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Personal > Technologien auch für KMU

Künstliche Intelligenz für den Mittelstand - eine Anleitung

KI-Technologien sind nicht nur etwas für Konzerne. Auch kleine und mittlere Unternehmen bekommen Zugang – oft kostenlos. Eine Anleitung.

Skeptische Blicke: Kollegin KI wartet bereits auf Arbeit, nicht überall ist sie bisher willkommen.Bildquelle: © Stokkete/Shutterstock.com

„Für kleine Unternehmen, die künstliche Intelligenz nutzen wollen, wird in Deutschland zu wenig getan.“ So harsch sagt es Sven Saage, Projektmanager Innovation bei der Industrie- und Handelskammer Offenbach. Er kann es beurteilen. Er bringt Unternehmen mit Forschungsinitiativen zusammen. „Zu viele Angebote auf Landes- oder Bundesebene fokussieren sich zudem auf einzelne Technologien wie derzeit Wasserstoff.“ Weil aber viele Chefs und Mitarbeitende innovative Ideen in anderen Bereichen hätten, müssten sie lange nach guten Kooperations- und Finanzierungsmöglichkeiten suchen.

Zu wenig Hilfe vom Staat – das ist der eine Teil der Wahrheit bei künstlicher Intelligenz (KI). Der andere: Kleine Betriebe sind zu risikoscheu. Zum Beispiel die deutschen Händler. Der Branchenverband HDE befragte seine Mitglieder nach ihrem Interesse an KI-Lösungen. Das Ergebnis erinnert an die berühmte Analyse des Soziologen Ulrich Beck aus den 1980er-Jahren: „Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre.“ Obgleich zwei Drittel der Händler aufrechtes Interesse an neuen KI-Tools bekunden, nutzten sie bisher keine KI-Lösungen und planen auch nicht für die nahe Zukunft damit.

Diese kognitive Dissonanz herrscht landesweit. Die Liste möglicher Bedenken ist lang und unterscheidet sich nach Branche nur marginal. Es mangele an konkreten Anwendungsfällen, Fachkräften und nötigen Lerndatenbeständen. Es drohten IT-Sicherheitsrisiken, Verstöße gegen Datenschutzvorgaben, Anwendungs- und Programmierfehler, mangelnde Beherrschbarkeit der KI-Systeme, Know-how-Verlust im Unternehmen sowie Kontroll- und Kompetenzverlust bei Führungskräften.

Möglicherweise ist das eine sehr deutsche Sicht. Ganz sicher aber ist das der direkte Weg zum Abstieg im internationalen Wettbewerb – noch dazu sehenden Auges. Denn erst im Juni 2023 erklärten in einer Bitkom-Studie 60 Prozent der befragten Unternehmer, sie seien schon jetzt mit Wettbewerbern konfrontiert, die digital weiter seien als sie selbst. Ein Jahr zuvor waren erst 52 Prozent der Unternehmensverantwortlichen dieser Ansicht.
Hendrik Reese beschäftigt sich als Partner der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC mit Fragen rund um den Einsatz künstlicher Intelligenz in Unternehmen. Er sieht die Chancen, auch wenn es um schwierige Themen wie Risikomanagement, Sicherheit und Compliance in Unternehmen geht. „Generative KI wird immer einfacher zu nutzen und ihre Risiken können beherrschbar gemacht werden“, ist er überzeugt. In der Tat ist prompten, also geschicktes Anfragen, einfacher als programmieren. 

Mit KI ließen sich Unternehmensrisiken schneller identifizieren, sagte Reese, etwa bei der Qualitätssicherung, der Arbeitssicherheit oder dem Materialfluss. „Auch Personalabteilungen kommen zu besseren Ergebnissen“, sagt der Experte. „Wir alle haben einen sogenannten Bias im Kopf, das heißt eine systematische Neigung und Bewertung in unserer Wahrnehmung, über die wir uns oft selbst nicht bewusst sind. Ein Unternehmen, das seine KI mit weiteren externen, danach aufbereiteten Daten zur Personalauswahl trainiert, vermeidet Ungerechtigkeiten aufgrund subjektiver Entscheidungen.“ Apropos Daten. „Der Datenprotektionismus ist in Deutschland immer noch sehr ausgeprägt. Umgekehrt können Unternehmen in guten Ökosystemen gemeinsam mit anderen Firmen Mehrwert für sich und ihre Kunden generieren“, sagt Reese und regt mehr Offenheit auf der Chefetage an – nicht nur bei KI. 

Auch wenn kleine und mittlere Betriebe nicht mit Fördermaßnahmen rund um KI überschwemmt werden, gibt es mehr gute Angebote, als viele Unternehmer ahnen. Chef oder Chefin müssen nur den ersten Schritt machen: nachfragen. Das gilt für viele örtliche Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern. Anruf genügt. Die Angebote sind niedrigschwellig, der Ansatz lautet: Wir bauen Brücken. 

So hat beispielsweise die IHK Offenbach das Netzwerk Cross Innovation geknüpft. „Dort treffen sich derzeit branchenübergreifend 28 Unternehmen, um für die Produktion oder für Servicedienstleistungen digital voneinander zu lernen“, berichtet Projektmanager Saage. Nach seiner Erfahrung nutzen viele Geschäftsführer ohne eigenen Chief Digital Officer ihre rare Zeit lieber, um persönlich von Gleichgesinnten dazuzulernen als in Online-Webinaren. „Zudem bringen wir die Unternehmen direkt in Verbindung mit den richtigen Ansprechpartnern von Fachhochschulen und Universitäten der Region.“ Das funktioniert über den Kontakt zu den Transferstellen der Hochschulen oder direkt zu den Lehrstühlen. Damit räumt die IHK ein echtes Hindernis aus dem Weg.

Die Suche nach dem richtigen Forschungspartner im digitalen Kosmos ist schwierig, die direkte Ansprache nicht minder. Weil Praxistest und Forschungsvorhaben aber auch finanziert werden wollen, sind die IHKn wie auch die Wirtschaftsförderungsgesellschaften vor Ort, die erste Adresse für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) auf der Suche nach dem passenden finanziellen Förderprogramm.

Auch die Bundesländer werben um technologieaffine KMU. In Nordrhein-Westfalen ist es etwa das „Zukunftszentrum KI NRW“. Es soll bestehende Bedenken der Firmen gegen KI durch praxisnahe Beratung und Qualifizierung abbauen. Rat und Tat sind für die Unternehmen kostenlos. Auch hier liegt der Fokus nicht auf Konzernen mit eigenem Digitalisierungsetat, sondern auf Betrieben mit bis zu 250 Mitarbeitenden. 

Das Projekt hat bei der Beratung immer die individuelle Praxis des Unternehmens im Blick. Dieser pragmatische Ansatz sei sinnvoller als komplexe Beratungsstrukturen nach festgelegtem Schema. Michael Guth, Senior Consultant beim Zunkunftszentrum, wirbt: „Wer Rat sucht, kann bei uns jederzeit nachfragen, auch ohne tiefgründige Analysen und Pläne vorlegen zu müssen.“ Das Zukunftszentrum hilft bis zum Proof of concept und bei der Suche nach dem richtigen Förderprojektträger. Nur einführen muss der Betrieb die gefundene Lösung noch selbst. „Aber wir helfen bei der Übergabe in gute Hände“, verspricht Guth.

Das Zentrum hat Erfahrung. Es geht unter anderem darum, wie sich mithilfe von KI eine schnelle Triage durchführen lässt, um zu klären, aus welchen Kundenanfragen mit der größten Wahrscheinlichkeit neue Aufträge werden. Manche Unternehmen brauchen Hilfe, wenn sie KI-Tools entwickeln, um Bewerbungsverfahren zu erleichtern oder produzierende Betriebe suchen nach den richtigen Daten für digitale Dienstleistungsmodelle. Alles ist möglich. „Wir sehen noch viel ungenutztes Potenzial“, bedauert Guth. Unternehmen sollten sich gut vorbereiten. „ChatGPT hat einen Boom auch bei unseren Anfragen ausgelöst. Doch KI lässt sich meist erst dann sinnvoll zu nutzen, wenn die Digitalisierung und die Datenerfassung eines Betriebs dazu die nötige Basis liefern.“

International vernetzen

Auch auf internationaler Ebene können sich experimentierende Unternehmen mit Experten vernetzen. Für Unternehmer in Baden-Württemberg, die ihre Produktion optimieren wollen, haben sich dafür das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, die Universität Stuttgart und die Arena 2036 der internationalen Initiative „AI Matters“ angeschlossen. Die Kooperation ist Teil eines EU-weiten Projekts, über das Unternehmen auf Exzellenz-Niveau rund um KI marktfähige Lösungen entwickeln können. Das klingt gut, aber auch nach einem exklusiven Zugang für arrivierte Unternehmen. Doch das täuscht: Zielgruppe ab Sommer 2024 sind gerade auch kleine und mittlere Unternehmen, die ihre konkreten Ideen von Experten testen, bewerten und zertifizieren lassen wollen. Bis 2027 finanzieren EU und das Land Baden-Württemberg die Initiative. Erst danach sollen Kundeneinnahmen den dauerhaften Testbetrieb sicherstellen. Alle großen Bundesländer verfolgen ähnliche Pläne.

Interessierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen aber nicht einmal ihr Büro verlassen, um sich beim Thema KI kompetent und preisgünstig weiterzubilden. So bietet zum Beispiel der Branchenverband Bitkom praxisnahe, kostenlose Unterstützung an. Etwa den Leitfaden zum Machine Learning (ML), mit dem sich lernen lässt, wie Programme damit funktionieren und wo sich der Einsatz im eigenen Betrieb lohnen könnte.

Gar nicht so selten sitzen die innovativsten KI-Köpfe direkt nebenan. Studien zeigen nicht nur, dass KI-Lösungen umso besser im Unternehmen funktionieren, je eher die Beschäftigten mitreden konnten. Auch zum Einsatz künstlicher Intelligenz kommen die besten Vorschläge oft direkt aus der Produktion oder den Büros. Ein Beispiel aus dem Marketing: Wer könnte schneller und effizienter Kundendaten erzeugen, Muster erkennen und zielgerichteten Content anbieten als ein Mitarbeiter, der all das an eine KI delegieren kann? Sie erlöst ihn von Routinen und verschafft ihm mehr Zeit für kreative Lösungen. Man muss beide nur fragen.

Rat, Tat und finanzielle Starthilfe

Fördergeld für Digitalisierung und KI-Projekte gibt es. Allerdings ist es schwer zu finden. Einen guten Überblick bietet die Seite www.foerderdatenbank.de der Bundesregierung.

Auch der Kontakt zu diesen von der Bundesregierung besonders geförderten Forschungszentren kann für kleine und mittlere Unternehmen interessant sein: 
BIFOLD (Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data)
DFKI – Deutsches Forschungszentrum für künstliche Intelligenz
MCML – Munich Center for Machine Learning
ML2R – Kompetenzzentrum Maschinelles Lernen Rhein-Ruhr
ScaDS – Competence Center for Scalable Data Services and Solutions ­Dresden/Leipzig
Tübingen AI Center – Competence Center for Machine Learning

Zugeschnitten auf künstliche Intelligenz ist KI4KMU, ein bundesweites, branchenoffenes Förderprogramm für KMU der gewerblichen Wirtschaft mit maximal 249 Mitarbeitern sowie 50 Millionen Euro Jahresumsatz oder 43 Millionen Euro Jahresbilanzsumme. Es fördert die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten für risikoreiche industrielle Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Bereich KI. In der Regel können Projektkosten bis zu 50 Prozent finanziert werden. Gefördert werden unterschiedliche, innovative Vorhaben, die einen ­signifikanten Neuheitsgrad gegenüber dem aktuellen internationalen Stand der Wissenschaft und Technik bei KI-Methoden haben

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