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Technologie > Mensch und Maschine

Roboter retten die Produktion

Damit Deutschland langfristig wettbewerbsfähig bleibt, arbeiten bei immer mehr Mittelständlern Mensch und Maschine Hand in Hand.

Roboter sind inzwischen so präzise, dass sie auch Smartphones halten können. Hauptsächlich sollen sie Mitarbeiter in der Produktion entlasten. Bild: picture alliance/dpa | Robert Michael

Leuchtend orange schweißen, fräsen oder bohren Roboter in unzähligen Fertigungen auf der ganzen Welt. Mit der knalligen Farbgebung sollen die dort arbeitenden Menschen vor den Maschinen gewarnt werden. „Abstand halten“ lautet die Botschaft, die in vielen Bereichen durch einen soliden Metallkäfig unterstrichen wird. So ist im Laufe der Zeit ein Bild entstanden, das Roboter zwar als nützlich, aber auch gefährlich darstellt. Tatsächlich war ein ungezwungenes Nebeneinander von Mensch und Maschine über Jahrzehnte nicht vorstellbar.

In der vergangenen Dekade haben Spezialisten von Bosch damit begonnen, mit Sensoren aus der eigenen Produktion, die ungelenken Maschinen „sensibler“ zu machen. Sie nutzten dabei Entwicklungen des Stuttgarter Konzerns, die im Automobilbau zur Abstandsmessung und Notbremsung verbaut werden. Der Hintergrund: Der Technologiekonzern entwickelt und baut traditionell seine Fertigungslinien selbst, weil er sich so auch über die Produktion Wettbewerbsvorteile verschafft.

Apas heißt der erste Roboter, der ohne Käfig auskommt und inzwischen bei Bosch für eine ganze Produktfamilie steht. Die Geräte reagieren dank einer Sensorhaut so sensibel, dass sie stehen bleiben, wenn man ihnen zu nahe kommt. Der „Automatisierte Produktionsassistent“ übernimmt präzise Routinehandgriffe, die für den Mitarbeiter monoton und somit belastend sind. So erkennt der Helfer dank des lernfähigen Kamerasystems fehlerhafte Vorprodukte, fügt Kleinstteile zusammen oder übernimmt bestimmte gefährliche Fertigungsschritte. Das Nebeneinander ist inzwischen so ausgefeilt, dass die jüngste Apas-Generation sogar die Berufsgenossenschaften überzeugt hat.

Was ursprünglich als interne Entwicklung für die konzerneigene Fertigung gedacht war, wird inzwischen als eigenständige Produktlinie von der Industrietochter Bosch Rexroth auch für externe Kunden weiterentwickelt und vertrieben. Mit dem Augsburger Roboterspezialisten Kuka kooperiert Bosch vor allem bei größeren Varianten, die nun ebenfalls nicht mehr stationär in einen Käfig verbannt werden müssen. Die Cobots – wie die mitarbeitenden Maschinenkollegen inzwischen genannt werden – sind eine wichtige Grundlage für den flexiblen Aufbau der modernen Produktion und somit auch für Mittelständler hochinteressant.

Und sie sind für viele Betriebe die derzeit effektivste Lösung für das drängendste Problem: Längst ist aus dem Fachkräfte- ein allgemeiner Personalmangel geworden. Die Zahl der 20- bis 65-Jährigen wird ohne Zuwanderung 2030 etwa um elf Prozent niedriger liegen als 2020. Der staatlichen Förderbank KfW zufolge müssen jährlich eine Million Menschen im erwerbsfähigen Alter nach Deutschland kommen, um das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentenempfängern konstant zu halten. Doch nur die wenigsten glauben daran, dass auch nur annähernd so hohe Zahlen erreicht werden. Zuwanderung allein wird das Personalproblem in absehbarer Zeit nicht lösen.

Entsprechend wichtig ist es, Innovationen bei der Digitalisierung zu nutzen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass 11,3 Millionen Menschen heute in Jobs tätig sind, die zu 70 bis 100 Prozent durch Computer oder computergesteuerte Maschinen erledigt werden können. Das ist mehr als ein Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Es geht hier aber nicht um den Ersatz von menschlicher Tätigkeit, sondern um Entlastung gerade von monotonen Tätigkeiten. Roboter und Cobots sind zudem ein ideales Mittel, um, wie es Volkswirte ausdrücken, nicht ausgeschöpftes Arbeitskräftepotenzial zu mobilisieren, also zum Beispiel Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung glänzen zu lassen. Mittelständler klagen, dass sie nicht genug geeignete und motivierte Leute für ihre Produktionshallen finden. Gleichzeitig sind große Industrieroboter zu teuer und unflexibel.

Diesen Bedarf erkannten 2005 zwei Studenten in Dänemark und begannen, an kleinen Robotern zu schrauben. So entstand kurz darauf Universal Robots – bis heute Weltmarktführer für Cobots. Westeuropa-Chef Andrea Alboni betont, dass Universal Robots zwar immer noch eine „dänische Seele“ hat, aber im Grunde ein europäisches Unternehmen ist, für das es bei aller internationaler Ausrichtung immer noch wichtig ist, „mit den lokalen Industriestrukturen zu arbeiten“.

Angesichts der Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt inklusive der Tatsache, dass der Personalmangel längst die Produktionshallen erreicht hat, sind Cobots ein immer wichtigeres Mittel. Für Alboni können sie zwar nicht alle Personalprobleme lösen – „aber sie sind ein Puzzelteil“. Was Cobots auszeichnet: Sie senken die Barriere für Robotik und Automatisierung. Wo große Industrieroboter bisher hinter Zäunen oder Scheiben ihre Runden drehen, sollen Cobots agil einsetzbar, eng mit dem Menschen arbeiten – und dabei auch von Nichtexperten bedient werden können. „Das ist nicht mehr eine Maschine, die separat von der Umgebung platziert ist, sondern wirklich ein Werkzeug für den Mitarbeiter, um sie zu befreien von diesen monotonen Prozessen“, sagt Alboni.

Die Geräte wurden deutlich verschlankt, brauchen weniger Teile für dieselbe Leistung: „Das Gewicht der Cobots ist extrem wichtig in Situationen, wo ich auch eine gewisse Flexibilität haben möchte, wo ich ohne größere Kräne einen großen Roboter bewegen muss.“ Einige Cobots funktionieren an einer ganz normalen Steckdose. „Das sind Details, aber es sind wichtige Details.“ Alboni ist überzeugt, dass kein Unternehmen zu groß oder zu klein ist für Leichtbaurobotik, denn es gibt unterschiedliche Ansätze und einen hohen Grad an Flexibilität. Und es braucht vor allem keine spezialisierten Programmierer, die es in Unternehmen mit wenigen Dutzend Mitarbeitern ohnehin nur selten gibt. Die Schulungen seien von sehr unterschiedlicher Intensität und leicht anzupassen.

Roboter als Wanderarbeiter

Gerade die leichte Bedienbarkeit habe am Anfang bei Cobots gefehlt, sagen Brancheninsider. Das habe auch viele Mittelständler abgeschreckt. Daraus haben die Hersteller gelernt. Universal Robots sieht Bedarf für neun Millionen Cobots, erst wenige Prozent des potenziellen Marktes seien erschlossen. Der Deutsche Robotik Verband schätzt, dass erst fünf Prozent der Tätigkeiten bei kleineren und mittleren Unternehmen automatisiert ablaufen, der Rest per Hand – wie immer.

Cobots können nicht nur die Hände ersetzen, die angesichts des Personalmangels schlicht nicht mehr da sind. Sie empfangen und senden auch Informationen drahtlos und sind in unterschiedlichen Bereichen einsetzbar. Somit lohnt die automatisierte Fertigung auch dann, wenn der Kunde nur Kleinserien bestellt oder die Produktion nach wenigen Monaten umgestellt werden muss. „Roboter als Wanderarbeiter“ nennt der Esslinger Fertigungsspezialist Festo diese flexible Einsatzmöglichkeit, weil die Anlagen nicht mehr an einen Ort gebunden sind und oft einfach umprogrammiert und so ohne großen Aufwand für eine andere Tätigkeit eingesetzt werden können. Die Cobots sind also eine Grundlage für die flexible Fertigung 4.0, in der nur noch Wände und Dach einer Produktionshalle fest installiert sind.

Und Kuka, bekannt für die grell orangefarbenen Roboter etwa in der Autoindustrie? Die Augsburger haben für mittelständische Betriebe stationäre Kleinroboter im Angebot, die beispielsweise Bleche abkanten – allerdings im Käfig. Dabei kann die Zelle der Maschine während des Prozesses be- und entladen werden. „Mit dieser Lösung kann die Produktivität um rund 40 Prozent gesteigert werden“, sagt Jascha Rohmann, Chef des gleichnamigen Automatisierungsspezialisten aus Ingelheim. Das liege unter anderem daran, dass zwei bis drei Mitarbeiter, die bislang per Hand abgekantet haben, entlastet und für andere weniger monotone Aufgaben eingesetzt werden können.

Kuka jedenfalls hofft, hierzulande eine kleine Renaissance der Produktion einzuleiten: So hat die Verzinkerei Sulz, die zur Lichtgitter-Gruppe gehört, mit einer Roboterschweißzelle sogar Arbeiten von Osteuropa nach Deutschland zurückgeholt. Der Kunde hatte seine Teile im Ausland verschweißen lassen, bevor sie dann bei Sulz im Schwarzwald verzinkt wurden. Das Schweißen übernimmt man dort nun zusätzlich, was dem Kunden jede Woche zwei Lkw-Ladungen spart. „Die Investitionskosten sind überschaubar, aber die Möglichkeit, damit erste Schritte zu wagen, Know-how aufzubauen und erste gute Kundenaufträge an Land zu ziehen, ist sehr hoch“, sagt Sulz-Geschäftsführer Bernd Euschen.

Das Familienunternehmen Stela Laxhuber im bayerischen Massing setzt einen Kuka-Roboter bei der Produktion von Trocknungsanlagen ein, die für Agrarwirtschaft, Holzverarbeitung und Papierindustrie wichtig sind. Der Automat verschweißt riesige Ventilatoren, die das Herzstück der Anlagen bilden. Die Lüfterräder in den Trocknern können dabei einen Durchmesser von 1,60 Metern haben und eine halbe Tonne wiegen. Für den Arbeitsschritt benötigt der Roboter 50 Minuten. „Per Hand dauert das Verschweißen rund einen Tag. Mit der Roboterzelle sind wir jetzt in der Produktion auf der Überholspur. Zeitlich wie qualitativ“, sagt Produktionsleiter ­Andreas Utz. „Denn die Schweißnähte sitzen in kurzer Zeit so perfekt, wie es per Hand nicht möglich ist.“

Und das bedeutet auch: weniger Ausschuss. Auch Andrea Alboni betont den Beitrag zur Nachhaltigkeit. „Das Thema Abfall ist zentral. Unsere Produkte reduzieren den Ausschuss. Und dabei brauchen sie maximal 500 Watt, kaum mehr als ein großer Computer“, sagt der Westeuropa-Chef von Universal Robots. Auch er sieht einen Trend zu Relokalisierung von Produktion, was nicht zuletzt Transportkosten und CO2 sparen würde. „Immer mehr Firmen fragen sich: Muss ich wirklich eine Produktion im Nahen Osten haben oder in Asien? Oder soll ich lieber lokal produzieren – ohne den Logistikaufwand?“ Die Robotik könne hier eine große Rolle spielen, denn die koste das Gleiche – egal, ob in Rumänien, der Türkei, Italien, Asien oder Deutschland.

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