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Technologie > Diesel- und Benzinmotoren

Die Zukunft des Autos ist nicht nur elektrisch

Die Elektromobilität boomt. Doch viele Hersteller entwickeln auch die Diesel- und Benzinmotorentechnologie weiter. Und die Zukunft des Automobilantriebs könnte noch ganz woanders liegen.

„Auf dem Weg zum emissionsfreien Fahren verfolgen wir eine dreispurige Antriebsstrategie. Wir setzen auf Hightech-Verbrennungsmotoren, die Hybridisierung und auf Elektroantriebe mit Batterie oder Brennstoffzelle.“ Das sagt kein Geringerer als Ola Källenius, der Vorstand für Konzernforschung bei Daimler. Mit dem Technologiemix sollen möglichst alle Mobilitätsanforderungen der Kunden abgedeckt werden.

Mit einem ähnlichen Anspruch geht auch der größte Automobilhersteller der Welt vor. Toyota legt allerdings eine klare Betonung auf den Hybrid- und Wasserstoffantrieb. „Den Abschied vom Diesel haben wir schon eingeläutet“, sagt Dirk Breuer, verantwortlich in der Öffentlichkeitsarbeit für Advanced Technology. „Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir im Jahr 2045 noch Hybridmodelle verkaufen.“

Andere Marktexperten sehen eine ähnliche Entwicklung voraus. So kommt die „Energieprognose Deutschland 2016–2040“ von Exxon Mobil zu dem Ergebnis, dass Mineralöl und Erdgas im Jahr 2040 noch viel bewegen werden. Zusammen würden es die fossilen Rohstoffe dann auf noch zwei Drittel der Energieversorgung bringen. Das gehe einher mit dem Anstieg der allgemeinen Verkehrs- und Güterleistung: Diese soll gegenüber dem Stand von heute um ein Drittel wachsen. Ab dem Jahr 2030 dürfte die Zahl der Erdgas-, Flüssiggas-, Hybrid- und Elektroautos deutlich zunehmen. „Langfristig werden sich in die Deutschland die Plug-in-Hybride durchsetzen. Sie haben nach reinen Elektrofahrzeugen den geringsten CO2-Ausstoß, verfügen aber über eine größere Reichweite“, konstatiert die Studie.

Weniger Schadstoffe

Der Prognose zufolge wird der Pkw-Bestand in Deutschland in den nächsten zwei Jahrzehnten wegen eines angenommenen Bevölkerungsrückgangs drastisch sinken – von heute 63 auf dann nur noch 45 Millionen Fahrzeuge. Doch von denen würden auch im Jahr 2040 noch zwei Drittel von Verbrennungsmotoren angetrieben. Das restliche Drittel verteile sich auf die verschiedenen Spielarten der alternativen Antriebe.

Auch Daimler-Forschungsvorstand Källenius ist davon überzeugt, „dass es bei den Verbrennern noch lange weitergeht“. Noch im Jahr 2025 würden 75 Prozent der Autos von einem Verbrennungsmotor angetrieben, ist man sich bei Daimler sicher. Dieser werde aber mehr und mehr elektrifiziert. Selbst der vielgescholtene Dieselantrieb wird bei den Schwaben weiterentwickelt, weil der Motor geringe Kohlendioxid-Emissionen aufweist und besonders im Güterverkehr nach wie vor benötigt wird.

Vorteile werden komnbiniert

An einem neuen Konzept für den Verbrennungsmotor bastelt auch Mazda. Der Anspruch der findigen Japaner ist, angesichts des nach wie vor hohen Anteils von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren dennoch zu einer deutlichen Verringerung der CO2-Emissionen beizutragen.

Ab 2019 kommt mit Skyaktiv-X ein Benzinmotor zum Einsatz, der die positiven Eigenschaften von Otto- und Dieselmotor kombiniert. In diesem Motor werkelt eine Kompressionszündung, die das Kraftstoff-Luft-Gemisch wie bei einem Dieselmotor selbst entzündet, sobald es im Brennraum komprimiert wird. Mazda bezeichnet diese Verbrennungsmethode als SPCCI (Spark Controlled Compression Ignition). Der Mix aus Benzin- und Diesel-Motortechnik soll bei gleichem Hubraum um etwa ein Drittel bessere Leistungswerte bieten bei geringerem Kraftstoffverbrauch.

Auch die Wissenschaft sieht noch erhebliche Potentiale bei den konventionellen Antriebskonzepten. Eine ganze Reihe hochrangiger Forscher – angefangen bei der RWTH Aachen über die TU Darmstadt bis hin zur ETH Zürich – hat sich in der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Kraftfahrzeug- und Motorentechnik (WKM) zusammengeschlossen. In ihrem Positionspapier „Bewertung der dieselmotorischen Situation“ sehen die Wissenschaftler im Verbrennungsmotor nach wie vor den „Motor der Mobilität, des Güterverkehrs und der mobilen Arbeitsmaschinen.“

Auch im Interesse einer erfolgreichen Klimapolitik sei es nötig, die Antriebssysteme „technologieoffen“ weiterzuentwickeln, heißt es in dem Papier, das optimistisch in die Zukunft blickt: „Mit intensiver Forschung sind vollständig umweltneutrale verbrennungsmotorische Antriebe darstellbar.“ Die Forscher sind überzeugt: „Im Jahr 2030 werden weltweit mehr Verbrennungsmotoren gebaut als heute.“ Deshalb, so die WKM, sei eine intensive Forschung und Weiterentwicklung sinnvoll und nötig.

Kostspielige Wasserstofftechnologie

Das bestätigen auch die Experten des Steinbeis-Transferzentrums „Neue Technologien in der Verkehrstechnik“. In ihrer Prognose „Adieu Verbrennungsmotor – oder doch nicht?“ entwerfen sie ein geographisch differenziertes Szenario. Zum einen glauben sie, dass wegen der zunehmenden Forderung nach regenerativer Energieerzeugung in den Industrieländern Wasserstofftechnologien eine immer wichtigere Rolle spielen. Zum anderen aber sind sie sich sicher, dass „die Entwicklungsländer – und in solchen lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung – sich derartig teure Technologien nicht leisten können“. Dort, so prophezeien die Steinbeis-Forscher, werde der Verbrennungsmotor wohl noch weitere Jahrzehnte dominieren.

 

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Wie kostspielig die Wasserstofftechnologie – zumindest im derzeitigen Anfangsstadium – noch ist, zeigt Toyota mit dem Mirai. Wasserstoff wird in einer Brennstoffzelle in elektrischen Strom umgewandelt. Seit zwei Jahren ist das Modell kommerziell auf dem Markt. Allerdings bewegt sich das Fahrzeug mit einer Leasingrate von monatlich knapp 1.500 Euro oder einem Listenpreis von knapp 75.000 Euro in einem Bereich, in dem die meisten Firmenkunden höchstens Pkw für die Chefetage kaufen.

Dünnes Netz der Kraftstoffzapfanlagen

Die Fahrleistungen des Mirai sind zwar ordentlich und durchaus mit denen herkömmlicher Verbrenner vergleichbar: So beträgt etwa die Reichweite das Fahrzeugs nach Angaben des Herstellers rund 650 Kilometer. Mit 0,75 Kilogramm Wasserstoff kommt das Fahrzeug etwa 100 Kilometer weit. Doch viel sparen gegenüber einem Benzinmotor lässt sich nicht: Aktuell kostet ein Kilo Wasserstoff rund 7 Euro. Der Tankvorgang dauert drei Minuten – nahezu lächerlich im Vergleich zum Laden von batteriegetriebenen Elektroautos.

Ein echter Nachteil ist das dünne Netz der Kraftstoffzapfanlagen. Bisher bieten nach Angaben der Clean Energy Partnership (CEP) gerade mal 41 Tankstellen in Deutschland die Chance, Wasserstoff zu tanken. Was die lokalen Emissionen angeht, stellen die Steinbeis-Forscher der Wasserstoff-Brennstoffzellentechnik ein gutes Zeugnis aus: „Beim Wasserstoffantrieb entsteht kein schädliches Abgas.“ Für die Ökobilanz dieser Technologie ist es jedoch entscheidend, woher der Wasserstoff kommt: Die Produktion von Wasserstoff im Wege der Hydrolyse ist energieintensiv. Erst wenn der dabei eingesetzte Strom aus regenerativen Quellen stammt, lässt sich von „grüner“ Technik sprechen.

Synthetische Kraftstoffe

Der härteste Konkurrent der reinen Elektromobilität sind die bereits vieltausendfach erprobten Hybrid-Konzepte. Hier kann der Verbrennungsmotor kleiner dimensioniert werden, da in der Beschleunigungsphase beide Antriebe gleichzeitig arbeiten und ihre Leistung addieren. Der Hybridantrieb kann durch Nutzung der Bremsenergie (sogenannte Rekuperation) Kraftstoff sparen und Emissionen senken. In den Städten selbst kann der Verbrennungsmotor vollständig abgeschaltet werden. Dann fährt der Hybrid emissionsfrei.

Entwicklungspotential schreiben die Forscher auch neuartigen synthetischen Kraftstoffen zu. Für neue Mischungen aus dem Chemiebaukasten sieht die Prognos-Studie „Status und Perspektiven flüssiger Energieträger in der Energiewende“ große Chancen. Erstellt wurde die Studie im Auftrag der Verbände der Mineralölindustrie. „Durch die Beimischung zu den heutigen fossilen flüssigen Energieträgern können die CO2-neutralen E-Fuels stufenweise zu einer CO2-Reduktion bis hin zur vollständigen Treibhausgasneutralität beitragen“, sagt Jens Hobohm, Vize-Direktor bei Prognos. Damit lassen sich die bestehenden Verbrennungsmotoren ohne gößere oder kostspielige Umrüstungen weiterhin nutzen.

Die Kraftstoff-Zukunft wird teuer

Auch die Herstellung von E-Fuels mit drei Methoden ist erprobt – Biofuel, Wasserstoff aus Strom und Power-to-Liquid. Doch nur ein Verfahren hat, wenn man Prognos glauben will, ernsthafte Chancen im Markt. Die Erhöhung des Biomasseanteils in Form von Pflanzenöl im Kraftstoff ist einfach zu teuer. Flüssige Energieträger aus Biomasse herzustellen würde 1,90 bis 2,50 Euro pro Liter kosten. Hinzu kommen die Kosten für die Aufbereitung und den Vertrieb sowie Abgaben und Steuern. Skeptisch sind die Prognos-Forscher auch bei der Erzeugung von Wasserstoff mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien. Zwar könnte der Wasserstoff sofort in den Produktionsprozess der Raffinerien eingebunden werden, und auch die Treibhausgasemissionen ließen sich verringern. Aber die gesellschaftliche Akzeptanz und das „machbare nationale Stromerzeugungspotential“ etwa aus Windkraft seien unklar. Denn um massenhaft „grünen“ Wasserstoff zu erzeugen, würden reihenweise neue Windkraftanlagen benötigt, die mutmaßlich auf energischen Widerstand bei den Bewohnern der umliegenden Gemeinden stoßen dürften.

Mit den besten Chancen wartet nach Ansicht von Prognos die Power-to-Liquid(PtL)-Technologie auf. Bei diesem Verfahren, bei dem elektrische Energie zu Flüssigkeit umgewandelt wird, verbindet sich Wasserstoff aus erneuerbaren Energien mit Kohlendioxid zu einem treibhausgasneutralen Kohlenwasserstoff. Kohlendioxid ließe sich aus der Luft extrahieren. Zudem könnte auch Biomasse verwendet werden, aus der sich Methanol erzeugen lässt.

Bis dieses Verfahren zur Großserienreife entwickelt ist, braucht es aber noch einen langen Atem. Hinzu kommt: Die Kraftstoff-Zukunft wird teuer. Nach Prognos-Schätzung soll die Herstellung von einem Liter synthetischen Rohöls im Jahr 2030 zwischen 90 Cent und 1,40 Euro kosten.


Der Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 11/2017. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

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