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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Kinderbetreuung begründet nicht unbedingten Anspruch auf günstige Arbeitszeiten

Beruf und Kinderbetreuung sind oft schwer miteinander zu vereinbaren. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte zu entscheiden, inwiefern Beschäftigte mit Kindern Anspruch auf betreuungsfreundliche Arbeitszeiten haben.

Beschäftigte, die sich um die Kinderbetreuung kümmern, können nicht unbedingt mit günstigeren Arbeitszeiten rechnen. Bild: Shutterstock

Beschäftigte, die für Angehörige und insbesondere Kinder Sorge tragen müssen, können grundsätzlich verlangen, dass der Arbeitgeber ihnen auch bei der Lage der Arbeitszeiten entgegenkommt – es sei denn, betriebliche Gründe sprechen dagegen. Ein solcher betrieblicher Grund kann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf den Beschäftigten die komplette Schichtplanung ändern müsste und wenn andere Arbeitnehmer in gleicher Situation benachteiligt würden, entschied das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern.

Der Fall 

Nach der Geburt ihrer Zwillinge hatte eine Bäckereiverkäuferin ihre bisherige Arbeitszeit von 40 auf 35 Wochenstunden verkürzt. Statt der bis dahin vorgesehenen Samstags- und Sonntagsschichten beantragte sie außerdem, nur noch montags bis freitags sowie nur noch zwischen 7.40 Uhr und 16.40 Uhr eingesetzt zu werden. Anders könne sie Berufstätigkeit und Kinderbetreuung nicht miteinander vereinbaren. 

Der Arbeitgeber stimmte der Arbeitszeitverkürzung zu. Die Beschränkung auf den Einsatz von Montag bis Freitag zu den gewünschten Zeiten aber lehnte er ab, unter anderem, weil auch andere Beschäftigte kleine Kinder hätten, die sie betreuen müssten.

Als die Verkäuferin einen Dienst zur Frühschicht um 5.30 Uhr nicht antrat, mahnte der Arbeitgeber sie ab und teilte ihr zugleich die nächsten Schichtzeiten mit, die wiederum außerhalb des Wunsch-Zeitfensters der Verkäuferin lagen. Die Frau klagte vor dem Arbeitsgericht auf die gewünschten Arbeitszeiten. Das Arbeitsgericht Schwerin wies die Klage ab.
 

Das Urteil

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern kam in der Berufung zu dem gleichen Ergebnis und bestätigte:  Wer mindestens sechs Monate im Betrieb beschäftigt ist, kann eine Reduzierung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verlangen. Den Wunsch, nur zu bestimmten Zeiten zu arbeiten, darf der Arbeitgeber aber ablehnen, wenn die Lage der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. 

Bezogen auf den Fall der Bäckereifachverkäuferin kam das LAG zu der Einschätzung, dass sich die an den Öffnungszeiten der Bäckereifilialen orientierte Betriebsorganisation und die Wunsch-Arbeitszeiten der Verkäuferin nicht vereinbaren ließen. Denn dann käme das bisherige Schichtmodell, das alle Mitarbeiterinnen durch einen regelmäßigen Wechsel gleichmäßig belaste, nicht mehr in Betracht. Vielmehr wäre der Arbeitgeber gezwungen, die Einsatzpläne ganz neu zu organisieren. 

Der Arbeitgeber müsse außerdem nur die ohne weiteres nachvollziehbaren persönlichen Umstände der Beschäftigten berücksichtigen, nicht aber die familiären Verhältnisse im Einzelnen näher erforschen. Bei der Erstellung des Schichtplans müsse er sich weder nach den aktuellen persönlichen Lebensverhältnissen seiner Beschäftigten erkundigen noch könne er prüfen, ob es nicht doch zumutbare anderweitige Möglichkeiten einer Kinderbetreuung etwa durch Eltern, Verwandte oder Tagesmütter gibt.

Das sagt der Experte

„Das Urteil ist folgerichtig und stimmt mit der bisherigen Linie obergerichtlicher Entscheidungen überein“, sagt Alexander Möller, Partner der Kanzlei SKW Schwarz. Zwar hätten Arbeitgeber bei der Erteilung von Weisungen die berechtigten Interessen von Arbeitnehmern zu berücksichtigen. „Gleichwohl braucht dies nicht einseitig zu Lasten des Arbeitgebers zu gehen, sondern es sind dessen berechtigte Interessen stets entsprechend zu gewichten“, so der Arbeitsrechtler. 

Obwohl Arbeitgeber auch im eigenen Interesse stets darauf achten sollten, ihren Beschäftigten möglichst familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu bieten, müssten sie unangemessene oder unzumutbare Lösungen nicht hinnehmen. „Daran ist vor allem zu denken, wenn das Entsprechen des Arbeitnehmerwunsches zu hohen Kosten führt oder umfangreiche Planungen des Arbeitgebers komplett obsolet werden.“ Gleiches gelte auch dann, wenn der Vorteil für einen einzigen Arbeitnehmer stets mit direkten Nachteilen für eine Vielzahl anderer Arbeitnehmer verbunden sei.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13. Juli 2023, Az. 5 Sa 139/22 (Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG anhängig, Az. 5 AZN 629/23)
https://www.landesrecht-mv.de/bsmv/document/JURE235008839/part/K

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