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Zukunftsmärkte > Aktuelle Zahlen zum dritten Quartal

Hoffnungswerte für die deutsche Wirtschaft

Anfang dieser Woche kamen mehrere aktuelle Zahlen für das dritte Quartal heraus, die ein leicht positives Bild zeigen. Dieser Überblick belegt aber: Für 2024 ist die Spanne der Prognosen erstaunlich groß.

Alle Hoffnung auf den Verbraucher: Werden die Deutschen 2024 wieder mehr konsumieren?

Aus Sicht eines Statistikers ist der Unterschied zwischen minus 0,1 und plus 0,1 genauso groß oder klein wie zwischen 0,1 und 0,3, aber es fühlt sich ganz anders an. Das gilt insbesondere für die Wirtschaftsleistung eines Landes, in der Regel gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Das reale BIP, wo Preis­stei­ge­run­gen herausgerechnet sind, schrumpf­te laut Statistischem Bundesamt im dritten Quartal um 0,1 Prozent gegen­über dem Vorquar­tal. Seit Anfang 2022 lag die deutsche Wirtschaft in drei von sechs Quartalen damit im Minus. Viele hatten auf ein kleines Plus in den Monaten Juli bis September 2023 gehofft – auch als Mutmacher. „Deutsch­lands Wirtschaft tritt mehr oder weniger auf der Stelle“, kommen­tier­te Jens-Oliver Niklasch von der Landes­bank Baden-Württem­berg.

 

Im laufenden Quartal dürfte es ähnlich aussehen, erst für 2024 ist Besserung in Sicht. „Es gibt leider abseh­bar keine Anzei­chen für einen baldi­gen selbst­tra­gen­den Aufschwung“, sagte der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Deutschen Indus­trie- und Handels­kam­mer­tags, Martin Wansle­ben. Für 2023 rechnet die Regie­rung weiterhin mit einem Minus von 0,4 Prozent. Die großen Wirtschafts­for­schungs­in­sti­tu­te sind mit 0,6 Prozent skeptischer. Damit liegt Deutschland zumindest mit Blick auf die sieben großen Industrienationen (G7) weit abgeschlagen – die anderen sechs Länder verzeichnen eine wachsende Wirtschaftsleistung.

Immerhin: 2024 soll Deutschland wieder um 1,3 Prozent wachsen – sagen zumindest Regierung und Wirtschaftsforschungsinstitute. Letztere entnehmen das ihren Frühindikatoren: Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist zum Beispiel im Oktober erstmals seit einem halben Jahr wieder gestiegen, und das überraschend deutlich um 1,1 Punkte auf 86,9 Punkte. Auch Börsenprofis bewerteten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft im Oktober so gut wie seit einem halben Jahr nicht mehr. Die Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sprang erstaunlich weit nach oben. „Die Talsohle ist erreicht“, sagte ZEW-Präsident Achim Wambach. Deutlich skeptischer sind allerdings Volks­wir­te von Geschäfts­ban­ken und andere Fachleute, die die Nachrich­ten­agen­tur Bloom­berg befragte und für 2025 durch­schnitt­lich mit BIP-Wachstum von nur 0,5 Prozent rechnen.

Es gibt einige Unsicherheitsfaktoren, die diese Diskrepanz erklären. Niemand weiß genau, wie sich die Energiepreise entwickelt. Neben der schwachen Weltwirtschaft belastet zudem die maue Konsumneigung der deutschen Verbraucher. Das zeigte zuletzt auch der Verbrauchervertrauens-Index der Gesellschaft für Konsumforschung GfK: Die Leute halten derzeit das Geld zusammen. Die Bundesregierung setzt darauf, dass sich das 2024 ändert, wenn die Inflation abnimmt und die Löhne steigen – aber das ist schwer zu prognostizieren.  

Hier sorgen die jüngsten Zahlen vom Statis­ti­schen Bundes­amt für Optimismus: Die Infla­ti­ons­ra­te in Deutsch­land ist weiter zurück­ge­gan­gen – im Oktober auf 3,8 Prozent. „Die deutsche Infla­ti­on fällt fast genau­so schnell, wie sie bis zum Höhepunkt im Herbst 2022 gestie­gen war“, kommen­tier­te Holger Schmie­ding, der Chefvolks­wirt des Hambur­ger Bankhau­ses Beren­berg. „Der Rückgang der Preise für Kraft­stof­fe, Strom, Gas, Heizöl und Fernwär­me gegen­über dem Septem­ber und die Basis­ef­fek­te aus dem Anstieg der Energie- und Nahrungs­mit­tel­prei­se im Vorjah­res­mo­nat haben die Infla­ti­ons­ra­te im Oktober kräftig gedrückt.“ Vom Infla­ti­ons­ziel der Europäi­schen Zentral­bank von 2 Prozent ist die Preis­stei­ge­rung aber in Deutsch­land wie auch im Euroraum insge­samt noch recht weit entfernt. Zuletzt hatte die EZB die Leitzin­sen nicht weiter erhöht, weil sie es zumin­dest für möglich hält, dass das aktuel­le Zinsni­veau schon ausreicht, um die Infla­ti­on in Richtung ihres Ziels zu bewegen.

Im Hinblick auf die Investitionen von Unternehmen ist das Bild gemischt: Bei den Ausrüs­tungs­in­ves­ti­tio­nen ging es zuletzt aufwärts, beim Wohnungsbau bleibt das Umfeld schwierig – nicht zuletzt durch die gestiegenen Zinsen. Auch am Arbeitsmarkt stehe ein schwie­ri­ger Winter bevor, erklär­te Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungs­be­reichs „Progno­sen und gesamt­wirt­schaft­li­che Analysen“. Das Insti­tut für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung hat Montag in seinem IAB-Arbeits­markt­ba­ro­me­ter im Oktober ein Minus von 0,4 Punkte gemeldet – es liege nun so tief liege wie noch nie mal abgesehen von der ersten Covid-Welle.

Ein Blick in die Branchen zeigt ein uneinheitliches Bild: Deutschlands Industrie ist immer noch im Würgegriff von Zinswende und schwacher Auslandsnachfrage. Die Betriebe haben ihre Produktion vier Monate in Folge gedrosselt. Immerhin kommen wieder Aufträge rein, was viel Hoffnung macht: Von Juni bis August legten auch die Industrieaufträge um knapp fünf Prozent im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten zu. Das Neugeschäft kommt wie gerufen, denn die während der Coronapandemie liegen gebliebenen Bestellungen sind inzwischen weitgehend abgearbeitet. Auch vom wichtigen Absatzmarkt China kommen positive Signale: Dort wuchs die Wirtschaft im dritten Quartal mit rund fünf Prozent zum Vorjahreszeitraum überraschend stark. Auch in den USA sah es zuletzt gut aus.

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