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Einkauf, Marketing und Marken > Strategie von Mercedes

E-Mobilität kommt – nur nicht sofort

Egal ob Laster, Transporter oder Pkw: Die Manager von Firmenflotten müssen dreimal nachdenken, wie sie mit Elektromobilität umgehen. Mercedes-Chef Ola Källenius erklärt seine Strategie.

Ola Källenius
Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender Mercedes-Benz Group AG. Bildnachweis: picture alliance/dpa | Christoph Schmidt

„Noch nie war es spannender in der Autoindustrie zu arbeiten. Es ist so viel in Bewegung.“ Ola Källenius strahlt. Die Probleme der Branche rund um den Wandel zur E-Mobilität sind für den Chef von Mercedes-Benz augenscheinlich eher das Salz, das seinen Job erst richtig würzig macht. Früher sei alles berechenbarer gewesen. War die neue S-Klasse besser als die vorherige Generation, hebe sie sich auch gut verkauft. Heute hingegen wisse niemand genau, wann und wohin der Markt sich drehen wird. Der großgewachsene Schwede ist sich aber sicher: eines Tages wird die E-Elekromobilität rasant durchstarten. „Wie das“ und hält sein Smartphone hoch. Wehe dem, der dann nicht alles bereitgestellt habe, um mitzuziehen, warnt er im Gespräch mit Journalisten des Stuttgarter Wirtschaftspresseclubs.

Der 54-Jährige strahlt Zuversicht und Tatendrang aus. Dazu hat er aktuell auch allen Grund. Der Kurs, den er vom Mercedes-Chefsessel aus eingeschlagen hat, zahlt sich aus. Mit der Ausrichtung auf teure Karossen verzeichnet der Stuttgarter Autobauer Spitzenrenditen und verwöhnt Aktionäre wie Beschäftigte mit lukrativen Ausschüttungen. Auch bei Källenius klingelt die Kasse wie noch nie. Ihm hat Mercedes ein Gehalt von zwölf Millionen Euro überwiesen. Das sind 86 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Der Schwede gehört damit zu den Spitzenverdienern in der deutschen Wirtschaft. 

Dem 54-Jährigen ist das Thema sichtlich unangenehm. Das habe der Aufsichtsrat als Bonus für den Erfolg der vergangenen zwei Jahre entschieden. Der Mercedes-Chef weiß natürlich, dass solche Zahlen viel Unverständnis auslösen. Drum will er alles, was über der Grenze von zehn Millionen Euro liegt, spenden. An wen, verrät er allerdings nicht. Källenius ist auch bewusst, dass der Erfolg seines Unternehmens – wie der anderer Autobauer – Begehrlichkeiten bei den im Herbst anstehenden Tarifverhandlungen wecken. Wohl auch deshalb rechnet er vor, dass die Belegschaft in Deutschland je Stunde das Unternehmen mehr koste als in anderen Ländern. „Selbst in der Schweiz wird mehr gearbeitet“, meint der Schwede.

Kosten, Kosten, Kosten: Das treibt den Mercedes-Chef derzeit am meisten um. Der Bau eines E-Modells mit Stern ist um mehrere tausend Euro teurer als ein Auto mit Verbrennerantrieb. Den Konzern drücken die hohen Investitionen in die neue Technologie und die erheblichen Preise für die Batterien. Gleichzeitig verkauft Mercedes – wie die gesamte Branche – zu wenig E-Mobile, um diese Aufwendungen über eine breite Anzahl von Fahrzeugen kompensieren zu können. Zwischen den Zeilen lässt Källenius durchblicken, dass er den Wandel zur E-Mobilität wohl zu forsch angegangen ist. Ursprünglich wollte der Konzernchef ab Ende der Dekade nur noch E-Fahrzeuge bauen lassen.

Heute spricht er deshalb lieber von „taktischer Flexibilität“. Das bedeutet nichts anderes, als dass so lange auch Verbrenner mit Stern angeboten werden, wie dies die Kunden kaufen wollen. Der Markt sei eben noch nicht so weit, räumt Källenius ein. Er stellt sich weltweit auf einen harten Wettbewerb ein, auf den man kurzfristig reagieren will. Zwischen den Zeilen klingt dabei die Erwartung an die Zulieferer durch, dass sie sich entsprechend wendig diesem Kurs anpassen müssen. Die plagen allerdings auch hohe Kosten für die nun langsamer stattfindende Technologiewende. Wie die Zulieferer die „taktische Flexibilität“ zwischenzeitlich finanzieren sollen, lässt der Mercedes-Chef offen. 

Für Källenius steht fest: die Elektromobilität muss und wird kommen. „Wir haben uns dafür entschieden“, macht er unmissverständlich klar. An der Dekarbonisierung führt für den Auto-Boss kein Weg vorbei. Nur der Zeitplan, der ein europaweites Verbot ab 2035 vorsieht, könnte zu anspruchsvoll sein. Der Mercedes-Chef will nicht darüber spekulieren, ob die EU neue Pflöcke einschlagen wird, wenn sie in zwei Jahren, wie geplant, den E-Kurs überprüft. Als wenig hilfreich sieht Källenius die „erratische Förderpolitik“ mancher Regierungen. „Das schafft bei den Kunden nur Verunsicherung.“ 
Für den Schweden auf dem Mercedes Chefsessel hat die Politik ohnehin noch einige Hausaufgaben zu lösen. Vor allem die hohen Kosten für Energie und die gesicherte Versorgung damit, würden den Standort Deutschland belasten. Mercedes selber baue derzeit zwei Windparks auf: Damit können wir dann 40 Prozent unseres Bedarfs selbst decken“. Für Källenius ist dies auch ein Zeichen, wie sich die Zeiten gewandelt haben. „Früher hätten wir uns als Industrie mit solchen Infrastrukturfragen nicht beschäftigt.“  Mercedes beteilige sich deshalb auch am Aufbau einer Ladeinfrastruktur für E-Autos. „Wir wollen unseren Kunden signalisieren: wir lassen Euch nicht im Stich.“ 

Den Mercedes-Chef treibt zudem der Fachkräftemangel in Deutschland um. Die Bundesregierung habe den Zuzug inzwischen etwas erleichtert, doch das Problem sei dadurch nicht gelöst. Er lässt durchblicken, dass reiche Konzerne leichter ihren Personalbedarf decken können. Doch dem Zulieferer auf der Schwäbischen Alb falle das immer schwerer. „Wenn der aber keine Leute findet, ist uns auch nicht geholfen.“ Für kurzfristige Entlastung könnten ältere Menschen sorgen, die länger im Arbeitsleben bleiben. Den Weg dazu könnten Anreize für die potentiellen Rentner als auch für die Unternehmen ebnen, deutet der Schwede einen Ansatz an. 

Källenius spricht sich auch für Abbau der Steuerbelastung der Unternehmen aus. Man müsse in Europa auf ein vergleichbares Niveau kommen wie andere wichtige Industrieregionen auf der Welt. „Zwei bis vier Prozent Unterschied können bereits eine Standortentscheidung beeinflussen.“  Wohl auch Subventionen, wie sie beispielsweise in den USA milliardenschwer vergeben werden. Das nutzen auch die Stuttgarter, die dort Ihre Werke ausbauen. Der Mercedes-Chef schiebt aber vorsichtshalber ein Bekenntnis für den Heimatstandort hinterher. Sein Unternehmen investiere derzeit rund 14 Milliarden Euro in die Transformation. Ein Großteil werde in Deutschland und vor allem in Baden-Württemberg ausgegeben.

Wenig abgewinnen kann Källenius den Forderungen nach Strafzöllen gegenüber China. „Wer derart vom Export abhängig ist, muss darauf hinarbeiten, dass es möglichst wenige Handelshürden gibt“, erklärt der Schwede. Er verweist darauf, dass Mercedes den Smart in China fertigt und viele Fahrzeuge in den USA baut, die dann nach Europa exportiert werden. „Wir wären also auch betroffen. Der freie Handel habe erst den jetzigen Wohlstand ermöglicht und schaffe die Mittel, um die CO2-Neutralität finanzieren zu können. „Da muss man sich fragen, was es bringen soll, jetzt in eine andere Richtung zu gehen“, erteilt er protektionistischen Gedanken eine Absage.

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