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Personal > Fertility Benefits

Hilfe im wichtigsten Moment des Lebens

Weltweit bieten Firmen Beschäftigten Fertility Benefits. Der Trend ist im deutschen Mittelstand bisher wenig bekannt. Das ändert sich jetzt.

DIE GEBURTS­HELFERIN: Julia Neuen gründete 2022 Peaches Benefits, um die Anzahl der Frauen in Fach- und Führungspositionen zu steigern und Unternehmen familienfreundlicher zu machen. Bereits 2019 startete sie Storchgeflüster, inzwischen die größte Plattform für Onlinekurse bei Kinderwunsch und Schwangerschaft im deutschsprachigen Raum. Neuen hat Tierpsychologie studiert und arbeitete bei der Lufthansa als Stewardess. Sie ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Langwedel bei Bremen.© Julia Neuen

Das Gespräch führte Thorsten Giersch.

Sind Sie ein gutes Beispiel dafür, dass Vollblutunternehmerin und mehrfache Mutter zu sein, kein Widerspruch sein muss?

Mit zwei Start-ups kann ich mich wohl zum erlauchten Kreis der Female Entrepreneurs zählen. Ich habe 2019 mein erstes Unternehmen gelauncht: Storchgeflüster.de, ein B2C-Unternehmen, inzwischen Deutschlands größter Onlinekursanbieter für Kinderwunsch, Schwangerschaft und Geburt. Ich bin vierfache Mutter und habe vor einem Jahr mein zweites Unternehmen Peaches Benefits gegründet. Das ist ein B2B-Start-up für Fertility Benefits, damit Frauen das Thema Kind und Karriere besser vereinbaren können. Und damit Unternehmen attraktiver werden für Frauen.

Was hat es damit auf sich?

Damit man es schafft, Frauen über dieses gemeine Loch nach der Elternzeit zu heben, hat man in anderen Ländern schon längst Modelle gefunden – und die bringen wir jetzt nach Deutschland. Sie nennen sich Fertility oder auch Family Building Benefits. Wir haben sie auf den deutschen Markt gebracht und auf unsere gesellschaftlichen und ethischen Anforderungen angepasst.

Inwiefern?

Unternehmen bekommen eine White-Label-Lösung. Wir betreuen die Mitarbeiterinnen in vielen Phasen, die ganz wichtig sind für Frauen: Bei weiblichen Gesundheitsthemen, im Kinderwunsch, während der Schwangerschaft, bei der Geburt, während der Elternzeit, nach einer Fehlgeburt – und auch wenn es zurück in den Job geht. Zudem hat auch das Thema Menopause bei uns eine große Bedeutung, weil auch ältere Frauen eine ganz wichtige Zielgruppe für die Unternehmen sind.

Woher bekommen Sie die Expertise?

Das Angebot ist sehr vielseitig. Das heißt, wir haben praktisch alles von der Hebamme über den Paartherapeuten über den Reproduktionsmediziner bis zum Ernährungsberater – insgesamt über 40 Ärzte und Expertinnen aus allen möglichen Fachbereichen.

So mancher Arbeitgeber wird sagen, das ist Privatsache. Warum sollte er sich um diese Themen kümmern?

Ja, wir Deutschen glauben das. Aber mittlerweile haben Studien gezeigt, dass 86 Prozent der Frauen sich wünschen, dass ihr Arbeitgeber bei genau diesen Lebensmomenten Engagement zeigt. Im Ausland hat man wegen anderer Krankenkassensysteme und der anderen Voraussetzungen schon viel früher damit angefangen. Fertility Benefits haben dort dazu geführt, dass in den Unternehmen die Rekrutierungsquote steigt und dass die Frauen, die solch ein Angebot haben, in den Unternehmen geblieben sind und auch schneller wieder zurück aus der Schwangerschaft kommen. Zudem schaffen es diese Betriebe, auch mehr Frauen in Führungspositionen zu holen.

Für Unternehmen welcher Größe ist Ihr Angebot gedacht?

Gebucht werden wir von Betrieben ab 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sind keine Luxuslösung, das heißt, wir sind nicht nur für die Unternehmen, die über ganz hohe Budgets verfügen. Ich wollte gezielt eine Lösung auch für den Mittelstand schaffen, also für Unternehmen, die sich fragen: „Wie bekommen wir Frauen in Führungspositionen? Wir haben so große Schwierigkeiten, uns gegen die großen Player durchzusetzen.“

Gilt das Angebot für Frauen, die im Unternehmen arbeiten oder auch für die Frauen der dort beschäftigten Männer?

Das Angebot gilt für alle. Das heißt, wir haben auch Unternehmen dabei mit sehr hohen Männerquoten. Der Partneraccount entspricht so ein bisschen dem Motto „Happy wife, happy life“. Aber wir begleiten auch viele gleichgeschlechtliche Paare und Single-Frauen. Wir sorgen auch dafür, dass ein Unternehmen sagen kann: „Uns ist es wirklich von großer Bedeutung, dass unser Mitarbeitender oder unsere Mitarbeitende ein glückliches Familienleben führen kann. Und dass sie hier bei uns Karriere machen kann.“

Das Unternehmen soll also öffentlich darüber sprechen.

Natürlich geht es nicht nur darum, dass man seinen Mitarbeitenden ein tolles Angebot anbietet, sondern am Ende des Tages setzt man ein Statement. Nämlich dafür, dass man um die typischen Fallen weiß, wo Frauen abgehängt werden können und wo Frauen vielleicht wirklich Unterstützung benötigen. Und dass letztlich unsere Gesellschaft und der Staat das in der Form nicht bietet und viele auf sich allein gestellt sind. Das Engagement wirkt sich auf vielen Ebenen positiv auf, nicht nur aufs Image.

Wie handhaben Sie das Thema Datenschutz? Man redet mit einem vom Arbeitgeber finanzierten Dienstleister über sehr private Themen.

Datenschutz ist sehr wichtig! Wir achten darauf, dass die Personalabteilung des Unternehmens keinerlei Infos erhält, welche Mitarbeitenden die Benefit-Leistungen von Peaches nutzen. Die Personaler bekommen ein Dashboard von uns, damit sie sehen können, ob sich das Engagement lohnt, aber eben keine Namen.

Halten Sie Deutschland und die deutsche Unternehmenswelt für ein familienfreundliches Land?

Wenn ich die Frage ehrlich beantworten darf, dann würde ich sagen: Ich halte gewisse Unternehmen für familienfreundlich, aber nicht Deutschland als Ganzes. Ich weiß von vielen Frauen, dass sie ein schweres Leben führen und dass sie jeden Tag gucken, irgendwie alles unter einen Hut zu bekommen. Und ich wünsche mir, dass es Unternehmen schaffen, Stück für Stück flexibler zu werden. Deshalb beraten wir auch Firmen, die wenig Budget haben und die vielleicht mit kleinen Schritten mit Peaches anfangen wollen.

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