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Technologie > Digitalisierung

„Wir sprechen zu viel über die Risiken“

Auf der Großveranstaltung Digital X raten Experten zum mutigen Einstieg in KI-Lösungen. Was Fachleute über die konkrete Anwendung neuer Technologen denken.

Bei der Digital X wurde unter anderem das Thema Künstliche Intelligenz diskutiert. Bildquelle: Deutsche Telekom AG

„Heute ist der langsamste Tag in eurem Leben!“ mit diesem Satz bringt KI-Experte Frank Thelen auf der Digital X in Köln auf den Punkt, wie rasant sich der Alltag von uns allen verändern wird. Die zweitägige Veranstaltung, bei der Markt und Mittelstand Medienpartner ist, lockte 50.000 Unternehmerinnen und Unternehmer nach Köln. Künstliche Intelligenz (KI) werde bereits in ein paar Monaten eine Anwendung gleichzeitig für Millionen von Nutzern verfügbar machen. Die Entwicklung ist nicht nur schnell, sondern auch tiefgreifend. Thelen, der seit 1994 über verschiedene Unternehmen an der Entwicklung von KI-Lösungen beteiligt ist, beschreibt das anhand eines Beispiels aus der Medienlandschaft. Die Technologie sei bald nicht nur in der Lage nach gewissen Vorgaben eine neue Geschichte zu erfinden. Sie kann dann auch die passenden Charaktere visuell für einen Film formen und sogar die passende Marketingstrategie gestalten. 

„Digitalisierung ist also Chefsache“, mahnt Telekom-Chef Tim Höttges. Das könne man nicht dem IT-Mann überlassen. Sonst gelinge die Umsetzung viel zu langsam. Wobei in den meisten Betrieben die Bedeutung durchaus bewusst ist: „Wir befinden uns an einem Wendepunkt. KI schafft die Grundlage für unsere Zukunft. So rechnen 96 Prozent damit, dass sie den künftigen Erfolg des Unternehmens bestimmt“, betont Anna Maria Martini, Expertin für Künstliche Intelligenz bei Google Cloud. Allerdings schwingt immer noch viel Skepsis mit. „So sprechen immer noch 46 Prozent der Unternehmen mehr über die Risiken als über den Nutzen von Digitalisierung“, stellt Hagen Rickmann fest, der bei der Deutschen Telekom für das Kundengeschäft verantwortlich ist. 

„Start small“

Allan Thygessen rät den Unternehmen, nicht mit überbordenden Projekten in das Thema einzusteigen. „Start small“, erklärt der Chef des amerikanischen Softwarespezialisten DocuSign. „Dann sieht man auch schneller Erfolge und das motiviert, weiter zu machen.“ Thygessen lobt die strukturiertere Herangehensweise der europäischen Unternehmen. Sie hätten auch die Aspekte der Nachhaltigkeit besser im Blick als die Firmen in seinem Heimatland. 

„Wir müssen KI erlebbar machen“, erklärt Matthias Müller-Wünsch, Technologiechef der Otto-Gruppe. Der Versandhändler beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahre mit den Möglichkeiten, die Technologie einzusetzen. Otto hat als erstes Unternehmen der Branche einen KI-gesteuerten Assistenten entwickelt, mit dem die Kunden Details über mehr als 180.000 verschiedene Produkte Fragen stellen können und sich beim Einkauf beraten lassen. Intern entstehe eine neue Qualität in die Arbeit.  Darum entwickelt Otto einen neuen KI-Assistenten. Du will das Unternehmen große Ausbildungsprogramme starten, um die Technologie den Mitarbeitern zu erklären. Den Mitarbeitern zu erklären. 

Nicht aufgeben

„Einfach mal ausprobieren und Schritt für Schritt weiterentwickeln“, lautet auch das Credo von Telekom-Chef Höttges. Der Einsatz von KI führe zu besserem Service. In seinem Konzern reiche die Technologie inzwischen bis in die Rechtsabteilung hinein. Natürlich komme es zu Fehlern. Oder der Wettbewerb ist mit er Technologie erfolgreicher. „Dann muss man deren Lösung adaptieren „Aber nicht aufgeben“; so Höttges. Müller-Wünsch ist bewusst, dass kleine Unternehmen so einen Aufwand alleine nicht stemmen können. Er rät zur Zusammenarbeit mit Partnern. „Wichtig ist, dass man mit Mut Dinge ausprobiert. Dabei Fehler zu machen ist nicht schlimm. Nichts zu tun ist viel schlimmer.“ 

„Die Angst vor KI ist weit verbreitet. Das fällt es schwer sich zu fokussieren, wenn man unsicher ist“, stellt die Zukunftsforscherin Amy Webb fest, die in den USA Investmentfirmen, Konzerne und Regierungsbehörden berät. Sie wurde von Forbes als eine der "Five Women Changing the World" ausgezeichnet. „Wir sollten aber nicht über die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen reden, sondern darüber was man tatsächlich tun kann“, betont Webb. Sie verfolgt schon seit den 90er-Jahren die Entwicklung der Technologien rund um die künstliche Intelligenz. Die Expertin wundert sich über die Entwicklung in Deutschland. „Das Land verliert 40 Millionen Arbeitnehmer in den kommenden Jahren. Doch es passiert nichts, um über Bildung und Technik entsprechenden Ersatz zu finden“, stellt Webb erstaunt fest. Regierung und Unternehmen investieren in dieser Frage zu wenig. Die Wissenschaftlerin mahnt: „Deutschland läuft einer Krise entgegen. Regierung und Unternehmen haben das noch nicht realisiert. Und dabei könnten sie das Land und Europa in eine bessere Zukunft führen.“

Radikale Transparenz

Telekom-Chef Höttges fordert deshalb eine „radikale Transparenz ein“. Alle Dinge, die nicht gut laufen müssten auf den Tisch. Dazu gehöre auch, dass die Auswirkungen der politischen Vorgaben diskutiert werden müssen. Denn in der Folge sei Deutschland in der Wettbewerbsfähigkeit abgestürzt. „Wir müssen protektionistischer werden. Bei der Solarenergie waren wir Marktführer. Heute beklagt man, dass man von den Chinesen abhängen“, pocht Höttges auf eine aktivere Rolle der Politik. „Wenn andere ihre Industrien schützen oder subventionieren. Dann müssen wir das auch tun“. Unser System stehe auf dem Prüfstand. „Wir brauchen dann einen Plan, den wir dann entschlossen umsetzen.“ Höttges nimmt aber auch gerade bei der Umsetzung der Digitalisierung seine Unternehmerkollegen in die Pflicht. Die müssten „als Ackergaul vorleben, was wirklich zählt. Und nicht als Showpferd zeigen, wie toll sie sind.“ 

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