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Zukunftsmärkte > SPD, Grüne und FDP im Check

Die Zwischenbilanz der Ampel-Regierung

Die parlamentarische Sommerpause hat begonnen. Eine Halbzeitbilanz der Regierung fällt durchwachsen aus. Faul waren SPD, Grüne und FDP nicht. Aber unterm Strich macht sich nicht nur die Wirtschaft Sorgen, wie es mit Deutschland weitergeht. Auch die junge Generation sollte genau hinschauen.

Christian Lindner, (FDP), Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) halten den Vertrag in der Bundespressekonferenz nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages. Bildnachweis:picture alliance/dpa | Bernd Von Jutrczenka

Wenn es ein Wort gibt, dass den Akteuren der Ampel-Regierung die Angst in die Glieder fahren lasst, dann ist es wohl „Zumutung“. Das Gebäude-Energie-Gesetz steckte in seiner Ursprungsfassung voller solcher Zumutungen. Den Klimawandel aufzuhalten, kostet Geld. Das war eine der wesentlichen Botschaften, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nicht immer kommunikativ glücklich aussandte. Am Ende ist sein Gebäude-Energie-Gesetz – obwohl deutlich abgemildert – immer noch nicht vom Bundestag beschlossen und seine Umfragewerte stark gesunken.  


Der Werdegang des GEG ist symptomatisch für das Vorgehen dieser Regierung: Soziale Verträglichkeit steht zumindest für zwei der drei Parteien ganz oben. Der Staat kümmert sich, solange es um die geht, die schon wählen dürfen. Die Jüngeren müssen schauen, welche Kümmerer ihre Anliegen in der Regierung haben. „Zukunftskoalition“ hat sie sich genannt. Sozialkoalition trifft es eher: Mindestlohn, Rente, Kindergrundsicherung. Um den Standort Deutschland bleibt nicht viel übrig. Investitionen in Digitalisierung wurden zurückgefahren, Unternehmen deutlich weniger entlastet als von Ökonomen erhofft und sie im Wettbewerb bräuchten. 


Gemessen an dem, was die Regierung sich im Koalitionsvertrag vorgenommen hat, ist bis zur Sommerpause 2023 ungefähr die Hälfte erledigt. Das ist aller Ehren wert, wenn man bedenkt, wie viel Zeit die Folgen der Ukraine-Krise bis heute absorbieren. Und das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil sie die drei Parteien bei den meisten Themen in den vergangenen Monaten im Dauerstreit befanden. 

Vor allem Hubertus Heil (SPD) war fleißig. Der Bundesarbeitsminister hatte es zugegebenermaßen aber auch einfacher, weil er in der Vorgängerregierung schon im Amt war, seine Leute und die Themen waren ihm vertraut, einige Projekte waren schon angelegt, als die Ampel loslegte. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro war im Oktober 2022 entsprechend kein Hexenwerk mehr, aber sehr bedeutend für die SPD. Was viele nicht wissen: Heil hatte sich bei dieser Erhöhung um rund 15 Prozent über die Empfehlungen der zuständigen Kommission hinweggesetzt. Als diese jüngst für 2023 und 2024 trotz der hohen Inflation nur eine Erhöhung des Mindestlohns um jeweils 41 Cent vorschlug, musste er nolens volens zustimmen, auch wenn ihm mehr lieber gewesen wäre. 


Bei Hubertus Heil liegt auch ein zweites großes Wahlversprechen der SPD: Die Renten sollen von 2025 an stärker steigen, als es nach der bisherigen Regelung erlaubt wäre. Der Arbeitstitel des Projektes lautet „Mindestrentenniveau 48 Prozent“. Hier sieht man, welche Partei für welche Altersklasse in der Ampel steht: Die SPD hat die Rentner im Blick, weil sie deren Stimmen braucht. Die Grünen und FDP wurden überproportional von jungen Menschen gewählt. Entsprechend steckt bei der Rente hohes Konfliktpotenzial: Jeder Zuschuss für die Rente geht auf Kosten der jungen Generation, die genau weiß, dass das System schon jetzt marode ist. 

Entsprechend setzt die FDP auf das „Generationenkapital“: Der Staat soll für spätere Rentner in Aktien investieren, um mit den Erträgen die Rentensystem langfristig zu stützen. Ironischerweise stockt dieses Doppel-Vorhaben nicht an einem Streit zwischen FDP und der SPD – Heil und Finanzminister Lindner sind sich längst einig – sondern an den Grünen: Weil die Koalitionspartner die Grünen-Projekte GEG und Kindergrundsicherung blockieren, stellen sie sich bei der Rente auf die Hinterbeine, wie die FAZ berichtet. 


Apropos: Im Familienministerium von Lisa Paus (Grüne) können so manche vermutlich nicht wie geplant in den Urlaub fahren: Kanzler Olaf Scholz (SPD) verlangt Präzisierung der geplanten Kindergrundsicherung. Was genau sind die „Leistungsverbesserungen“ für die Menschen? Hier gibt es selbst innerhalb der Ampel unterschiedliche Definitionen und Ansichten. Dass weniger Geld zur Verfügung steht als die Ministerin haben will – und übrigens auch unabhängige Experten vorschlagen – ist bereits klar. Lindner will zwei Milliarden Euro geben, Paus verlangt sieben. Dabei sind die Defizite klar: Zu viele Kinder haben keine hinreichend großen Chancen, in Deutschland Karriere zu machen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Eine Entscheidung soll es Ende August geben. 


Weniger Geld für die nachfolgende Generation – diese einfache Formel stimmt grundsätzlich auch hier, auf der anderen Seite gibt es Gründe, warum der Finanzminister gerade bei der Kindergrundsicherung auf Sparsamkeit pocht: Wenn der Schuldenberg zu sehr wächst, nimmt das in Zukunft Spielraum – irgendwer muss in den folgenden Jahren die Zeche bezahlen. Und auf Lindner kommen noch weitere Probleme zu: Irgendwann ist das Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht, also die 100 Milliarden Euro der „Zeitenwende“. Und dann müssen die Ausgaben für Verteidigung auch ohne diesen Sondertopf bei zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen. Heißt: 80 statt 50 Milliarden Euro Steuergeld. Die fehlenden 30 Milliarden muss Lindner absehbar irgendwo auftreiben, ohne die Schuldenbremse zu reißen. Und dann müssen in Bälde auch noch die Kredite getilgt werden, die im Zuge der Ukraine-Krise aufgenommen wurden – übrigens zu höheren Zinsen als Deutschland viele Jahre gezahlt hat. Da ist nicht viel Geld für Soziales übrig, sagt Lindner. 


Aber eben auch nicht für die Unternehmen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stützen. Gerade hat Lindner seine Steuerreform vorgelegt und die Entlastung von rund sechs Milliarden Euro, die sich zudem noch über einige Jahre verteilen, bemängeln Ökonomen als arg niedrig. Die hohen Energiepreise belasten die Betriebe zusätzlich. Hier geht die Diskussion um den Industriestrompreis vermutlich schon in der Sommerpause weiter. Das Thema liegt bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der in dem Dilemma steckt, dass jeder Euro, der dem Standort langfristig nutzt, jetzt für soziale Wohltaten fehlt. 

Wohnungen fehlen in Deutschland auch, was auch in der Ampel-Regierung bekannt ist. Die Bekämpfung des Mangels ist eine der größten Aufgaben der Koalition, aber hier tut sich nicht viel. Knapp 300.000 Wohnungen wurden hierzulande 2022 gebaut, 400.000 lautet die Zielmarke. Das Bündnis für bezahlbares Wohnen von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) muss hier noch einiges liefern. 


Alles andere als ein Nebengleis ist für die Ampel die Deutsche Bahn. Auf dem Weg zur Klimaneutralität spielt die Schiene eine entscheidende Rolle. Es wird viel gebaut – und bald noch mehr. Über 40 der wichtigsten Strecken müssen generalsaniert werden. Das ist kurzfristig unangenehm für die Reisenden, aber wichtig für den Standort. 45 Milliarden Euro braucht die Bahn dafür. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) muss über den Sommer neue Geldquellen auftun. Die Nummer des Finanzministers hat er ja. Wissing ist übrigens auch Digitalminister. Von einer selbst ernannten „Zukunftskoalition“ hatte man hier mehr Wumms erwarten können. Die Bilanz fällt ernüchternd aus. Er musste sich ja auch um Porsche und Co kümmern, damit in der EU ab 2035 mit eFuels betriebene Autos nun doch weiter fahren dürfen.


Die Gesundheit steht bekanntlich über allem. Nun hatte der zuständige Minister Karl Lauterbach (SPD) zu Beginn seiner Amtszeit tage- und wie man ihn kennt auch nächtelang mit Corona zu tun. Auch das andere C, Cannabis beziehungsweise dessen Freigabe, hat lange für intensive Diskussionen gesorgt. Doch zuletzt zeigte Lauterbach Wirkung: Über die dringend notwendige Krankenhausreform konnte er sich mit den Ländern einigen. Hier geht es nun um die Umsetzung. Auch die elektronische Patientenakte kommt voran. Spannend wird sein, ob der die Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung auf gesündere Füße stellen kann. Vor allem Letzte ist ein Krisenherd für zukünftige Generationen. 


Gerade das Gesundheitssystem ist ein Beispiel, wie schwer sich Regierungen tun, zu prüfen und zu erklären, wo das Geld der Menschen versickert. Darüber spricht zwar der Bund der Steuerzahler, aber auch diese Regierung ungern. Angesichts der im Herbst anstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern dürfte es mit harten Wahrheiten so schnell nichts werden: Wer den jüngeren Generationen einen wettbewerbsfähigen Standort übergeben will, muss der heutigen Wählerschaft einiges zumuten. Auf Fehler bei der Kommunikation dabei wartet die AfD schon mit gewetzten Messern, aber die Deutschen haben ja durchaus schon bewiesen, dass sie einiges verstehen und ertragen – solange die Gesetze handwerklich gut gemacht sind.
 

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