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Finanzierung > Mercator-Stiftung

Wie Klimaschützer am Metro-Geld hängen

Die Mercator-Stiftung unterstützt die Vordenker der Energiewende. Dahinter steht eine Ruhrdynastie, die den Handelskonzern gründete.

Die Welt im Blick: Der Kartograf und Theologe Gerhard Mercator lebte im 16. Jahrhundert. Nach ihm ist die Stiftung der Metrogründer benannt.Bildquelle: © picture-alliance / Leemage | Costa

Der Name ist Programm: Michael Schmidt könnte jeder heißen. „Unauffällig“ ist die Beschreibung, die jenen, die ihn kennen, zu dem freundlichen Herrn einfällt, der mittlerweile zurückgezogen in einer der feineren Gegenden von München wohnt. Und doch ist Schmidt, letzter Erbe einer Ruhrdynastie, einer der einflussreichsten Deutschen. Der Mann, der es in der Forbes-Weltliga der Superreichen auf einen soliden Mittelplatz gebracht hat, ist über ein verschachteltes Schweizer Stiftungskonstrukt Geldgeber der Essener Mercator-Stiftung. Und die wiederum ist mit ihrem Engagement einer der treibenden Organisationen hinter denen, die in Deutschland den Klimawandel aufhalten wollen.

Sie ist es, die die Agora Energiewende gegründet und lange finanziert hat, aus deren Reihen der inzwischen entlassene Staatssekretär Patrick Graichen im Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) stammt. Er hatte versucht, das, was Agora als Denk- und Handlungsmodell empfiehlt, in Politik umzusetzen. Das bis auf weiteres verschobene Heizungsgesetz war auch sein Werk. Die Mercator-Stiftung ist es auch, die die deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit, die Menschen vor Hitzewellen schützen will, mit 2,7 Millionen Euro unterstützt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) findet großen Gefallen an dem Projekt.

Weil die Idee der „Agora“ so erfolgreich ist, gibt es inzwischen eine ganze Familie davon; die Agora Verkehrswende, Agora Industrie oder Agora Agrar. In jedem Fall gehe es darum, erklärt Simon Müller, Deutschland-Chef von Agora Energiewende, „politisch umsetzbare Konzepte zu entwickeln und in den Diskurs einzubringen.“ Auch Müller ist ein Mercator-Stipendiat.

Herr Schmidt schweigt

All das ist möglich, weil es der unauffällige Herr Schmidt, der oft mit einem Notizbüchlein anzutreffen ist, in dem er seine Gedanken festhält, so eingerichtet hat. Gesprächsanfragen von Journalisten lässt der stille Millionär unbeantwortet. Ob das engmaschige Netz von Klimaschützern sein Werk ist, ob er es stillschweigend begrüßt oder nur duldet oder ob es sich gar verselbstständigt hat – das bleibt Schmidts Geheimnis.

Schmidt hat noch einen zweiten Nachnamen, den er aber nicht mehr führt: Ruthenbeck. Die Familie Schmidt-Ruthenbeck gründete die heutige Metro AG. Die Brüder Michael und Rainer Schmidt-Ruthenbeck besitzen derzeit rund 13 Prozent der Firmenanteile. Vor einem Familienzwist gehörten sie zu den 50 reichsten Deutschen mit rund 3,2 Milliarden Euro. Nach dem Verkauf von fünf Prozent ihrer Anteile sollte der Erlös von rund 750 Millionen Euro in der 1996 gegründeten Stiftung aufgehen. Um die Sache steuerlich zu optimieren, fließt das Geld nicht direkt, sondern über die in der Schweiz beheimateten Meridian- und Cambiata-Stiftungen nach Essen zu Mercator.

Der Umwelt- und Klimaschutz ist nur eines von vier Stiftungszielen, die regelmäßig angepasst werden. Der Klimaschutz erlebte vor rund zehn Jahren bei Mercator seine erste Blüte, was mit Bernhard Lorenz zusammenhing, damals Stiftungschef. Mehr als 40 Millionen Euro hat Mercator seither allein in die Agora-Familie gesteckt. Lorentz formulierte sein Ziel kurz nach seinem Antritt bei Mercator so: „Wir wollen mit einer Mischung aus Projekten und Interessenvertretung den politischen Diskurs ändern.“

Lorentz ist wie Graichen eine Art Libero, der mal in Wirtschaft, mal in Politik und mal eben als Stiftungschef in der Gesellschaft eine aktive Rolle spielt. 2014 kommt er ins Außenministerium. Als „Sonderberater für Stiftungen und Zivilgesellschaft“ unter Frank-Walter Steinmeier (SPD). 2015 zieht es ihn zu den Wirtschaftsprüfern und Beratern von Ernst & Young, die in Deutschland wegen ihrer Testate für den Finanzkonzern Wirecard ein Problem haben. Inzwischen leitet er bei der Konkurrenz von Deloitte als „Managing Partner Climate Strategy“ das vielversprechende globale Geschäft rund um die industrielle Transformation. Er ist auch Vorsitzender des Beirats der Stiftung Klimaneutralität. Dort sitzt neben ihm mit dem US-Klimalobbyisten Hal Harvey ein weiterer Mitgründer und Finanzier der Agora Energiewende.

Dass diese umfangreiche Verquickung von Klimaschützern und Politik Schmidts Werk ist, würde er nicht unterschreiben. Tatsächlich verfügt sein Stiftungskonstrukt über Richtlinien, die die wirtschaftlichen Aktivitäten der Stifterfamilie klar von den Stiftungen trennen. Die Stiftungszwecke liegen ausschließlich im zivilgesellschaftlichen Spektrum. Damit heben sich Schmidts Stiftungen von einer Vielzahl von Unternehmensstiftungen ab, deren Stiftungszwecke nahe an den unternehmerischen Aktivitäten angesiedelt sind. So ist es beispielsweise das erklärte Ziel der Bayer-Stiftungen „die Mission des Unternehmens“ zu unterstützen.

Hinzu kommt, dass eine Kontrolle der Mercator-Stiftung durch Mitglieder der Stifterfamilie statutarisch ausgeschlossen ist. Dies wird in vielen Familienstiftungen anders praktiziert. So sind etwa bei der Bertelsmann-Stiftung Witwe und Tochter des Stifters Mitglieder des Vorstands. Schmidt genießt allerdings ein dauerhaftes Gastrecht, wenn die obersten Mercator-Gremien tagen. Bei wichtigen Entscheidungen lässt er sich regelmäßig dazuschalten. Wolfgang Rohe, amtierender Stiftungsgeschäftsführer, sagt: „Ich habe Michael Schmidt nie als einen Stifter erlebt, der nach dem Motto handelt: ,Mein Wille geschehe.‘ Den Satz: ,Ich bin der Stifter‘ habe ich als Argument nicht von ihm gehört.“

Rohe sieht die Mercator-Stiftung auch nicht als Treiber der klimapolitischen Wende, sondern allenfalls als Unterstützer. Er gibt aber zu, dass das Thema nach außen inzwischen eine „starke Resonanz“ erzeugt. Er legt Wert auf den Satz: „Wir können nur Vorschläge machen, die Politik entscheidet.“ Von Agora-Chef Müller gibt es eine ähnliche Aussage: „Die Entscheidung, was wie politisch umgesetzt wird, liegt beim Gesetzgeber.“ Dass das Hand-in-Hand von Stiftung und Politik allerdings bislang höchst erfolgreich funktioniert hat, bestreitet auch bei Mercator und den Agora-Töchtern niemand. Es ist ja auch gewollt.

Und Michael Schmidt? Der promovierte Jurist lebt weiter zurückgezogen in München, besucht gern ein vegetarisches Restaurant um die Ecke und meidet Lokalitäten, wo sich die Münchener Schickeria trifft. Niemand käme auf die Idee, dass ohne diesen freundlichen 80-jährigen Herrn ein entscheidendes Stück der deutschen Klimaschützer­szene fehlte.

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