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Technologie > Energie für Immobilien

Vor diese unlösbaren Fragen stellt uns das Heizungsgesetz

Der Absatz von Wärmepumpen bricht gerade ein. Warum, das zeigt der Erfahrungsbericht aus einer Wohnungseigentümerversammlung: Wer derzeit eine Immobilie besitzt, steht vor Fragen, auf die es keine Antworten gibt.

Wasserwärmepumpe
Umsatzeinbruch bei den Herstellern: Eine Luft- und Wasserwärmepumpe an einem neuen Wohnhaus. Bild: picture alliance / CHROMORANGE | Udo Herrmann

Die Wärmepumpenhersteller, die bis eben noch in Aufträgen geschwommen sind, klagen mit einmal über einen Umsatzeinbruch. „Die Klopperei in der Politik rund um das Gebäudeenergiegesetz war eine Katastrophe“, sagt der Chef des Bundesverbands Wärmepumpe, Paul Wanning, der Augsburger Allgemeinen. Die Nachfrage nach Öl- und Gasheizungen gehe dagegen nach oben, wundert er sich.
 
Der Mann muss sich nicht wundern, wie ein kleiner Erfahrungsbericht zeigt. Was hier geschildert wird, ist in Deutschland kein Einzelfall ist, seit die Regierung mit aller Kraft versucht, in den Heizungskellern der Hausbesitzer für eine nachhaltige Wärmeerzeugung zu sorgen. Das Beispiel belegt gleich dreierlei: Selbst Fachleute haben nicht auf alles eine Antwort, die voraussehbaren Kosten gehen bei Mehrfamilienhäusern schnell in die Millionen, und Entscheidungen können nicht getroffen werden, weil alle Zahlen fehlen, um auszurechnen, was sich lohnt und was nicht.
 
Der Fall sieht so aus: In einer größeren Stadt vom Rhein stehen zwei hübsche Häuser, in denen jeweils fünf Familien wohnen. Die Lage ist ruhig, die Straße eine Sackgasse, Balkone und Terrassen zeigen zum Fluss hin, innen sorgen Kamine für eine gemütliche Atmosphäre. Vor den Häusern und in den Garagen stehen bereits ein paar Elektroautos, jedenfalls von denen, die tagsüber bei ihrer Arbeit Strom tanken können. Denn damit beginnt das Problem.
Die beiden Häuser, die als eine Einheit verwaltet werden, sind 1973 gebaut. Die elektrische Anlage ist langsam überfordert. Für Autoladestationen oder Wärmepumpen war sie nie ausgerichtet.

An einem Tag im Juni dieses Jahres treffen sich die zehn Eigentümer mit der Verwalterin zur jährlichen Versammlung. Ein Pflichttermin, den die Eigentümer, die im Haus wohnen mit mehr Enthusiasmus wahrnehmen, als jene, die ihre Wohnungen vermietet haben.  Tagesordnungspunkt sechs der Versammlung lautet „Energetische Sanierung“ und einer der Vermieter raunt einem anderen zu, es sei ihm eigentlich nicht so wichtig, wieviel Energie das Haus verbrauche, das zahlten schließlich die Mieter. Aber die Runde ist sich immerhin einig: Die Häuser haben ein halbes Jahrhundert auf ihren hübschen lang nach unten gestreckten schwarzen Dächern, sie sind zwar tadellos gepflegt, aber der Einstieg in eine energetische Sanierung ist unabwendbar.
 
Die Verwalterin hat deswegen ihren Job gemacht und einen Energieberater hinzugezogen. Einfach war es nicht, ihn zu finden. Die Branche hat Hochkonjunktur und der nächste freie Ingenieur musste aus dem 200 Kilometer entfernten Saarland anreisen. Er war gekommen, hat die Häuser gecheckt und einen 34seitigen Zustandsbericht hinterlassen, einen elfseitigen Sanierungsfahrplan und eine Rechnung für seine Dienste von 2750 Euro, von denen 80 Prozent der Bund bezahlt – kein Wunder also, dass die Beraterbranche blüht.
 
Was er den Eigentümern hinterlassen hat, ist eine nüchterne Bestandsaufnahme, die klar macht, dass die Häuser bei aller liebevollen Wartung, die ihnen in den vergangenen Jahrzehnten gewidmet wurde, beim besten Willen nicht mehr dem aktuellen Stand von Technik und Wissen entsprechen. Das Dach lässt Wärme raus und Kälte rein, die Gasheizung ist ein Vierteljahrhundert alt und hat ihre beste Zeit hinter sich, bei Fenstern und Türen ist auch noch Luft nach oben drin. Der Berater schlägt einen vierstufigen Sanierungsplan vor: Erst ein neues Dach, dann die Außenwände dämmen, die Fenster ersetzen und schließlich die Heizungsanlage aufrüsten. Kostenpunkt: Rund eine halbe Millionen Euro – pro Haus. Wobei die Elektrik fürs E-Autoladen nicht im Preis drin ist. Immerhin berechnet der Berater, dass sich die Energiekosten von derzeit rund 11 000 Euro im Jahr dann um mehr als die Hälfte reduzieren ließen, wobei er auch kein Hellseher ist, was die Preise für Strom anbelangt.

Den Eigentümern allerdings hinterlässt er trotz aller Mühe kein Konzept, auf das sie sich einigen können. Die erste Frage in die Runde ist eher eine Feststellung. Sie lautet: „Die Heizung schafft noch zehn Jahre.“, Die zweite entspricht einem Stöhnen: Dach, Außenwände, Fenster, Keller - das heißt die Eigentümer leben ein Jahr auf einer Baustelle und die Mieter suchen das Weite. Anschließend verbeißt sich die Runde in Details: Sollte man nicht erst die Wärmepumpe einbauen, die der größte Hebel beim Energiesparen wäre? Einer der Eigentümer, selbst ein Ingenieur, kennt sich aus: „Das hat keinen Zweck, das Ding kommt gegen die undichte Außenhülle nicht an.“ Die Alternative, die Wärmepumpe ein paar Nummern größer zu kaufen, geben die Stromanschlüsse nicht her, und außerdem: Später steht die Heizung dann überdimensioniert herum, was nicht dazu führt, dass sie lange hält. Also doch mit dem Dach anfangen? Da müsste dann gleich Photovoltaik eingebaut werden, womit die gesamte Hauselektrik auf den Kopf gestellt werden müsste.
 
Auch von Wasserstoff haben die Eigentümer natürlich schon gehört. Ihre Hoffnung, die Heizung damit betreiben zu können, macht der Ingenieur in der Runde zunichte: Wasserstoff für private Haushalte werde es in den nächsten zehn Jahren nicht geben, sagt er. „Das bisschen an grünem Wasserstoff, das ankommt, verbraucht die Industrie.“
 
In diesem Stil geht es munter weiter, bis einer die Blicke aller auf die voraussichtliche Endsumme aller Kosten lenkt. Die nötigen 100 000 Euro habe er schlicht nicht flüssig, Kredite seien teuer und er wolle sie in seinem Alter auch nicht mehr aufnehmen. Er stellt deswegen Fragen wie: Was denn nun gefördert wird? Ob das im nächsten Jahr eher mehr oder weniger werde Und wie denn steuerliche Vorteile geltend gemacht werden können? Und ob die für alle Eigentümer gleichermaßen gelten, egal ob sie im Haus wohnen oder vermieten?
 
Die Runde zieht sich in die Länge, die ersten zücken das Smartphone und sind bei ganz anderen Themen, die Aufmerksamkeit sinkt, bis die Verwalterin das einzig richtige tut: Sie stellt fest, dass die Informationen nicht genügen, um einen Beschluss zu treffen. Vertagt aufs nächste Jahr lautet das Ergebnis der Runde – und alle atmen erleichtert auf.

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