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Finanzierung > Elektromobilität

Überfrachtete Erwartungen

Elektrotransporter und E-Laster sollen die Logistik klimafreundlicher machen. Doch Ladesäulen fehlen, die Politik spart, Kunden warten ab. Entwickelt wird trotzdem.

Elektrisierender Ausblick: Daimler bietet wie viele andere Hersteller auch einen E-Lastzug. Bisher bewegen sich die Absatzzahlen in überschaubaren Größen. Bildquelle: Daimler Truck

Sie sind leise, verursachen keine klimaschädlichen Abgase und sollen in Zukunft Güter auch in entfernte Gebiete liefern. Glaubt man den Werbeaussagen der Hersteller, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch im Nutzfahrzeugbereich der Elektroantrieb den Dieselmotor ersetzen wird. Daimler Truck will 2030 etwa 60 Prozent der produzierten Fahrzeuge mit einem E-Motor ausstatten. Wie das aber konkret gelingen soll, lässt der Konzern auf Nachfrage offen. Wie weit die Strecke noch ist, verrät ein Blick in die Verkaufszahlen des Stuttgarter Nutzfahrzeugkonzerns. So wurden insgesamt im vergangenen Jahr 526.053 Laster und Busse verkauft. Doch lediglich 3443 hatten einen Elektroantrieb. Wie viele davon tatsächlich Lastwagen waren, verrät der Konzern auf Nachfrage nicht. Man mache keine Angaben zum Absatz auf Modellebene.

Der Boom der E-Laster jedenfalls bleibt bisher aus. Jeder arbeitet an den Fahrzeugen, viele wollen sie gern haben, doch Kosten, fehlende Infrastruktur und ein eher zögerliches Förderprogramm bremsen. Und wie tauglich die batterieelektrischen Laster sind, ist auch unklar. Gleichzeitig sollen schärfere Grenzwerte kommen. Die Wende am Lkw-Markt lässt jedenfalls noch auf sich warten.

Nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes wurden allein im vergangenen Jahr rund 20.000 Nutzfahrzeuge mit E-Antrieb zugelassen. Das entspricht einem Marktanteil von 7,5 Prozent. Das klingt beachtlich. Doch schaut man genauer hin, relativieren sich diese Werte. So schätzt der Bundesverband für Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), dass in ganz Deutschland derzeit lediglich 400 Lastwagen über 7,5 Tonnen mit rein batterieelektrischem Antrieb im Einsatz sind. Insgesamt sind 800.000 Brummis jeden Tag auf unseren Straßen unterwegs. Die meisten Strom-Laster fahren im lokalen Umfeld, beispielsweise als Müllfahrzeuge oder für den Stückguttransport. Die Strecken sind hier überschaubar, sodass die Fahrzeuge mit einer Stromladung über den Tag kommen.

Doch für den Fernverkehr sind Reichweiten zwischen 300 und 500 Kilometern nicht praxistauglich. Spätestens dann müssen die schweren E-Trucks für mehr als eine Stunde an die Ladestation. So der Fahrer eine findet. Sie sind immer noch spärlich verteilt und oft für Lkw schwer zugänglich. Aral betreibt beispielsweise derzeit ganze acht Ladepunkte für schwere Nutzfahrzeuge zwischen Dortmund und Schwegenheim in der Pfalz. Eine EU-Richtlinie sieht den Aufbau eines Ladenetzes bis 2026 vor. Demnach sollen E-Trucker alle 120 Kilometer einen Stromanschluss vorfinden. Bis 2028 schreibt Brüssel auch mindestens zwei Ladepunkte an allen sicheren Parkplätzen vor. Ein Blick auf die allabendlich überfüllten Rastanlagen macht allerdings schnell deutlich, dass dieses Ziel noch keinen Massenbetrieb sicherstellen kann. 

Der europäische Automobilverband Acea schätzt, dass in der EU mindestens 50.000 Ladesäulen und 700 Wasserstofftankstellen nötig wären, um die Lkw-Flotte im Fernverkehr betreiben zu können. Allerdings werden Investoren solch eine Infrastruktur erst in Angriff nehmen, wenn ein entsprechender Bedarf auch absehbar ist. Als Zwischenlösung könnten Lastwagen mit Stromabnehmern dienen, die dann ihre Batterien während der Fahrt aufladen. Versuchsstrecken dazu gibt es auf der Autobahn 5 zwischen Darmstadt und Frankfurt und der A1 bei Lübeck. Eine dritte Teststrecke ist in Baden-Württemberg im Murgtal bei Rastatt auf der Bundesstraße 462 entstanden. Umstritten ist aber der hohe Aufwand für die Infrastruktur. Gut 190 Millionen Euro haben die Teststrecken bisher verschlungen. Die erweisen sich in der Praxis allerdings als störungsanfällig. So kam die 21,7 Millionen Euro teure Einrichtung im Murgtal mit dem Streusalz nicht klar. Der Lkw-Hersteller Iveco beziffert zudem die Kosten für einen Testlaster auf 1,5 Millionen Euro. 

Bleibt also stationäres Laden. Einige Spediteure haben eigene Stationen eingerichtet, um ihre Fahrzeuge sicher mit Strom zu versorgen. Sie nutzten Fördergeld aus dem Programm für klimaschonende Nutzfahrzeuge und Ladeinfrastruktur (KsNI), aufgelegt 2021. Bis zu 80 Prozent der Kosten für eine Ladestation bekamen sie erstattet. Eine solche Anlage kann dem BGL zufolge mehr als 500.000 Euro kosten. Für dieses Jahr waren 566 Millionen Euro vorgesehen, die die Ampelregierung allerdings zusammengestrichen hat, um den Haushalt verfassungskonform zu machen. Dabei war durchaus Interesse da. Das Fördergeld 2023 war bereits im Herbst ausgeschöpft. „Die Haushälter im Bundestag fahren mit der Streichung der Förderprogramme für E-Lkw und betriebliche Ladeinfrastruktur nicht nur die deutsche Wirtschaft, sondern auch ihre eigenen Klimaziele vor die Wand“, rügt BGL-Chef Dirk Engelhardt.

Der Verband hatte bereits im Herbst zusammen mit den großen Herstellern die Politik aufgerufen, weiter zu fördern. Sonst könne sich kein Mittelständler einen abgasfreien Laster leisten, der in der Anschaffung das Dreifache eines Dieselbrummis koste. „Mit dem Wegfall der KsNI-Förderung entzieht man unseren Kunden heute, wo Diesel-Lkw noch deutlich günstiger in der Anschaffung sind, einen hilfreichen Anreiz, schnellstmöglich in Fahrzeuge mit emissionsfreien Antrieben zu investieren“, bestätigt ein Sprecher von Daimler Truck. Allerdings sei heute bereits ein batterieelektrischer Lastwagen – „bei ausreichender Fahrleistung und Depotladen“ – über den gesamten Lebenszyklus auch ohne Förderung wirtschaftlich. Daimler rechnet vor, dass der E-Actros 600 im Laufe von fünf Jahren und einer Fahrleistung von 600.000 Kilometern insgesamt günstiger ist, obwohl er bis zum Zweieinhalbfachen des Dieselmodells kostet. Dabei verweist der Stuttgarter Konzern auf steigende Lkw-Maut und Dieselpreise.

Der jüngste Kostenschub ärgert die Branche besonders. Zum Jahreswechsel wurden die CO2-Abgabe auf Diesel und die Maut erhöht. Das bringt dem Fiskus in den kommenden vier Jahren rund 30 Milliarden Euro. Doch für die Förderung der E-Mobilität im Güterverkehr ist kein Geld da. „Etwa 85 Prozent des Güterverkehrsaufkommens wird auf der Straße erbracht. Erfolgreicher Klimaschutz im Verkehr funktioniert also nur über klimafreundliche Lkw“, sagt Logistikverbandschef Engelhardt. Die Branche fühlt sich in die Zange genommen. Denn die EU-Staaten wollen gleichzeitig die Emissionsgrenzen für Brummis verschärfen. Im Vergleich zu 2019 sollen die Emissionen ab 2030 um 45 Prozent und ab 2040 sogar um 90 Prozent sinken.

Trotz dieser widrigen Bedingungen für den klassischen Brummi bleibt offen, wer E-Lkw kaufen und betreiben soll. So kommen nicht nur bei den Herstellern Zweifel auf, ob der einmal angedachte Zeitplan noch stimmig ist. Offiziell hüllen sich Daimler, MAN und Iveco in Schweigen. Wie schon bei der Elektromobilität für Personenwagen kommt der Markt nicht in Schwung und die Branche bleibt auf immense Kosten sitzen. Aber auch bei den Zulieferern wird man zunehmend nervös. Selbst große Konzerne wie ZF oder Bosch leiden unter dem Spagat zwischen Verbrenner, der das Geld heute einbringt, und E-Antrieb, der einfach nicht durchstarten will, aber irgendwie die Zukunft sein soll.

Insgesamt buhlen derzeit mehr als 30 Hersteller um Kundschaft aus Handwerk, Kommunen und Speditionen. Die meisten Anbieter haben sich auf leichte Nutzfahrzeuge spezialisiert, die vor allem auf der Kurzstrecke unterwegs sind. Insbesondere in Großstädten haben die Fahrzeuge kein Problem mit der überschaubaren Reichweite und können am Abend auf dem eigenen Hof geladen werden. Für börsennotierte Dienstleister wie die Deutsche Post oder Amazon sind die E-Lieferwagenflotten hilfreich, um die grünen Vorgaben der Kapitalmärkte zu bedienen. Interessant ist die Technologie auch, weil der Wartungsaufwand geringer ist. Renault zufolge liegen die Kosten nach drei Jahren um 23 Prozent unter denen eines Verbrenners, nach sechs Jahren sogar 50 Prozent darunter. Dem stehen allerdings höhere Anschaffungskosten entgegen. Und die staatliche Förderung? Hat die Bundesregierung bereits im vergangenen September gekappt.

Für einen E-Ducato-Kastenwagen ruft Fiat Preise ab 55.400 Euro ohne Mehrwertsteuer auf. Die Preisliste für die Dieselmodelle beginnt bei knapp 37.000 Euro. Zudem grübelt manch ein potenzieller Kunde, ob die neue E-Technik in wenigen Jahren schon wieder überholt sein könnte und somit doch teuer ist. So hat etwa Fiat den Ducato gerade mit neuen Batterien und Antrieben aufgepeppt. Die Reichweite liegt nun bei 420 Kilometern. Die Vorversion mit deutlich schwächerem Motor musste schon nach 300 Kilometern an die Steckdose. Auch die Wettbewerber Ford, Opel, Mercedes oder Volkswagen bessern technisch immer wieder nach.

Paketriese als Autobauer

Die Aachener Nob Manufacturing steht stellvertretend für die allgemeine Verunsicherung auf dem Markt für E-Nutzfahrzeuge. Zeitweise gehörte der Hersteller des Lieferwagens Streetscooter sogar zur Post-Tochter DHL. Selbst bauen statt teuer zukaufen, war der Plan. Mehr als 20.000 dieser Fahrzeuge bringen inzwischen Briefe und Päckchen zu den deutschen Haushalten. Doch der Bonner Konzern wurde mit dem zugekauften Hersteller nicht glücklich und verscherbelte die ungeliebte Elektrotochter an die Luxemburger B-On. Tatsächlich hat die Produktion je Einheit einen Verlust von 2000 Euro verursacht. Das hat auch den neuen Investor überfordert. Im Herbst rutschte das Unternehmen, einst gegründet im Umfeld der Aachener Uni RWTH, in die Insolvenz. 

Als Retter versucht sich nun Günther Schuh, einst Firmengründer und Entwickler des Streetscooters. Als Grundstock für die Wiederbelebung dient ein Großauftrag ausgerechnet von DHL. Die Post hat 700 neue E-Paketvans geordert, die nun mit dem Namen E.volution auf die Straße kommen sollen. Neben der Fertigung neuer Fahrzeuge will der neue alte Eigner auch ein Grundsatzproblem der offenbar anfälligen Lieferwagen angehen: „Die Beanspruchung der Streetscooter ist höher als bei einem anderen leichten Nutzfahrzeug“, doziert der Professor. Zusammen mit der RWTH Aachen wurde ein Re-Assembly-Konzept entwickelt. Dabei sollen bestehende Fahrzeuge modernisiert und neu ausgerüstet werden. Bis 2026 will Schuh einen neuen Lieferwagen entwickeln und auf den Markt bringen. Die Rede ist von Investitionen in Höhe von 25 Millionen Euro. Bis das neue Fahrzeug serienreif ist, müssen allerdings noch genug Kunden für 3000 klassische Streetscooter gefunden werden.

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