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Debatte > Aktien-Mythen

Wie erfolgreich Familienunternehmen an der Börse wirklich sind

Familienunternehmen gelten an der Börse oft als erfolgreicher als andere Firmen. Welche werden ihrem Ruf gerecht?

Die Macht des Clans: wird das richtige Händchen für börsennotierte Firmen nachgesagt.Bildquelle: © picture alliance / PictureLux/Claire Folger | Claire Folger

Wikipedia nennt die Wirbelsäule, auch Rückgrat genannt, das „zentrale tragende Konstruktionselement der Wirbeltiere“. In der Welt des Geldes gelten Familienunternehmen als Rückgrat der Volkswirtschaft. Mit ihnen verbindet man Tradition, Know-how – über Generationen hinweg – und dauerhaft engagierte Unternehmer. Deutschland stellt hinter den USA die meisten Topfamilienunternehmen der Welt. Einige von ihnen sind an der Börse notiert. Sind sie besser als Konzerne?

Die weltweit größten Familienunternehmen erwirtschaften zusammen 7,12 Billionen Euro und beschäftigen rund 24,5 Millionen Mitarbeitende. Eine börsennotierte Firma gilt als Familienunternehmen, wenn die Familie des Unternehmensgründers mindestens 25 Prozent der Stimmrechte hält und/oder ein Mitglied der Gründerfamilie im Vorstand oder Aufsichtsrat vertreten ist. So erklärt es die Stiftung Familienunternehmen.

Wie erfolgreich deutsche Familienunternehmen an der Börse sind, zeigt ein Blick auf den Daxplus Family 30. Der Index umfasst die 30 größten deutschen und internationalen Unternehmen aus dem Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse, bei denen die Gründerfamilie die Voraussetzungen erfüllt. Es zeigt sich: Zumindest auf längere Sicht liefen die Aktien der Familienunternehmen besser. In den vergangenen zehn Jahren legte der Dax um 96 Prozent zu, der Daxplus Family 30 schaffte 106 Prozent, deutlich besser also als Deutschlands wichtigster Index, der Deutsche Aktienindex (Dax), in dem die 40 größten börsennotierten Unternehmen enthalten sind. Wer sich allerdings nur die vergangenen fünf Jahre anschaut, stellt fest: Der Daxplus Family 30 Index verliert den Vergleich deutlich. In dieser Zeit hat der Dax mehr als 28 Prozent zugelegt, der Family Index hingegen fast fünf Prozent verloren. Woran liegt das? Und wie geht es weiter?

Corona-Pandemie, hohe Energiepreise, Lieferkettenprobleme, hohe Inflation – die Liste der Probleme ist lang, besonders für mittelständische Unternehmen, zu denen viele der Familienfirmen zählen. Je nach Definition werden bis zu 99 Prozent der Firmen in Deutschland dem Mittelstand zugerechnet, sie beschäftigen mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer im Land und erwirtschaften rund ein Drittel des Umsatzes aller Firmen. Und sie sind in der Regel vergleichsweise klein.

„Theoretisch sollten die Aktien kleinerer und mittelgroßer Unternehmen auf lange Frist besser abschneiden als Großunternehmen“, sagt Ulrich Stephan, Chefanlagestratege der Deutschen Bank. Dies sei mit der höheren Risikoprämie zu erklären, die Investoren für stark spezialisierte kleinere Unternehmen fordern. Läuft das Geschäft dann über die Zeit gut, profitieren die Investoren stärker. „Im Negativfall ist jedoch mit höheren Verlusten zu rechnen.“

Gerade kleinere Firmen leiden

Und gerade die Aktienkurse kleinerer Unternehmen leiden besonders unter den Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank und der unsicheren konjunkturellen Lage. So sieht es Alexander Krämer, Asset-Allocation-Experte bei der Commerzbank. Der SDax – Index der 70 kleineren Unternehmen – hat in den vergangenen fünf Jahren zwar um 13 Prozent zugelegt, hängt aber hinter dem Dax her.

In Krisen und schweren Rezessionen konzentrieren sich die Wirtschaftspolitiker meist zuerst auf die Großunternehmen. Das immer gleiche Argument für milliardenschwere Stützungsprogramme: „Too big to fail“ – zu groß, um scheitern zu dürfen. Bis im Mittelstand etwas ankommt, dauert es. Und Großkonzerne, meistens im Dax gelistet, konnten – trotz Multikrisen – in den vergangenen Jahren überraschend gute Bilanzen vorlegen. Beispielsweise haben die deutschen Autohersteller im vergangenen Jahr Milliardenprofite erwirtschaftet. Auch der Gasespezialist Linde, der Chemikalienhändler Brenntag und die Deutsche Telekom verdienten prächtig.

Zudem treffen die Krisen kleine und mittelgroße Unternehmen stärker. Diese Firmen seien hochspezialisierte Weltmarktführer, gleichzeitig gebe es „einseitige Abhängigkeiten“, sagt Stephan von der Deutschen Bank. Ein „hoher Grad an Diversifikation der Lieferketten, Energiequellen und Absatzmärkte“ sei aufgrund der Unternehmensgröße nicht möglich beziehungsweise nicht effizient. „Störungen der Produktion und der Absatzmärkte können daher zu größeren Problemen führen.“

Das alles erklärt aber nicht, warum der Daxplus Family 30 Index in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich zum Dax und auch zum SDax verlor. Commerzbank-Experte Krämer nennt einen eher technischen Faktor – die Zusammensetzung des Index: „Hier fällt auf, dass die Branchengewichtung stark von der des Dax abweicht. Beispielsweise setzt der Family Index viel stärker auf den Gesundheitssektor, im Gegenzug weniger auf Technologiewerte und fast gar nicht auf Banken und Versicherer“, sagt er. Wenn wichtige „Treiber aus den letzten Jahren wegfallen, leidet die Performance“.

Krämer sieht keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der schlechten Kursentwicklung des Family Index und der Tatsache, dass die im Index vertretenen Unternehmen familiengeführt sind. Er empfiehlt: „Anleger sollten auch nach Sektoren und Regionen diversifizieren, nicht ausschließlich danach, ob das Unternehmen familiengeführt ist oder in einer anderen Struktur steckt.“ Wer so vorgehe, laufe Gefahr, sich ein Klumpenrisiko ins Depot zu holen. Statt blind in einen Index zu investieren, dessen Zusammensetzung und Branchengewichtung bei einigen Finanzexperten auf Kritik stößt, lohnt es sich, einen Blick auf die Topperformer im Family Index zu werfen. Welche haben sich, entgegen dem indexspezifischen Trend der vergangenen fünf Jahre, besonders gut entwickelt? 

Die Energievolle: Verbio Vereinigte BioEnergie 

Die Verbio-Aktie belegt den ersten Platz im Daxplus Family 30 Index, wenn man die Kursentwicklung der vergangenen fünf Jahre betrachtet: ein beachtliches Plus von mehr als 600 Prozent. Zeitweise war der Anstieg sogar noch deutlich höher. Bis zum Allzeithoch im April 2022 bei 88,10 Euro betrug der Gewinn mehr als 1400 Prozent. Anleger interessieren sich für das Unternehmen, weil das Produkt zunehmend nachgefragt wird: Biokraftstoffe. Verbio zählt zu den führenden konzernunabhängigen Herstellern in Europa. Das Unternehmen mit Sitz in Sachsen-Anhalt produziert Biodiesel, Bioethanol und Biomethan im industriellen Maßstab.. Weltweit gibt es eine Reihe von Gesetzen, Vorschriften und Förderprogrammen, die perspektivisch zu einer steigenden Nachfrage nach alternativen Kraftstoffen führen dürften.  

Der Strahlemann: Eckert & Ziegler Strahlen- und Medizintechnik

Das im SDax und TecDax geführte Unternehmen ist einer der größten Anbieter von radioaktiven Komponenten für medizinische, wissenschaftliche und messtechnische Anwendungen der Welt. Die Berliner liefern und recyceln die dafür nötigen ionisierenden Strahlenquellen (Isotope). Mit einem Umsatzanteil von rund 60 Prozent ist das Isotopengeschäft die größte Einnahmequelle. Zweites Standbein: Produkte und Dienstleistungen für medizinische Anwendungen, etwa kleine Implantate, sogenannte Seeds, sowie Therapiegeräte für die Krebsbehandlung. Die Berliner positionieren sich in einer aussichtsreichen Nische des Pharmamarktes. Das führte zu einem starken Kursanstieg mit einer Vervierfachung von 2018 bis zum Allzeithoch im September 2021; gleichzeitig sahen Anleger eine große Überbewertung. Inzwischen ist der Kurs gefallen, die Bewertung hat sich normalisiert.

Die Elektrisierte: SMA Solar Technology 

Die Aktie des SDax- und TecDax-Wertes SMA Solar Technology war 2022 der stärkste Wert im Daxplus Family 30 Index und belegt im Jahresverlauf 2023 den zweiten Platz. Im Juli markierte die Aktie sogar ein Allzeithoch und übertraf damit den Höchststand aus dem Januar 2010. Der Spezialist für Photovoltaik- und Speichersystemtechnik (unter anderem Solar- und Batterie-Wechselrichter, Speichersysteme, Ladelösungen für E-Autos) profitiert vom positiven Marktumfeld. SMA Solar Technology aus Niestetal in Hessen wird durch die politisch getriebene schnellere Energiewende in Deutschland und Europa begünstigt. Potenzial ist auch weiterhin da. 

Wie geht es weiter? Der Family Index zeichnet ein gemischtes Bild. Einige Familienunternehmen laufen überdurchschnittlich gut an der Börse, andere haben in den vergangenen Jahren stark verloren. Die Gründe dafür sind vielfältig. Andreas Lesniewicz, Portfoliomanager bei Conren Fonds und Experte für Familienunternehmen, meint, dass Familien „kurz- oder mittelfristig tatsächlich einen negativen Einfluss haben“ können, denn sie „denken langfristig“. Der Markt denke aber kurzfristig, von Quartal zu Quartal. Börsennotierte Familienunternehmen eignen sich demnach vor allem bei einer langfristigen Investmentstrategie. „Sieben Jahre plus sollte man schon mitbringen“, sagt Lesniewicz. Außerdem sollten Anleger nicht nur auf deutsche Unternehmen blicken. Man verpasse Chancen, beispielsweise LVMH aus Frankreich oder Hidden ­Champions aus der Schweiz.

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