter Ninjabot Orientierungsaufgaben erfüllen und sich auf bestimmte visuelle und akustische Landmarken hin bewegen, ohne sich durch Nebengeräusche oder Sichthindernisse ablenken zu lassen.

Pragmatische Lösungen

Ebenfalls mit pragmatischen Lösungen beschäftigt sich Martin Ruskowski. Der Professor ist Forschungsbereichsleiter Innovative Fabriksysteme beim Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). „KI besteht aus Methoden der Mathematik, die Daten über angelernte Algorithmen klassifizieren“, sagt er. Das Raffinierte an dem schlauen Matheprogramm ist, dass es aus einer trüben Masse von elektronisch erzeugten Daten sinnvolle Aussagen ziehen kann. Dessen größte Chancen sehen Unternehmensentscheider bei intelligenten Automatisierungstechnologien, die im Unterschied zu vorhandenen Technologien über Sensorik und Daten eine flexiblere Maschinensteuerung sowie die direkte Interaktion zwischen Mensch und Maschine zulassen. Das zeigt die Potentialanalyse „Künstliche Intelligenz“ von Sopra Steria Consulting.

Fast die Hälfte der befragten Unternehmer glaubt, dass Automatisierungstechnologien und digitale Assistenten branchenübergreifend zu den wichtigsten Einsatzgebieten Künstlicher Intelligenz gehören werden. „Bis 2025 werden die Bedeutung von KI und die Investitionen in intelligente Fertigungssysteme noch deutlich zunehmen“, sagt Andreas Schmidt, Experte für Innovation Management bei Sopra Steria Consulting. Das Potential ist groß, wie auch eine Wachstumsprognose des Marktforschers IDC zeigt. Erwartet wird ein jährlicher Schub des KI-Marktes von 55 Prozent bis auf ein Volumen von 47 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020.

Besonders interessant in der Produktionstechnik

KI könnte auch die Arbeit an der Steuererklärung für den Fiskus erleichtern. Zwar gibt es dazu erst mal nur den möglichen Einsatzbereich, den eine Studie des DFKI und die Steuerberatungsgesellschaft WTS ausgespäht hat. Aber bei Lohn- und Umsatzsteuer, Zollausgaben oder Verrechnungspreisen könnte KI schon jetzt punkten, etwa mit den Spezialgebieten maschinelles Lernen, Process-Mining, Informationsextraktion, Wissensmanagement oder Sprachverarbeitung. Diese Werkzeuge können eingesetzt werden zur korrekten steuerlichen Beurteilung von Sachzuwendungen oder zur umsatzsteuerlichen Rechnungsprüfung. Gerade bei den manuellen und sich wiederholenden Tätigkeiten der Steueraufgaben kann KI ihre Stärken ausspielen.

 

Mehr Artikel zum Thema Industrie 4.0 finden Sie auf unserer Themenseite.

Besonders interessant ist der KI-Einsatz in der Produktionstechnik. So gut wie jede Fertigungsmaschine liefert bei ihren Einsätzen eine ganze Menge an Daten. Voraussetzung für das Anzapfen dieser zunächst scheinbar nutzlosen Ströme aus Bits und Bytes sind Sensoren. Schon vor zwei Jahrzehnten wurden die ersten Sensoren in der Produktionstechnik eingebaut. „Theoretisch können also alle Geräte, die seither entwickelt worden sind, kommunizieren, untereinander oder mit Menschen“, sagt Pascal Liskowski, Mit-Geschäftsführer des auf Schnittstellen zwischen Softwareprodukten spezialisierten Unternehmens Nevermind. Aus dem Datenbrei lassen sich etwa für den Anwender Rückschlüsse auf Verschleiß und Materialbedarf ziehen. Der Hersteller erfährt durch die Auswertung der Daten, wie der Kunde seine Maschine einsetzt und auslastet. Das sind gute Voraussetzungen für ein Beratungsgespräch über den künftigen Bedarf an Maschinenleistung. Allerdings kann dieses Verfahren erst nach Abschluss der Produktionsprozesse seine Ergebnisse liefern.

Reibungslose Produktion

Einen Schritt weiter geht Ruskowski mit seinem Ansatz für KI in der smarten Fabrik. Hier werden die in den Fertigungsprozessen anfallenden Daten in Echtzeit erfasst und gleichzeitig analysiert, um die Produktionsabläufe zu verbessern. So erfährt der Maschinenhersteller, dass bei einem Anwender etwas schiefläuft, und er kann ihn noch während der Fertigung darauf aufmerksam machen und für Abhilfe sorgen.

Der Service lässt sich noch weiter ausbauen. So können beispielsweise die Hersteller von Waschmaschinen durch gezieltes Datenmanagement die Vorlieben der Kunden für bestimmte Waschprogramme herausbekommen. Diese Betriebsspionage dient einem guten Zweck: Dann ist direkt durch KI-Auswertung erkennbar, welche Funktionen wirklich genutzt werden, was überflüssig ist und wo Nachrüstbedarf besteht. „Die Firmen werden mehr antizipieren und weniger auf Sicht fahren“, sagt Liskowski eine goldene Kundenzukunft voraus.

Auf dem Weg zur KI

Das 5-Stufen-Modell zeigt, wie eigenständig elektronische Systeme arbeiten

  • Assistiertes Entscheiden mit Hilfe einer Tabellenkalkulation liefert im Gegensatz zum manuellen Vorgehen schnellere Antworten auf umfangreiche Fragen.
  • Teilweises Entscheiden durch ein System findet etwa bei der Abfolge von Transaktionen bei einer Onlinebestellung statt.
  • Geprüftes Entscheiden liegt vor, wenn das System aus allen verfügbaren Datenquellen eigene Vorschläge trifft.
  • Delegiertes Entscheiden bedeutet, dass das System einen definierten Bereich übernimmt, für den es Vorschläge zur Verbesserung anbietet.
  • Autonomes Entscheiden macht den menschlichen Bediener überflüssig. Neben der Kontrolle über komplexe Anwendungsbereiche liegen auch Problemfälle

Der Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 11/2017. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

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