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Debatte > Neue Partei gegründet

Der Mittelstand sollte sich von Wagenknecht nicht umgarnen lassen

Sahra Wagenknecht gründet eine eigene Partei und umgarnt den Mittelstand. Das Angebot ist vergiftet. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die eine Lücke füllt, kommentiert Thorsten Giersch.

Sahra Wagenknecht stellt ihre neue Partei vor. Bei ihr sind drei Mitstreiter Ralph Suikat, Lukas Schoen und Amira Mohamed Ali.

„Der kann links wie rechts“, sagen Fußballfans gern über beidfüßige Spieler. Politisch gilt das für kaum eine Figur so sehr wie für Sahra Wagenknecht. Ihr könnte gelingen, woran die anderen Parteien scheitern: die AfD zu halbieren. Oder ihr zumindest nennenswert Wähler abzujagen. Der Preis wäre beträchtlich, wenn es im Bundestag zwei extreme Protestparteien gäbe. Die Partei legt im Januar offizi­ell los – 2024 sind Europa­wah­len und drei Landtags­wah­len in Ostdeutsch­land.

Das Überraschende ist: Wirtschaftspolitik steht bei Wagenknecht vor allen anderen Themen. Der Begriff viel bereits nach wenigen Sekunden bei ihrem Auftritt in der Bundespressekonferenz am Montag, wo Wagenknecht ihre Pläne erstmals vorstellte: „Wir haben uns zur Gründung einer neuen Partei entschie­den, weil wir überzeugt sind, so wie es derzeit läuft, darf es nicht weiter­ge­hen. Das gilt vor allem auch für die Wirtschafts­po­li­tik.“ Der Wohlstand Deutsch­lands hänge maßgeb­lich von der Indus­trie ab. Eine „neue Wirtschafts­po­li­tik der Vernunft“ sei deshalb ihr erstes wichti­ges Ziel.

Die Ex-Linke stellt ihr „Bündnis Sahra Wagen­knecht – für Vernunft und Gerech­tig­keit“ also in den Dienst des Mittelstandes. Einer ihrer wesentlichen Mitstreiter ist der Karls­ru­her Unter­neh­mer Ralph Suikat. Immer wieder beton­te Wagenknecht, dass sie vor allem den „innova­ti­ven Mittel­stand“ stärken wollten. Die Politik sowohl in Deutsch­land als auch in der EU-Kommis­si­on in Brüssel sei „von Konzer­nen beein­flusst und gekauft“, hieß es, die Kartell­be­hör­den stell­ten der Markt­macht von Unter­neh­men wie Blackrock, Amazon oder Microsoft zu wenig entge­gen.

Das Umgarnen des Mittelstandes zeigte sich auch darin,, dass der Begriff Vermö­gen­steu­er im Gründungs­ma­ni­fest nicht vorkommt. Also doch keine höhere Besteue­rung von Vermö­gen und Erbschaf­ten? Das hatte Wagenknecht immer wieder gefordert. Nun laviert sie bei Nachfrage herum: „Es geht nicht um eine Vermö­gen­steu­er, die den Mittel­stand belas­tet, sondern um dieje­ni­gen, die Hunder­te Millio­nen besit­zen oder sogar Milli­ar­den“, sagte sie. Durch Erbschaften reich zu werden, passe nicht in ihre Definition einer Leistungsgesellschaft.

Das klingt krude, ist aber nur ein erstes warnendes Indiz für unternehmerisch denkende Menschen, Wagenknecht zu wählen oder sie zu unterstützen. Wer sich mit ihrer Partei anfreunden will, sollte nicht vergessen, wofür Wagenknecht im Kern steht: Abkehr vom Westen, Nein zur Nato, Umverteilung – das kann kein Wirtschaftsakteur ernsthaft wollen. Sozialismus scheitert im Realen, das sollte sich herumgesprochen haben.

Vor gar nicht langer Zeit hat Wagenknecht ein Buch geschrieben, dass beinahe von einer sehr liberalen Jury zum deutschen Wirtschaftsbuch des Jahres gekürt worden wäre. Es standen viele kluge Sätze darin. Aber dann kommen diese Momente, diese anderen Ideen, Sätze und Vorhaben, da bekommt jeder Angst, der Menschen einen Job gibt und um das Wohl des Standortes bemüht ist. Links wie rechts, genial wie gefährlich – was der Mittelstand jetzt braucht, ist der durchdachte Mittelweg, Ausgewogenheit, multiple Denkweisen, Offenheit. Dafür steht das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht.

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