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Personal > Leadership

Wertschätzung ist das wichtigste Instrument der Mitarbeiterführung

Electrostar ist ein Sanierungsfall, als Roman Gorovoy neuer Geschäftsführer des Herstellers von Handtrocknergeräten und Industriestaubsaugern wird. Der junge Russe saniert das Unternehmen – und lernt, wie wichtig Leadership und Wertschätzung für die Mitarbeitermotivation sind.

Als Roman Gorovoy 2005 mit nur 24 Jahren Geschäftsführer von Electrostar wird, merkt er schnell, dass sich einiges verändern muss. Mit Grausen erinnert sich Gorovoy heute noch an die langen, dunklen Flure mit kleinen Büros am damaligen Standort. Fast immer waren die Gespräche schlecht vorbereitet, emotional geführt, ohne Leadership, Entscheidung und Protokoll.    

Auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Das 1921 gegründete Unternehmen setzte einmal vor allem mit Händetrocknern und Küchengeräten der Marke „Starmix“ mit über 600 Mitarbeitern 60 Millionen D-Mark um, 2005 liegen die Zahlen nur noch bei jeweils der Hälfte. Die Mitarbeiter sind im Schnitt über 50 Jahre alt. „Es gab einen chronischen Investitionsstau“, erinnert sich Gorovoy. „Aber noch schlimmer war, dass es nicht gelungen war, sich an den verändernden Markt anzupassen.“

Dass der junge Russe eine so verantwortungsvolle Stelle gleich nach seinem Studium übernehmen kann, verdankt er seinem Vater. Der sucht als Chef des Investors Algo mit Sitz in Wien Anfang der 2000er-Jahre Investitionsobjekte und entsendet den Sohn, der vor kurzem in England sein Studium beendet hat, als Geschäftsführer nach Deutschland. Für Electrostar geht es um die Sanierung und gleichzeitig um die Unternehmensnachfolge. Die Algo-Gruppe übernimmt nach und nach die Anteile und wird schließlich Alleineigentümer.

Dort macht sich Gorovoy junior direkt an die Sanierung, erzielt 2007 erstmals wieder einen kleinen Gewinn – kurz bevor das Unternehmenswachstum aufgrund der Wirtschaftskrise erneut stockt. So richtig los geht es mit dem Turnaround daher erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts. Gorovoy setzt beim Produktportfolio vor allem auf Industriestaubsauger und schafft es, verkrustete Strukturen aufzubrechen.

„Wand der Schande“

Das kommt nicht immer gut an: Im Zuge der Einführung von Shopfloor Management werden 2017 überall im Unternehmen Schautafeln und Flipcharts aufgestellt. Für die Mitarbeiter ist das neue Konzept, das die Entwicklung aller Abteilungen transparent macht, ein Kulturschock. Viele empfinden Shopfloor Management als Einmischung in ihre bisherigen Herrschaftsbereiche. Als Zumutung sogar. Denn Probleme und Schwierigkeiten werden nun mit Namen verknüpft. „Die Tafeln hatten den Spitzname ‚Wand der Schande‘“, erzählt der Unternehmer.

In einem internen Bewertungssystem bekommen alle ihr Fett weg, selbst Gorovoy erhält negative Bemerkungen. Die Atmosphäre ist vergiftet. Es dauert einige Monate  bis die Mitarbeiter verstehen, dass es nicht mehr um einzelne Personen oder Abteilungen geht, sondern darum, in übergeordneten Unternehmenszielen zu denken sowie interne Abläufe und Prozesse aus Kundensicht zu weiterzuentwickeln.

Der Unternehmer engagiert einen Change Manager, der die Umstellung im Kopf begleitet. Nicht alle können und wollen sich verändern, Gorovoy muss sich von einer Führungskraft trennen. Die meisten Mitarbeiter sind aber offen für neue Strukturen. Auch der Chef selbst justiert seine Rolle neu: „Ich versuche nun mehr ein Motivator, Mentor und Ideengeber zu sein“, sagt Roman Gorovoy. Am schwierigsten war es loszulassen und den Mitarbeitern mehr zu vertrauen. „Je besser das gelingt, desto mehr Zeit hat man für die eigentlichen strategischen Führungsaufgaben“, sagt er.

Als Motivator ist sein wichtigstes „Instrument“ die Wertschätzung. „Gute Leistungen muss man anerkennen, visualisieren und loben, denn das setzt Glückshormone frei“, erklärt der Unternehmer. Die anfänglichen Probleme bei der Einführung von Shopfloor Management lassen ihn ebenfalls umdenken. Er spreche Kritik an Einzelnen mittlerweile nicht mehr in der großen Runde an, sondern immer persönlich.

Chefentwickler statt Chief Technical Officer

Mit der Zeit kann der Chef immer besser einschätzen, welche Maßnahmen in seinem Unternehmen funktionieren und welche nicht. Als ein Berater vorschlägt, englische Jobtitel einzuführen, lehnt Gorovoy das ab. „Ein Schwabe macht sich nichts aus einem Chief Technical Officer. Das ist bei uns weiterhin der Technische Leiter, fertig.“ Gleichzeitig will er Ziele aufzeigen, um die Mitarbeiter zu motivieren. „Bei einer Betriebsversammlung im vergangenen Jahr habe ich meine Rede zum 100-jährigen Jubiläum, das erst in drei Jahren stattfindet, herausgezogen und vorgelesen“, sagt er „Das kam sehr gut an und hat einprägsam gezeigt, welchen Weg noch vor uns liegt.“

Im Jubiläumsjahr 2021 peilt Gorovoy einen Umsatz von 50 Millionen Euro an. Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, hat er dieses Jahr den nächsten großen Schritt gemacht. Seit einem guten halben Jahr ist das gesamte Unternehmen in einen modernen Neubau umgezogen. Modern ist auch die Arbeitsweise im Großraumbüro, weil die Abteilungen nun nicht länger voneinander getrennt sind: Die Produktentwicklung sitzt direkt zwischen dem Einkauf und der Arbeitsvorbereitung. Als Bindeglied zwischen technischen Abteilungen und Vertrieb fungieren Produktmanagement und Marketing.  „Die Kommunikation sind dadurch viel fließender, zielgerichteter und schneller“, sagt Roman Gorovoy.

Wie sehr sich das Mindset vor allem seiner Führungskräfte veränderte, hat selbst Gorovoy überrascht. Als die Top-Leute der Regelung zustimmen, dass sie an dem neuen Standort keinen festen Arbeitsplatz mehr haben, vergewissert sich der Unternehmer mehrmals und schriftlich, ob das wirklich okay ist. Auch die Mitarbeiter sind wieder motiviert und haben Spaß an der Arbeit. „Die Atmosphäre bei uns ist mittlerweile sehr angenehm“, sagt Roman Gorovoy stolz.

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