Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Einkauf, Marketing und Marken > Engelhard Arzneimittel

„Wir gehen unseren Weg, weil wir daran glauben“

Engelhard Arzneimittel hat sich von der kleinen Apotheke zum mittelständischen und international agierenden Pharmaunternehmen entwickelt. Und der Blick geht weiter nach vorn: Kürzlich investierte man massiv in die Produktion.

Ministerpräsident Boris Rhein
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein eröffnete im Mai 2023 ein Produktionsgebäude von Engelhard. Bild: Engelhard

Gemeinsam mit seinem Bruder Oliver führt Richard Engelhard das Unternehmen in der 5. Generation. Mit Markt & Mittelstand spricht der CEO über organisches Wachstum und seine Wünsche für einen vitalen Mittelstand.

Herr Engelhard, Ihr Unternehmen wurde im vergangenen Jahr 150 Jahre alt. Sie selbst begleiten das Unternehmen quasi Ihr ganzes Leben lang. Was empfinden Sie, wenn Sie auf die Entwicklung schauen?

Richard Engelhard: Ich empfinde großen Stolz. Es ist beachtlich zu sehen, was in den vergangenen 150 Jahren, von denen ich fast 50 Jahre miterlebt habe, geleistet wurde. Und ich empfinde Dankbarkeit den vielen Generationen von Mitarbeitenden gegenüber, was wir gemeinsam aufgebaut haben und durch welche herausfordernden Zeiten wir gegangen sind. Das ist etwas ganz Besonderes.

Was macht das mittelständische Pharmaunternehmen Engelhard so erfolgreich?

Wir konzentrieren uns auf ein schmales Portfolio, sind damit aber in über 100 Ländern vertreten und besitzen bezogen auf unsere Produkte eine umfassende Expertise. So können wir uns gegen große Unternehmen behaupten. Es sind ja sehr wettbewerbsträchtige Märkte, in denen wir uns bewegen, sowohl national als auch global. Wir produzieren unsere Produkte in großen Stückzahlen. Das erhöht die Wirtschaftlichkeit. Den internationalen Vertrieb wickeln wir schon seit jeher über Partner vor Ort ab. Das lässt uns finanzielle und personelle Ressourcen, um auch bei unserer Größe investieren zu können, etwa in einen modernen Produktionsneubau. Aber auch in Forschung und Entwicklung bei bestehenden Zulassungen, obwohl wir das als Anbieter von rezeptfreien Medikamenten nicht müssten.

Gab es denn Überlegungen, die Firma größer aufzustellen und als Konzern, mit verschiedenen Tochterunternehmen, in weitere Pharma-Märkte vorzustoßen?

Wir denken Wachstum organisch. Mein Vater hat vor vielen Jahren mal gesagt, die Firma habe eine gute Größe. Damals hat mich das gewundert. Er hatte keine Abneigung gegen mehr Produkte oder höheren Umsatz, sondern zielte darauf ab, wie groß ein Familienunternehmen sein sollte und wie es zu managen ist. Da sind wir konservative Kaufmänner: Wir wollen uns nie übernehmen. Gleichwohl kaufen wir Zulassungen und Marken oder auch mal ein kleines Unternehmen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, zum Beispiel wenn dort ein Generationenwechsel ansteht und sich keiner findet, der nachfolgen will.

Inwieweit spielen die Vorteile einer unabhängigen operativen Führung eine Rolle?

Das ist ein Aspekt, der uns ganz wichtig ist. Die Eigenständigkeit ist Gold wert. Wir haben keine Quartalsberichte. Wir müssen den Umsatz nicht verschieben, um irgendeine Kennzahl zu erfüllen, damit alle zufrieden sind und der Börsenkurs stabil bleibt. Wir können unseren Weg gehen, auch wenn er länger sein mag, weil wir daran glauben.

 

Kürzlich wurde das neue Produktionsgebäude feierlich eingeweiht. Der hessische Ministerpräsident war da sowie zahlreiche Gäste aus Wirtschaft und Pharmabranche. Wie haben Sie persönlich den Festakt erlebt?

In der Tat sehr festlich! Ich bin dankbar, dass sich so viele Manschen die Zeit genommen haben, persönlich zu kommen. Uns wurde viel gratuliert. Es hat sich angefühlt wie ein persönlicher Geburtstag. Es war schön zu sehen, dass ein solches Projekt gewürdigt wird. Das macht Mut und zeigt, dass es nicht als selbstverständlich angesehen wird, in der heutigen Zeit solche Investitionen zu tätigen.

War das Projekt ein Kraftakt?

Es sind viele Gedanken und eine Menge Arbeit hineingeflossen, keine Frage. Wir haben 2015 mit der Planung und 2018 mit dem Bau begonnen. 2020 konnten wir die neue Produktion und auch den Verwaltungs-Neubau in Betrieb nehmen. Das war mitten in der Coronapandemie: Wir waren damals nur fünf Personen hier im Büro und haben die Eröffnung per Video im Intranet gestreamt.

In Niederdorfelden zu bauen, ist ja auch ein klares Bekenntnis zum Standort.

Auf jeden Fall. Wir glauben an den Standort und haben uns bewusst entschieden, hier zu investieren. Es gab nie die Überlegung, mit der Produktion nach Osteuropa zu gehen. Wir stehen zum Wirtschaftsstandort Hessen und Niederdorfelden. Wir können hier unsere Vorstellung von Miteinander und Kollaboration ideal umsetzen. Wir haben den neuen Verwaltungstrakt und das bestehende Gebäude mit einer Brücke verbunden. Wir haben ein Betriebsrestaurant geschaffen, was für die Größe von Engelhard nicht selbstverständlich ist. Die Wege sind ganz kurz. Die Brand Managerinnen können sehen, was auf der Anlage produziert wird. Die Einkäuferin kann direkt an die Anlage, um zu schauen, wo es vielleicht gerade mit Packmitteln oder Rohstoffen hakt. Diese Integration ist ganz wichtig.

Der Ursprung Ihrer Firma liegt in Frankfurt am Main. Jetzt sind Sie seit rund 30 Jahren in Niederdorfelden beheimatet. Warum Land statt Metropole?

Wir sind damals aus Frankfurt-Bornheim weg, weil es zu eng wurde, keine Erweiterung möglich war und die Stadt damals wenig Interesse an produzierendem Gewerbe hatte. Aber, mit Verlaub, wir sind immer noch in der Metropole, direkt vor den Toren Frankfurts. Viele unserer Mitarbeitenden wohnen in der Mainmetropole, in Hanau, im Taunus oder Main-Kinzig-Kreis. Zugleich haben wir Zugriff auf die Verkehrsanbindungen, an einen internationalen Flughafen und die Binnenschifffahrt, über die wir viel transportieren. Wir genießen hier die Vorteile beider Welten.

45 Mio. Euro haben Sie sich den Produktionsneubau kosten lassen. Bei 150 Mio. Euro Jahresumsatz ist das kein Pappenstiel. Was macht Sie zuversichtlich, dass es gut angelegtes Geld sein wird?

Schon jetzt ist es ein Quantensprung im Vergleich zur alten Produktion. Was die Workflows betrifft, die Materialflüsse und die Anforderungen an ein modernes Manufacturing-Umfeld. Mit dieser Investition ist Wachstum möglich. Wir haben die Kapazitäten bei der Herstellung und Abfüllung unseres Hustensaftes Prospan auf täglich 250.000 Flaschen verdoppelt. Das hat sich schon gelohnt. Es war die richtige Entscheidung.

Welche Vorteile hat die Modernisierung der Produktion für Engelhard abgesehen von der Erhöhung der Stückzahlen?

Wir haben alles hier am Standort, von der Verwiegung bis zur Konfektionierung der Verpackung in den Landessprachen. Dadurch sind wir flexibel und können für Kunden zielgerichtet produzieren. Das ist wertvoll, weil wir mit unseren Arzneimitteln in einem saisonal schwankenden Markt unterwegs sind. Erkältungswellen sind mal weniger, mal stärker ausgeprägt. Kunden wollen dann kurzfristig mehr Ware haben. Wenn wir in Lohnunternehmen fertigen lassen würden, betrüge die Vorlaufzeit zwischen vier und sechs Monate. Da ist die Erkältungssaison schon vorbei. Hinzu kommt: Wir haben das Produkt und die Qualität im Auge. Die Qualitätskontrolle erfolgt hier. Daran liegt uns viel. Das Label „Made in Germany“ ist für unsere Kunden ein Qualitätsversprechen, auf das sie großen Wert legen und das wir gerne erfüllen.

Die Pharmabranche muss – wie viele andere Sektoren auch – mit geopolitischen Verwerfungen, Fachkräftemangel und Inflation umgehen. Hinzu kommen spezifische Krisen wie gestörte Lieferketten und Rohstoffengpässe, Stichwort Fiebersaft für Kinder. Wie meistern Sie diese Herausforderungen?

Wir planen mittlerweile weitsichtiger. Was zugegeben häufig nicht einfach ist, weil ein Problem oft ad hoc aufkommt. Ein langjähriger Lieferant kann etwas nicht liefern, weil Produkte eingestellt werden. Ein anderer Lieferant wird bestreikt oder Häfen in Asien sind blockiert. Da muss man agil sein und eine Feuerlösch-Mentalität besitzen. Und eine gewisse Resilienz schadet auch nicht. Unser Einkaufsleiter zum Bespiel, seit 30 Jahren im Job, sagt, er habe das in dieser Zeit so noch nicht erlebt. Ich bin sehr dankbar, dass unsere Mitarbeitenden den Weg mitgehen.

Nicht weniger herausfordernd ist die Digitalisierung. Wie geht Engelhard damit um?

Digitalisierung ist ein wichtiges Zukunftsthema. Wir haben verschiedene Schritte in der Produktion bereits automatisiert und digitalisieren Prozesse, etwa die Chargenbegleitpapiere. Jede Charge hat eine Rezeptur, in der die einzelnen Zutaten und zusätzliche Informationen protokolliert werden, etwa deren Chargennummer, ihr Produktionsdatum, das Gewicht und mehr. So kann man später nachvollziehen, was wann verarbeitet wurde. Dass wir noch digitaler werden, da sind wir auf dem Weg und auch ein wenig ungeduldig. Aber mein Bruder und ich merken, dass die Digitalisierungsprojekte aufgrund der Komplexität der Materie Pharma und unserer Unternehmensgröße von rund 500 Mitarbeitenden herausfordernd sind. Wir planen und packen die Projekte Schritt für Schritt an. Wird diese Reise jemals ein Ende haben? Ich denke nicht.

Was wünschen Sie sich für die nächsten 150 Jahre Engelhard Arzneimittel?

Ein langer Zeitraum… Ich wünsche mir, dass die Firma weiter unabhängig bleibt und auf eigenen Füßen steht. Und, dass wir weiter ein Global Player in unserem Segment sind. Wir sind heute schon ein Hidden Champion und Weltmarktführer bei Hustenmedikation. Ich bin sicher, dass wir unsere Position stärken können. Denn in der Forschung und Entwicklung an den bestehenden Wirkstoffen und an neuen pflanzlichen Substanzen sehe ich großes Potenzial.

Ein zuversichtlicher Blick in die Zukunft…

Ja, ich bin guter Dinge. Allerdings möchte ich hinzufügen, was ich als Mitglied des Verbandes der Chemischen Industrie nicht müde werde zu sagen: Wenn Deutschland ein Produktionsland bleiben und den Mittelstand erhalten will, müssen wir gewisse Dinge jetzt zügig angehen.

Welche wären das?

Energiekosten sind für Unternehmen ein existenzielles Thema. Der Fachkräftemangel bereitet uns seit Jahren Sorge. Bei der Bürokratie hat man eine Sache abgeschafft und zwei hinzugenommen. Wir stehen uns in Deutschland selbst im Weg. Ich habe festgestellt, dass es kein Erkenntnisproblem ist, sondern ein Umsetzungsproblem. Da wünsche ich mir von der Politik bessere Rahmenbedingungen und ein gemeinsames Vorgehen, um die Herausforderungen zu meistern – damit wir eben in 150 Jahren noch gut arbeiten können.

Zur Person:

Richard Mark Engelhard, Jahrgang 1973, ist geschäftsführender Gesellschafter von Engelhard Arzneimittel und führt das hessische Pharmaunternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Oliver. 2001 stieg er ins Familienunternehmen ein und etablierte dort den Bereich Business Development. Zuvor hatte er drei Jahre lang bei Novartis Comsumer Health in München das Marketing für die Bereiche OTC und Functional Food verantwortet. Engelhard hat einen Bachelor (Honors)-Abschluss der European Business School in London und ist u.a. Vorstandsmitglied im Bundesvorstand des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). (gho)

Ähnliche Artikel