Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Energie & Rohstoffe > Interview mit Marius Baader

„Wir können keinen Deutschlandzuschlag durchsetzen“

Marius Baader leitet den Branchenverband Alu. Die Aluminiumindustrie leidet wie kaum eine zweite unter den Energiekosten in Deutschland. Baader klagt also, aber er zeigt auch, wie Not erfinderisch macht: Die Branche kooperiert stärker und setzt auf High Tech.

Marius Baader, Geschäftsführer des Branchenverband Alu Deutschland.

Herr Baader, Sie sind der Geschäftsführer des Branchenverband Alu Deutschland. Wie gehen die mehr rund 240 mittelständischen Betriebe mit dieser Perspektive um? 

Wir wissen, wir sind noch mittendrin in der Krise. Uns hilft es auch nicht, dass Aluminium in einer Kreislaufwirtschaft als Werkstoff der Zukunft gilt. Aber wir sehen familiengeführte Firmen, die die Unternehmensstrategien ändern und ihre Wertschöpfungskette vergrößern. 

Was machen die konkret? 

Beispielsweise liefert ein Hersteller jetzt nicht mehr nur stranggepresste Profile aus Aluminium zur Weiterverwertung an seine Kunden, sondern produziert einbaufertige Teile direkt für die Autohersteller. Damit erhöht er nicht nur seine Marge, sondern auch die Chancen auf größere Aufträge.

Führt die Multi-Krise zu neuen Partnerschaften unter Konkurrenten?

Kooperationen sind jetzt unersetzlich, um früher als bisher zu neuen Anwendungen zu kommen. Viele KMUs sind heute offener für Entwicklungspartnerschaften als noch vor zehn Jahren. Unternehmen, die sich jetzt mit Innovationen in Anwendungsbereiche einbringen können, werden stärker aus der Krise kommen. 

Wie sieht die Kooperation konkret aus?

In unserer Branche gibt es ein großes Potenzial für gemeinsame, vorwettbewerbliche Forschung. Dabei geht es etwa um neue Legierungen und Prozesse, aber eben nicht um konkrete Produkte.

Sind die Alu-Produzenten nah genug an ihren Kunden?

Ganz sicher näher als früher, denn es ist extrem wichtig, von neuen Entwicklungen nicht überrascht zu werden. Sonst können sie nicht mehr schnell genug reagieren. Das Thema Nachhaltigkeit ist ein gutes Beispiel. Betriebe, die mit ihren Lieferanten und Kunden längst in engem Austausch standen, wurden nicht davon überrascht, als der komplette CO2-Fußabdruck eines Bauteils plötzlich wichtig wurde. Unternehmen, die innerhalb der Branche und darüber hinaus den Austausch und Dialogformate suchen, sind resilienter. 

Können die deutschen Alu-Produzenten im internationalen Wettbewerb noch bestehen?

Der Gegenwind kommt vor allem im Commodity-Bereich und nicht mehr nur aus China, sondern auch aus der Türkei. Das Land bekommt günstiges Aluminium aus Russland. Da können wir realistisch nicht gegen halten. Unsere Zielgruppe sind vor allem High-End Kunden. Dort sind wir mit unseren technologischen Kompetenzen international wettbewerbsfähig.

Alles hängt an den Ingenieuren?

Unsere starke Marktposition verdanken wir den sehr vielen, sehr guten Ingenieuren mit ihrem enormen Detailwissen und ihrer Prozesserfahrung.

Die Bundesregierung debattiert noch immer über den Industriestrompreis. Vier Cent stehen im Raum. Wie würde das der Aluminium-Wirtschaft helfen?

Hilfe ist womöglich nicht das richtige Wort. Er ist für uns existenziell und vier Cent sind nur ein Anfang, um in Deutschland überleben zu können. Ein Cent mehr bedeutet schon 150 Euro mehr Herstellungskosten pro Tonne. Wir können aber keinen „Deutschlandzuschlag“ bei unseren Kunden durchsetzen. Wenn kein vernünftiger Industriestrompreis kommt, ist es für die Hütten in Deutschland nahezu unmöglich, weiter zu existieren. Das heißt, wir verlieren Kompetenzen und wesentliche Teile der industriellen Wertschöpfung in Deutschland. Das ist umso unverständlicher, weil die EU-Kommission in Brüssel gleichzeitig die Circular Economy, Photovoltaik und neue Batterietechnik forcieren will. Das geht nur mit dem Leichtmetall Aluminium.

Das Gespräch führte Anke Henrich.
 

Ähnliche Artikel