Wechsel in stürmischen Zeiten
Barbara Resch übernimmt die Führung der IG Metall Baden-Württemberg - und damit den wohl wichtigsten IG-Metall-Bezirk in Deutschland. Warum und welche Herausforderungen auf sie warten.
„Wir werden keinen Konflikt scheuen.“ Barbara Resch stellt mit fränkisch rollendem „R“ vom ersten Tag an klar, dass sie kämpferisch die IG Metall Baden-Württemberg führen will. Sie weiß, dass die Erwartungen groß sind. Resch ist die Nachfolgerin von Gewerkschaftsführern wie Willy Bleicher, Klaus Steinkühler, Bertold Huber, Jörg Hofmann und – ganz direkt – Roman Zitzelsberger. Bisher also waren es also alles Männer an der Spitze der IG Metall. Und bis vor wenigen Jahren keiner wollte kaum jemand glauben, dass in Frankfurt mit Christiane Benner und nun in Stuttgart mit Barbara Resch zwei Frauen die mächtige Gewerkschaft entscheidend prägen werden.
Der Wechsel an den wichtigsten Schaltstellen geht mit hohen Erwartungen einher. Denn die Zeiten sind in vielen Betrieben mehr als ungemütlich. Über die derzeitige Konjunkturflaute hinaus, geht es bei vielen mittelständischen Zulieferern schlicht um die Existenzfrage. Selbst große Konzerne wie ZF, Bosch oder Mahle planen massiven Stellenabbau. Immer mehr Unternehmen denken laut darüber nach, ihre Fertigung und sogar Teile der Entwicklung ins Ausland zu verlagern. Es geht also ums Grundsätzliche für tausende von Arbeitsplätzen. Die beiden Chef-Metallerinnen starten also unter sehr hohem Druck. Die Neue in Stuttgart mahnt Politik und Unternehmen, mehr für den Standort Baden-Württemberg zu tun. Sie fordert von ihnen mehr Investitionen und Fördermittel. Wie das aber konkret gehen soll, lässt Resch offen. Tatsächlich hat Berlin erst zum Jahreswechsel die Förderung der E-Mobilität einkassiert und so die Krise in der Autoindustrie noch zusätzlich befeuert.
Die 48-jährige übernimmt den wohl wichtigsten IG-Metall-Bezirk in ganz Deutschland. Hier wurden mit Abstand die meisten Pilotabschlüsse für die Metaller ausgehandelt. Hier sind unter anderem der Entgeltrahmenvertrag „ERA“ und die Abweichung vom Flächentarifvertrag für kriselnde Betriebe entstanden. „Das ist unser Kerngeschäft“, betont Resch. Damit kennt sie sich aus, denn bisher war sie in der Zentrale in Stuttgart-Feuerbach für die Tarifpolitik zuständig und saß im November 2022 mit am Verhandlungstisch. Bis kurz vor Schluss standen seinerzeit in Ludwigsburg die Verhandlungen Spitz auf Knopf. Es sei die schwierigste Runde seit Jahrzehnten gewesen, gestehen beide Seiten noch heute.
Die gelernte Kommunikationselektronikerin hat ihre gewerkschaftlichen Sporen in Schweinfurt verdient. Dort beschäftigen große Standorte von ZF, Scheffler, SKF und Bosch-Rexroth tausende von Mitarbeiter. Seit Jahrzehnten stemmen die sich dort immer wieder gegen Stellenstreichungen und Sparmaßnahmen. Entsprechend wird auch erwartet, dass die Gewerkschafter mit dem Messer zwischen den Zähnen für die Mitglieder eintreten. Das prägt. Aus dieser Zeit kommen ihre Posten in den Aufsichtsräten von Scheffler und Rheinmetall.
Seit 2018 arbeitet die Tarifspezialistin für die IG Metall Baden-Württemberg. Die im Südwesten so wichtige Autoindustrie kennt Barbara Resch gut. Bei Bosch war sie bis jetzt für die bundesweite Tarifkoordination zuständig und Verhandlungsführerin bei Themen wie dem Zukunftstarifvertrag. Sie ist zudem als Vertreterin der Arbeitnehmer beim Dettinger Zulieferer Elring-Klinger im Aufsichtsrat. Dort führt Arbeitgeberpräsident Stefan Wolf die Geschäfte. Somit kennt man sich nicht nur aus den Tarifrunden. Die Arbeitgeberseite bescheinigt Resch viel Sachverstand und tiefes Verständnis für die teils kniffligen Tarifdetails. Hinter vorgehaltener Hand attestieren ihr die Unternehmer allerdings auch eine gewisse Unbeweglichkeit, wenn es darum geht, Kompromisse zu finden.
Da schwingt auch Anerkennung für den Vorgänger Zitzelsberger mit. Der 57-jährige Badener hat es in den vergangenen zehn Jahren es verstanden hat, selbst bei härtesten Auseinandersetzungen immer noch geschmeidig Lösungen zu finden. Ihm wird viel Verständnis für die Autoindustrie nachgesagt. Bei Mercedes, Daimler Truck und ZF sitzt er im Aufsichtsrat. Diese Posten soll Resch im Herbst übernehmen. Zitzelsberger wurde lange sogar als künftiger IG Metall-Chef gehandelt. Das Rennen machte Christiane Benner, was dem Badener aber wohl ganz recht ist. Er zieht sich jetzt sogar ganz aus dem anstrengenden Gewerkschaftsalltag zurück. Der hat bei ihm im Laufe der Zeit auch gesundheitlich einige Spuren hinterlassen. Zitzelsberger hinterlässt also durchaus große Spuren.
„Ich habe mir vorgenommen, meine eigenen Fußstapfen zu treten", gib sich die Neue selbstbewusst. Einige Dinge wolle sie anders machen als der Vorgänger. Basisarbeit sei ihr wichtig der Austausch mit den Mitgliedern und Vertretern vor Ort. An der Basis wird sie auch ausloten müssen, ob Ihr Kurs für die Tarifverhandlungen im kommenden Herbst auch mitgetragen wird. Schwerpunkt soll mehr Entgelt sein. Aber auch die Sicherung der Arbeitsplätze in Baden-Württemberg steht ganz oben. Mitte Juni soll feststehen, mit welcher Forderung die IG Metall in die neue Tarifrunde gehen will.
Zwar steht Erhalt der Arbeitsplätze ganz oben auf Reschs Aufgabenzettel. Dennoch hat sie zum heutigen Amtsantritt angekündigt, dass Lohnerhöhungen die Tarifrunde 2024 prägen sollen. Stärkung des Standorts Baden-Württemberg sieht anders aus. Dieser eigenartige Kurs hat Gründe. Wie im Arbeitgeberlager haben auch bei der IG Metall im Südwesten die Vertreter der großen Konzerne aus Automobil- und Maschinenbau viel Einfluss. Beim Tarifkonflikt 2022 standen auf Unternehmerseite vor allem die Interessen der Mittelständler im Vordergrund und ihre Vertreter saßen zuletzt am Tisch der IG Metall gegenüber. In dieser Konstellation ließe sich vermutlich leichter über Standortsicherung verhandeln. Allerdings auf Kosten von größeren Lohnsprüngen. Doch das schmeckt den Metallern bei Mercedes, Audi oder Porsche nicht. Sie erwarten mit Blick auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten und die üppigen Gewinne einen merklichen Nachschlag. Den Konzernzentralen werden einzelne Standorte lediglich nach Ertragskraft beurteilt.
Die hohen Erwartungen nach mehr Geld kann Resch nicht ignorieren. Sie hat nämlich den Mitgliederschwund im Blick. Denn auch die IG Metall spürt die demografische Entwicklung. Zudem verzichten viele Zeitarbeiter auf eine Mitgliedschaft. Doch zahlende Anhänger sind die Währung, aus der die Macht der Gewerkschaften gemacht ist. Rech muss also liefern, will sie nicht noch mehr Austritte provozieren. Dem gegenüber fordert vor allem die mittelständische Arbeitgeberseite mehr Flexibilität und Verzicht. Sonst drohen sie mit Austritt aus dem Tarifverbund. Da bahnt sich eine gewaltige Zerrreißprobe in der Metall- und Elektroindustrie an.
Resch wird sich über den eigenen Reihen hinaus auch gegenüber den anderen Bezirken behaupten müssen, soll wieder der Südwesten den Pilotabschluss aushandeln. Das ist nicht ausgemacht. So ist der bisherige Chef Roman Zitzelsberger mit einem Rentenmodell beim Gewerkschaftstag krachend gescheitert, das er mit Südwestmetall über Monate ausgehandelt hat. Diese Ablehnung hat die Position der IG Metall im Land deutlich geschwächt. Schlechte Vorzeichen für die bevorstehende Suche nach Lösungen, wie der tiefgreifende Wandel in der Schlüsselbranche gelingen soll. Doch der Verantwortung für diese gesellschaftliche Aufgabe können sich weder Gewerkschaft noch Arbeitgeber entziehen.