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Technologie > Mitarbeitermangel

Die Serviceroboter als Rettung

In Laboren und Restaurants fehlen Mitarbeiter. Ein neues Geschäftsfeld für automatische Helfer, wie United Robotics Group sie baut.

Abheben: Thomas Hähn startete mit einem Laderoboter. Inzwischen leitet er zwei Unternehmen.Bildquelle: © HAHN Automation

Er ist oft auf Messen im Einsatz, in Talkrunden, bei Firmenevents. Manchmal auch in Foyers. Er hat endlos Geduld und ermüdet nicht, auch wenn er beim Ausschalten langsam in sich zusammensinkt: Pepper, ganz in Weiß mit großen Augen, zieht die Blicke auf sich – seit Jahren schon. Seit Neustem nutzt der Roboter ChatGPT, um Fragen zu beantworten. Und bei jedem Auftritt ist er auch ein Aushängeschild für die United Robotics Group.

Pepper ist so etwas wie der Star im Angebot der Bochumer. Er ist dem Menschen nachempfunden, die anderen Produkte eher nicht – bis auf die großen Augen, die den Nutzer vom Display aus ansehen und das Gerät sofort freundlich wirken lassen. Dabei haben sie das Zeug, ein großes Problem vieler Unternehmen zumindest in Teilen zu lösen: Personalmangel. „Ich höre aus allen Ecken, dass es Bedarf gibt, weil Arbeitskräfte fehlen“, sagt Gründer und Chef Thomas Hähn. Dass jetzt Roboter überall übernehmen, denkt er nicht. Denn: „Wir glauben nicht, dass Roboter Arbeitskraft komplett ersetzen können. Sie können aber unterstützen.“

In der Gastronomie zum Beispiel. Roboter Plato erinnert von vorne an eine Birne mit Augen und Abstellfläche. Er fährt auf Rollen. „Er soll den Servicekräften lange Wege abnehmen“, sagt Hähn. Plato bringt zum Beispiel die angerichteten Teller von der Küche zum Tisch. „Die Servicekraft kann sich dann intensiver um die Gäste kümmern“, erklärt Hähn. Der neue Mitarbeiter schafft 16 Stunden am Tag, bevor er aufladen muss. Und er kann sehr viele Kilometer bewältigen.

Auch in Krankenhäusern sieht der Firmenchef großen Bedarf. „Wir bieten auch einen Roboter an, der im Blutlabor in der Nachtschicht arbeitet und zum Beispiel die Proben öffnet und in die Analysegeräte platziert.“ So könnten kleine Krankenhäuser die Arbeit auch mit weniger Personal aufrechterhalten.

Die Bochumer sind auf dem Papier zwar erst wenige Jahre alt, doch ihre Geschichte beginnt schon vor gut 31 Jahren, als Hähn einen Beladeroboter erfindet und ein Unternehmen gründet. „Klassisches Garagen-Start-up“, sagt er heute. Die Hahn Automation Group – ohne den international etwas schwierigen Umlaut – spezialisiert sich auf Industrieautomation. Vor sechs Jahren dann sieht Hähn auf der Fachmesse Automatica den Cobot Sawyer, einen klassischen Roboterarm, der Menschen bei er Arbeit helfen soll (collaborative Roboter), allerdings ergänzt mit einem Bildschirm, auf dem Augen zu sehen sind.

„Wir müssen vorsichtig sein“

Hähn und sein Team sind begeistert, starten einen Roboterverleih. Weil Anfragen aus Kranken­häusern, Blutlaboren und der Pharmaindus­trie kommen, sieht Hähn ein neues Geschäftsfeld und gründet 2020 die United Robotics Group als Schwesterfirma seiner Hahn Automation Group. Denn offenbar gibt es einen Bedarf an Servicerobotern nicht nur in China, Japan und Südkorea, die traditionell offener sind für derartige Geräte. Das neue Unternehmen kauft erst einmal zahlreiche Hersteller in Europa, überwiegend Start-ups, unter anderem Aldebaran, die Pepper 2014 entwickelt haben. Und jetzt also Plato und der Laborroboter.

Das Komplizierteste am Roboter? Hähn muss nicht lange nachdenken: „Sie rufen erst einmal Angst hervor. Denken Sie an die Filme, in denen Roboter helfen, die Weltherrschaft zu übernehmen. Da müssen wir vorsichtig sein.“ Es sei gut, die Technik zu beherrschen und zu nutzen, aber sie solle eben auch aussehen wie Technik, sonst fehle die Akzeptanz. Deshalb also klassische Roboterelemente, aber mit Display und Augen. Der Effekt bei Plato: Der Roboter wirkt freundlich – ein Hauch von Disney-Trickfilm. Die United Robotics Group wählt da einen deutlich anderen Weg als Tesla, dessen Roboter den Menschen kopiert. „Niemand will im Krankenhaus einen Industrieroboter, aber auch ein humanoider Roboter ist unerwünscht. Unsere Roboter liegen irgendwo dazwischen. Sie sind immer noch Maschinen, beschützen aber diejenigen, die damit arbeiten.“

Ist die Welt bereit für solche Roboter? Hähn sagt: „Noch nicht ganz.“ Nicht jedes Restaurant ist zum Beispiel so gebaut, dass Plato seinen Weg findet. Und die Menschen brauchten Zeit, sich an solche Roboter zu gewöhnen. Letzteres werde schnell gehen: „Der Druck wird sehr stark, weil es keine Alternative gibt. Das Personal ist knapp.“ Deshalb rechnet sich Hähn gute Geschäfte aus. Schon jetzt setzt das Unternehmen 50 Millionen Euro um und wächst stark, wie der Chef sagt. Und er ist zuversichtlich, bald auch schwarze Zahlen zu schreiben. „Wir bauen einen neuen Markt auf, müssen neue Produkte entwickeln.“ Und das kostet eben. 

Die Konkurrenz kommt eher aus Asien, vor allem aus China. Hier wird Hähn politisch: Das Land habe eine Robotikstrategie, fördere gezielt. „Eine solche Strategie brauchen wir auch in Europa“, ist sich Hähn sicher. „2030 werden allein 400.000 Pflegekräfte fehlen. Und das ist nur ein kleiner Teil der Wirtschaftsstruktur. Auch in anderen Bereichen wird es dramatisch werden.“ Sollten Roboter die Lösung sein, hat Hähns Unternehmensgruppe eine hervorragende Ausgangsposition.

Hinter der United Robotics Group steht die RAG Stiftung in Essen, auch Softbank Robotics aus Tokio ist beteiligt. Pepper gehörte einmal den Japanern, die den Roboter nach ersten Erfolgen dann doch wegen geringer Nachfrage in Rente schicken wollten – bis die United Robotics Group zugriff. Verkauft wird in Europa und Nordamerika, gefertigt in Europa. Plato etwa entsteht in der Normandie. 63 Prozent der Teile kommen aus Europa, sagt Hähn. „Das hört sich wenig an, aber vor der Corona-Pandemie waren es branchenübergreifend nur zehn bis 15 Prozent.“

Pepper ist der Idealfall eines helfenden Roboters – die United Robotics Group setzt ihn vor allem für Werbung und Lernen ein. Kunden können ihn für die Ausbildung nutzen oder als eine Art Vorturner, um Menschen dazu zu bringen, dass sie sich bewegen. Rund 16.000 Euro kostet der Roboter, er lässt sich aber auch tageweise leihen. Für Plato verlangt die United Robotics Group 699 Euro im Monat. „Einen solchen Roboter einzusetzen, ist nicht unbedingt günstiger als einen Menschen zu beschäftigen“, erklärt Hähn. „Aber alle Bereiche in der Wirtschaft stehen unter dem Druck, die Arbeit überhaupt verrichten zu können. Wenn kein Personal da ist, hilft eben ein Roboter.

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