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Führung: Königsdisziplin in stürmischen Zeiten

Nicht nur die Recherche in der Management Literatur katapultiert Ratgeber und Best Practise Berichte über Leadership an die Spitze der Bestseller Listen. Auch im Internet ernten Beiträge über Führung regelmäßig höchste Klick Raten, Likes und Kommentare. Woran liegt das?

Leider bedarf es oft extremer Katastrophen, damit neues Denken entsteht. Spätestens seit Corona wächst in Unternehmen des Mittelstands das Bewusstsein, dass alte Patentrezepte zum Thema Führung nicht mehr greifen. Insbesondere die jüngere Management-Generation hat erkannt, dass Befehlskultur ("Wo ich bin, ist oben!"), hierarchisches Denken, Ignoranz, Heldentum und Angstblockaden die Reaktion auf existenzbedrohliche Ereignisse dramatisch verzögern. Nicht nur das: sie rächen sich bitter gerade in schwierigen Markt- und Unternehmenskrisen.

Was mag der Grund sein für die hohe Nachfrage nach Orientierungshilfe im Bereich Leadership? Der Ruf nach guter Führung wird immer dann besonders laut, wenn "raue See" herrscht, die Zeiten unsicher sind, Krisen drohen, rasanter Wandel, wachsende Komplexität von Aufgaben und Verantwortlichkeiten die Menschen verunsichern.

In Zukunft muss Leadership anderen Maßstäben gerecht werden als früher. Kürzere Reaktionszeiten sind gefragt. Schwerfälligkeit bestraft der Markt. Die moderne Führungskraft ist "Lotse", kontrolliert nicht, sondern versteht sich als Dienstleister für die zu Führenden. Sie gibt Orientierung, hält ihren Leuten den Rücken frei und sorgt dafür, dass sie ihre Arbeit gut machen können – und dass sie jederzeit wissen, was zu tun ist. Das "Was" des Ziels wird klar kommuniziert. Die Mitarbeiter selbst entscheiden über das "Wie" der Zielerreichung.

Nicht Machtspiele, der Ruf nach dem "Kanzler-Machtwort", enge Vorgaben stimulieren die dringend benötigte Kreativität und Veränderungsbereitschaft der Menschen, sondern die Aufforderung, "out-of-the-box" zu denken, Verantwortung zu tragen. Erfahrungstransfer wird gefördert. Fehler bedeuten nicht das Aus, sondern werden als Chance begriffen. So erleben die Mitarbeiter: Experimentieren macht nicht nur Spaß, sondern wird positiv bewertet und nicht durch Bürokratie und Hierarchiedenken blockiert. Diesen Prozess zu managen ist die wichtigste Führungsaufgabe der Zukunft.

Um dies zu erreichen, gilt es zunächst, Ängste, Vorbehalte und Vorurteile abzubauen und Grenzen zu überwinden. Hier sind klare Kommunikation, Empathie und Führen durch Vorbild gefragt. Doch woher soll das Wissen über gute Führung kommen? Leadership wird in keinem Studium gelehrt (mit Ausnahme des Militärs). Leadership ist kein Ausbildungsberuf. Leider. Grundlagen der Führung erlebt man – wenn man Glück hat – im Elternhaus: Vertrauen, Kommunikation, Respekt, Wertschätzung, Anerkennung, Kritikfähigkeit, Verantwortung für andere zu übernehmen etc. Wer später im Beruf einen Ausbilder oder Chef hat, der einen fairen, fordernden und fördernden Führungsstil an den Tag legt, wird von diesem Vorbild profitieren. Wer Pech hat, erlebt einen Mistkerl als Vorgesetzten, der die eigene Unfähigkeit und Menschenverachtung an seinen "Untergebenen" abarbeitet. Das Ergebnis: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

Paradigmenwechsel mit Fokus auf Leadership

Wie können sich Unternehmen auf diese neue Führungswelt einstellen? Ihr Ansporn sollte sein, einen neuen "Code of Conduct" (Wie gehen wir miteinander um) zu erarbeiten und ihre Personal- und Fachabteilungen dafür zu sensibilisieren. Künftig wird bei der Suche nach Führungskräften nicht allein auf fachliche Kompetenzen, Qualifikation, Erfahrung, Diplome etc. geachtet, sondern mit innovativen Auswahlverfahren Soft Skills wie Führungskompetenz und Integrität in den Fokus der Evaluation gestellt. Parallel werden die bereits vorhandenen Führungskräfte durch Trainings und Coachings (begleitet durch ein systematisches Monitoring) auf das neue Führungsverständnis vorbereitet.

Zugegeben: es kann zur Herkulesaufgabe werden, Unternehmen davon zu überzeugen, dass nicht allein hohe Fachkompetenz eine moderne Führungskraft ausmacht, sondern vielmehr echtes Leadership die Königsdisziplin erfolgreicher Betriebe sein wird. Manche Stimmen reklamieren vielleicht, dass Buchhalter schließlich rechnen, Ingenieure konstruieren können und Hotelmanager etwas von gastorientierter Betriebsführung verstehen müssen. Doch halten wir uns vor Augen: Angesichts der globalen Konkurrenz und der Herausforderungen für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, kann sich der Standort Deutschland schwache Führung nicht mehr leisten.

Albrecht von Bonin ist Gründer und Gesellschafter der VON BONIN + PARTNER Personalberatung sowie der avb Management Consulting, Gelnhausen. 1978 gründete er die Consultingunternehmen mit dem Schwerpunkt Suche und Auswahl von Spitzenkräften, Interim Management, Management Coaching. Albrecht von Bonin ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen - unter anderem des Buches "Mitarbeiter suchen, finden, fördern, binden" – mit Themen wie Führung, Karriere und Personal Management. Er berät vor allem Mittelstandsunternehmen der Industrie sowie Hotellerie, Touristik und deren Zulieferbranchen.

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