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Energie & Rohstoffe > Heizungsgesetz im Bundestag

Wie Industrie und Handwerk auf die Änderungen am GEG reagieren

Die Ampel hat sich geeinigt, das neue Heizungsgesetz kann in einer stark überarbeiteten Form nun zur Diskussion in den Bundestag. Fauler Kompromiss oder Sprung nach vorne für Umwelt und Menschen? Was Expertinnen und Experten davon halten.

Die Wärmepumpe steht wie kein anderes Gerät für die Maßnahmen gegen den Klimawandel der Ampel-Regierung.

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen – sagt die Redewendung. Beim Heizungsthema könnte es abgewandelt lauten: Wer eine Kompromiss-Kröte schlucken muss, darf sich über fiese Sprüche nicht wundern. Und so konnte sich FDP-Chef Christian Lindner am späten Dienstagabend nach der Einigung über der Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) einen Seitenhieb auf grünen Ampel-Partner nicht verkneifen: „Der Unterschied zwischen den Grünen und mir ist: Die doktern seit drei Jahren an ihrer Wärmepumpe rum. Meine zu Hause läuft schon.“ Damit meinte Lindner die Grünen und deren Schwierigkeiten, ihre Parteizentrale mit einer Wärmepumpe auszustatten.

Doch unterm Strich herrschte innerhalb der Ampel-Koalition nach der Einigung große Erleichterung. Bundeskanzler Olaf Scholz meinte: „Heute hat es sich, glaube ich, zu Ende geruckelt.“ Die Einigung sei „ein wirklich wichtiger Schritt“. Die Grünen- Fraktionschefin Katharina Dröge gab zu, dass das Gesetz nun „noch ein Stück weit besser gemacht“ worden sei. Und ihr FDP-Pendant Christian Dürr betonte, dass die Pläne „fundamental“ im Sinne der Liberalen geändert wurden.

Auch der entscheidende Akteur, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, wirkte zufrieden: „Die Wärmewende ist praktikabel, Klimaschutz wird konkret, das klare Signal für den Umstieg auf klimafreundliches Heizen wird gesetzt.“ Man gebe den Menschen mehr Zeit und verzahne die kommunale Wärmeplanung besser mit dem Gebäudeenergiegesetz. „Das finde ich richtig und ist ganz in meinem Sinne.“

Die Opposition betont in Person von Unionsfraktionschef Friedrich Merz verweist darauf, dass die Arbeit jetzt erst richtig losgeht: „Das, was wir jetzt vorliegen haben, ist politische Prosa.“ Damit hat er insofern Recht, dass die vorgestellten Leitplanken noch kein Gesetzestext sind und im Bundestag beraten gehören. Das Ringen um das umstrittene Gesetz zum Austausch alter Öl- und Gasheizungen wird dort ab Donnerstag öffentlich geführt. Die letzte Sitzung des Bundestages vor der Sommerpause ist am 7. Juli. Besteht bis dahin keine Einigung, wird es wohl nicht wie geplant zum 1. Januar 2024 in Kraft treten können.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte hingegen: „Die Technologieoffenheit wird gewährleistet.“ Gerade hier gab es die heftigste Kritik von Seiten unabhängiger Fachleute. Die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker hatte beim GEG stets die„einseitige Strategie, alles auf Strom umzustellen“, kritisiert. „Wir werden nicht alle Sektoren, also Industrie, Gebäude und Verkehr, elektrifizieren können“, sagt die Sachverständige des Deutschen Bundestages. Dieser „Grundfehler“ ist entscheidend abgemildert durch die Verwendung von Fernwärme.
Denn eine wesentliche Neuerung ist, dass die Regeln das GEG, auch wenn es am 1. Januar 2024 in Kraft tritt, erst gelten soll, wenn eine kommunale Wärmeplanung vorliegt. Ein Gesetz dazu entsteht gerade. Kommunen werden darin verpflichtet zu überprüfen, wie sie sich besser an Wärmenetze anschließen können. Das ist für Immobilienbesitzer wichtig bei der Frage, ob sie auf Fernwärme hoffen können oder zwingend eine Wärmepumpe einbauen müssen.

Heißt also erstens: Wer davon ausgehen kann, Anschluss an ein Wärmenetz zu bekommen, kann sich den teuren Einbau einer elektrischen Wärmepumpe sparen. Und zweitens dürfen Hausbesitzer sofern noch keine kommunale Wärmeplanung vorliegt auch nach dem 1. Januar 2024 noch Gasheizungen einbauen, sofern diese auf Wasserstoff umrüstbar sind. Das gilt auch für Neubauten außerhalb, sofern sie nicht in Neubaugebieten stehen. Im Detail gibt es hier aber noch einige Regelungen zu treffen. Vor allem bei der Frage, wann und wie es praktisch möglich sein wird, Heizungen inklusive aller Leitungen H2-ready zu machen, wie es im Fachjargon heißt. Die Umrüstbarkeit von Gas auf Wasserstoff ist nicht so ohne Weiteres möglich.

Für Lamia Messari-Becker kann der Wärmenetz-Passus gar nicht hoch genug bewertet werden: „Die Leitplanken sind nichts anderes als ein Neustart. Die Kommunale Wärmepläne sind kein "nice to have", sondern Grundlage aller Optionen vor Ort, erneuerbar zu heizen.“ Im Sinne der Technologie-Offenheit und des Ansatzes habe sich der Wind fundamental gedreht: „Zuerst liefert der Staat. Bürger entscheiden dann, welche Heiztechnologie sie einbauen“, so die Expertin.

Diese Technologieoffenheit wurde vor allem von der FDP gefordert. Die Grünen galten vor allem in Person des inzwischen zurückgetretenen Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen, als ideologisch verbrämt. Jetzt sind sich die Koalitionspartner einig, dass beim Umstieg auf klimaneutrale Heizungssysteme verschiedene Optionen gleichwertig behandelt werden. So können nun auch Holzpellet-Heizungen die 65-Prozent-Vorgabe des GEG erfüllen. Der Entwurf hatte vorge­se­hen, dass diese nur in Verbin­dung mit Puffer­spei­chern und Solar­ther­mie erlaubt sein sollten. Käufer einer Gashei­zung sollen lediglich auf eine „mögli­che Unwirt­schaft­lich­keit“ hinge­wie­sen werden, also den Punkt, dass der CO2-Preis fossi­le Energie­trä­ger sukzes­si­ve teurer machen dürfte.

Christoph Blepp, Managing Partner bei der Beratung S&B Strategy,hält den Kompromiss auch aus Sicht der betroffenen Branchen für deutlich besser als den ursprünglichen Gesetzesentwurf: „Nun wird den Haushalten, den Installateuren und der Industrie Zeit für notwendige Umstellungen gegeben.“ Die Handwerksbetriebe hätten nun etwas mehr Luft, sich auf der einen Seite weiterzubilden, auf der anderen Seite genügend Wärmepumpen für die hohe Nachfrage zu bekommen. „Das wird den Preisdruck im Markt sicherlich etwas lindern“, prognostiziert Blepp.

Sein Kritikpunkt: „Dennoch wird mit diesem Gesetz leider wieder ein Stück mehr Regulierung in den Markt getragen, was mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit weiterer Bürokratie verbunden sein wird.“ Zudem habe man wieder gezeigt bekommen, dass „ideologisch aufgeladenes, normatives Anspruchsdenken an der Realität zerfällt“.

Man könne sich ja wünschen, dass die Klimaneutralität im Gebäudebestand bereits vor fünf Jahren erreicht worden wäre. „Dies ist aber nicht der Fall, deshalb geht es nun um Schaffung von Ausbaukapazitäten im Handwerk und bei der Industrie sowie um die Verschlankung der komplexen Bürokratie am Bau“, meint Blepp. Langfristig verbindliche Förderinstrumente und -ziele sowie der kontinuierliche Bürokratieabbau seien die Voraussetzungen, die die Politik schaffen muss. „Den Rest macht das Handwerk und die Industrie. Dass Planwirtschaft nicht funktioniert, sollten wir doch gerade in Deutschland nun mittlerweile gelernt haben.“

Für die Bauingenieurin Messari-Becker ist noch ein weiterer Punkt entscheidend: „Es gibt es keinen Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Gebäuden. Es wird eine gemeinsame Aufgabe.“ Bisher stand im GEG-Kleingedruckten, dass Immobilien von Land und Kommunen ausgenommen sind von der 65-Prozent-Regel. Vor allem das Gesundheitsministerium hatte auf die hohe Belastung für Krankenhäuser verwiesen. Die die Sanierung von Schulen ist für viele Kommunen kein Pappenstiel. Viele Bürger hatten für die Ungleichbehandlung dennoch wenig Verständnis.

Ein weiter Kritikpunkt am ursprünglichen GEG-Entwurf war die Bürokratie. Lamia Messari-Becker sagte: „Es wird so viele Härtefälle, Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen geben, dass man schon fragen muss: Wozu die ganze Bürokratie? Und wer soll den Vollzug sichern? Man reguliert sich zu Tode.“ Ob das nun besser geworden ist, lässt sich noch nicht beurteilen, denn zu viele Details sind insbesondere für Mieter und Vermieter noch offen. Grundsätzlich hieß es am Dienstagabend von der Koalition, dass „Mieter nicht zu stark belastet werden sollen“. Vermieter bekommen Anreize, in moderne Heizungssysteme zu investieren - zum Wohle der Mieterinnen und Mieter und ohne diese zu überfordern. „Daher werden wir die bestehende Förderkulisse unter Berücksichtigung der Modernisierungsumlage weiterentwickeln.“ Die vorge­se­he­ne Ausnah­me für Eigen­tü­mer ab dem Alter von 80 Jahren werde überar­bei­tet.

Haushalte dürften im Rahmen notwendiger Neuinvestitionen nicht überfordert werden. Deshalb werde es eine Förderung des Bundes geben, "die aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert wird und möglichst passgenau die einzelnen Bedürfnislagen und soziale Härten bis in die Mitte der Gesellschaft berücksichtigt". Niemand dürfe zu etwas verpflichtet werden, das er in der jeweiligen Lebenslage nicht leisten können.

Trotz diverser offener Details zeigte sich auch der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) insofern zufrieden mit der Einigung, weil nun auch die Industrie und das Handwerk mehr Klarheit hätten: „Die Diskussion der vergangenen Monate hatte zu einer massiven Verunsicherung geführt und bereits Spuren im Markt hinterlassen“, hieß es beim BDH. Auch Timm Kehler klang positiv. Der Chef des Branchenverbandes Zukunft Gas sprach von einem "pragmatischen und wirkungsvollen Start" der Wärmewende: „Wir begrüßen, dass die Regierungsfraktionen anerkennen, welche wichtige Rolle die neuen Gase wie Wasserstoff zur Sicherung der Resilienz auch im Wärmemarkt spielen können.“

In der Heizungsbranche klang das differenzierter. Der ein oder andere Unternehmensvertreter fragte sich laut, wie sinnvoll der Einbau wasserstofffähiger Gasheizungen ist, wenn es noch gar keinen Wasserstoff dafür gebe. Der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) bedauerte die Verschiebung von Planungssicherheit für Industrie, Handwerk und Verbraucher: "Bis zum Vorliegen von kommunalen Wärmeplänen erhalten die Betroffenen keine Orientierung, welche Heizungssysteme sie im Falle eines anstehenden Heizungstauschs auf den Weg zur Klimaneutralität bringen."

Volker Weinmann vom Wärmepumpen-Hersteller Daikin kritisierte, der Kompromiss gebe "keine zuverlässige Planungssicherheit für die Industrie und stellt kein solides Fundament für den von der Bundesregierung seit Juni 2022 vorangetriebenen Wärmepumpen-Rollout dar". Daikin setzt stark auf Wärmepumpen. Entscheidend weniger kritisch sieht Jan Brockmann, CEO der breiter aufgestellten Bosch-Heizsparte, die Einigung: „Wir sind darauf vorbereitet und bereits jetzt in der Lage, alle Heizungslösungen anzubieten, die mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden können oder darauf umrüstbar sind.“

Egal was mit GEG in den kommenden Tagen passiert: Es wird für viele Menschen eine Zumutung sein. Und das liegt nicht an Fehlern im Detail – Ziele und Grundidee des GEG halten praktisch alle Fachleute für richtig: Klimaschutz inklusive Wärmewende kann es nicht zum Nulltarif geben. Die Regierung hat es versäumt, das geschickt zu kommunizieren und wollte wohl zu hastig vorgehen, was die Menschen überforderte. Aber es wird noch viele weitere ähnliche Zumutungen geben. Der Verzicht auf Autos, die mit Benzin oder Diesel angetrieben werden, wäre für die Allermeisten bis vor kurzem undenkbar gewesen – und wurde jetzt doch relativ klaglos akzeptiert. Eben weil man Zeit hat, sich darauf einzustellen.

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