Deutschlands Energieverbrauch fällt auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren
Nach der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke wird viel über Stromproduktion gesprochen, aber nur selten auf den Verbrauch geschaut. Neue Daten zeigen Erstaunliches über den Energieverbrauch.
Der Energieverbrauch in Deutschland erreichte 2022 eine Höhe von 11.769 Petajoule (PJ) beziehungsweise 401,6 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten. Das entspricht einem Rückgang um 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Energieverbrauch fiel damit auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung, meldet die AG Energiebilanzen in ihrem jetzt erschienenen Jahresbericht. Der Stopp russischer Gasimporte, der Anstieg der Energiepreise, Maßnahmen zur Bekämpfung einer drohenden Energiekrise und Gasmangellage hatten einschneidende Auswirkungen auf die Versorgung und den Verbrauch von Energieträgern in Deutschland.
Erheblichen Einfluss auf den Rückgang des Primärenergieverbrauchs hatte aber auch die gegenüber 2021 mildere Witterung. Ohne den verbrauchsmindernden Temperatureinfluss wäre der Energieverbrauch gegenüber dem Vorjahr lediglich um 4 Prozent gesunken. Abgesehen von den Monaten September und Dezember war es 2022 durchgängig wärmer als im Vorjahr. Auch im Vergleich zum langjährigen Mittel (1990-2021) war es deutlich wärmer. Lediglich im Mai und im September lagen die Außentemperaturen unter dem langjährigen Durchschnittswert. Die milden Temperaturen trugen wesentlich dazu bei, dass eine kritische Zuspitzung auf dem Energiemarkt vermieden werden konnte.
Zu den verbrauchssteigernden Faktoren zählten 2022 die wirtschaftliche Entwicklung sowie das Bevölkerungswachstum. Die gesamtwirtschaftliche Leistung erhöhte sich um 1,9 Prozent. Die konjunkturelle Abschwächung fiel damit spürbar geringer aus als erwartet und es kam gegenüber dem Vorjahr zu einem Verbrauchszuwachs in der Größenordnung von 135 PJ. Eine Zunahme des Energieverbrauchs um rund 94 PJ resultiert aus dem Anstieg der Bevölkerung um rund eine Million Menschen.
Nach Einschätzung der AG Energiebilanzen sorgte die Preisentwicklung auf den Energiemärkten im vergangenen Jahr für eine spürbare Verbrauchsminderung. Die Einfuhrpreise für Rohöl, Erdgas und Steinkohle stiegen im Jahresdurchschnitt um 58 bis 179 Prozent. Bei den Verbraucherpreisen ergaben sich Steigerungen von 87 Prozent beim Heizöl, 65 Prozent beim Erdgas und mehr als 20 Prozent bei elektrischem Strom.
Energieproduktivität hat sich verbessert
Die gesamtwirtschaftliche Energieproduktivität hat sich 2022 nach Berechnungen der AG Energiebilanzen um etwa 7,7 Prozent verbessert. Dieser Wert liegt signifikant über dem Niveau des langjährigen Mittels des Zeitraumes von 1990 bis 2022 in Höhe von rund 2,3 Prozent pro Jahr. Nach Ansicht der AG Energiebilanzen hat vor allem der drastische Anstieg der Energiepreise bei vielen Verbrauchern für zusätzliche Energieeinsparungen sowie Substitutionen gesorgt. Aber auch Wachstumseinbußen in der gewerblichen Wirtschaft, vor allem in energieintensiven Branchen, hatten Einfluss auf die Entwicklung der Energieeffizienz.
Leichter Rückgang der energiebedingten CO₂-Emissionen
Die AG Energiebilanzen geht auf Grundlage vorläufiger Energiebilanzdaten davon aus, dass sich die energiebedingten CO₂-Emissionen im vergangenen Jahr in einer Größenordnung von rund 1,3 Prozent verringert haben. Das entspräche einer Abnahme um rund 8,2 Millionen Tonnen.
Im Bereich der Strom- und Wärmeerzeugung sind die CO₂-Emissionen vermutlich um rund 4,8 Prozent oder 9 Mio. t gestiegen. Rückgänge bei der Stromerzeugung aus Kernkraft und Erdgas wurden durch einen erhöhten Einsatz von Stein- und Braunkohle ausgeglichen, was zu einem Anstieg der CO₂-Intensiviät in diesem Sektor führte. Die erhöhte Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen konnte diesen Effekt nicht ausgleichen. Im Verkehrssektor sorgte der gestiegene Kraftstoffverbrauch ebenfalls für einen Anstieg der CO₂-Emissionen. Hier betrug der Zuwachs 7,7 Prozent beziehungsweise mehr als 11 Mio. t. Im verarbeitenden Gewerbe kam es dagegen zu einer Verringerung der Emissionen um etwa 10 Mio. t. Die CO₂-Emissionen der privaten Haushalte verringerten sich, vornehmlich aufgrund des Temperatureffekts und der Einsparbemühungen der Verbraucher, um rund 4,5 Mio. t. Das entspricht einer Minderung um 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Energiekrise abgewendet
Der Verbrauch von Mineralöl erhöhte sich 2022 insgesamt um 2,9 Prozent auf 4.156 PJ. Der Anteil des Mineralöls am gesamten Primärenergieverbrauch stieg auf 35,3 Prozent (Vorjahr 32,5 Prozent). Der Verbrauch von Ottokraftstoff stieg um 3,8 Prozent, beim Dieselkraftstoff gab es nur einen leichten Zuwachs um 0,5 Prozent. Der Absatz von leichtem Heizöl erhöhte sich um mehr als 9 Prozent, da viele Verbraucher trotz der Preisentwicklung ihre Lagerbestände aufgestockt haben. Der Absatz von Flugkraftstoff stieg erneut kräftig um fast 44 Prozent. Die Lieferungen von Rohbenzin an die chemische Industrie verminderten sich hingegen um rund 4 Prozent.
Der Erdgasverbrauch nahm 2022 um 15,7 Prozent auf 2.783 PJ ab. Der Anteil des Erdgases am gesamten Primärenergieverbrauch sank auf 23,6 Prozent (Vorjahr: 26,6 Prozent). Damit wurde dem europäischen Ziel, den Erdgasverbrauch um 15 Prozent zu senken, um den Importstopp für russisches Erdgas zu kompensieren, von deutscher Seite voll entsprochen. Die Erdgasnachfrage der Industrie verringerte sich um 17,3 Prozent. Bei den privaten Haushalte sank der Verbrauch um 13,5 Prozent. Die Kraft- und Heizkraftwerke verminderten ihren Erdgaseinsatz um 16,7 Prozent, bei der Bereitstellung von Wärme kam es zu einem Minus von 17,3 Prozent.
Der Verbrauch an Steinkohle stieg 2022 um 4 Prozent und erreichte eine Höhe 1.156 PJ. Der Einsatz von Steinkohle in Kraftwerken, der etwa die Hälfte des Gesamtverbrauchs ausmacht, erhöhte sich um mehr als 16 Prozent. Der Einsatz von Steinkohle in der Eisen- und Stahlindustrie war dagegen leicht rückläufig und verminderte sich um 2,2 Prozent. Der Anteil der Steinkohle am gesamten Primärenergieverbrauch erhöhte sich von 8,9 auf 9,8 Prozent. Der Mehreinsatz von Steinkohle in der Stromerzeugung trug zum Ausgleich des verminderten Erdgaseinsatzes in Kraftwerken bei und profitierte vom weiteren Rückgang der Kernenergie.
Der Verbrauch von Braunkohle erhöhte sich um 3,5 Prozent auf 1.174 PJ. Im Vergleich zum Durchschnitt der zurückliegenden fünf Jahre folgte die Braunkohle jedoch weiter dem rückläufigen Trend. Knapp 90 Prozent der inländischen Braunkohleproduktion gingen an Kraftwerke der allgemeinen Versorgung. Die Stromerzeugung aus Braunkohle stieg von 110 Terawattstunden (TWh) auf 116 TWh und deckte damit rund ein Fünftel des inländischen Strombedarfs. Braunkohle hatte 2022 einen Anteil von 10,0 Prozent (Vorjahr: 9,1 Prozent) am gesamten Primärenergieverbrauch.
Die erneuerbaren Energien steigerten ihren Beitrag zum Primärenergieverbrauch 2022 um 3,8 Prozent auf 2.023 PJ. Der Anteil der Erneuerbaren am gesamten Primärenergieverbrauch erreichte 2022 eine Höhe von 17,2 (Vorjahr: 15,7) Prozent. Wesentlichen Einfluss auf diese Entwicklung hatten die günstigen Witterungsbedingungen für die Windstromerzeugung sowie der historische Höchststand der Sonneneinstrahlung. Gegenüber dem windschwachen Jahr 2021 stieg die Windstromerzeugung 2022 um 8,5 Prozent. Die Windkraft blieb damit auch 2022 der wichtigste Energieträger im deutschen Strommix. Die Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen deckte 2022 erstmals mehr als 11 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland. Die Stromerzeugung aus Biomasse blieb dagegen 2022 nahezu konstant. Bedingt durch die verbreitete Trockenheit verringerte sich die Stromerzeugung aus Wasserkraft um 11 Prozent.
Weitere Verschiebungen im Energiemix
Im Energiemix für das Jahr 2022 kam es zu merklichen Verschiebungen. Wichtigster Energieträger blieb das Mineralöl mit einem Anteil von 35,3 (Vorjahr: 32,5) Prozent, gefolgt vom Erdgas mit 23,6 (Vorjahr: 26,6) Prozent. Auf die Steinkohle entfiel ein Anteil von 9,8 (Vorjahr 8,9) Prozent. Die Braunkohle erhöhte ihren Anteil auf 10,0 (Vorjahr: 9,1) Prozent. Der Beitrag der Kernenergie lag bei 3,2 (Vorjahr: 6,1) Prozent. Die erneuerbaren Energien weiteten ihren Anteil am gesamten Energieverbrauch auf 17,2 (Vorjahr: 15,7) Prozent aus.
Inlandsgewinnung ausgeweitet
Die inländische Energiegewinnung verzeichnete 2022 einen Zuwachs um etwa 2,2 Prozent auf 3.647 PJ Die Gewinnung von Erdgas und Erdöl war erneut rückläufig. Die den heimischen Energiequellen zugerechneten Erneuerbaren verzeichneten dagegen einen Zuwachs um 3,8 Prozent. In ähnlicher Größenordnung konnte auch die Braunkohle zulegen. Steinkohle wird seit Ende 2018 in Deutschland nicht mehr gefördert. Insgesamt konnte die Energiegewinnung aus heimischen Ressourcen 31 Prozent des Gesamtverbrauchs decken. Im Vorjahr lag der Anteil bei 28,7 Prozent. Wichtigste heimische Energiequelle sind inzwischen die Erneuerbaren mit einem Anteil von 55,6 Prozent (Vorjahr 54,7 Prozent). Es folgt die Braunkohle mit 32,7 Prozent (Vorjahr 32,3 Prozent).