Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Personal > Maßnahmen gegen Personalmangel

Was Betriebe gegen Unzufriedenheit ihrer Mitarbeiter tun können

Viele Deutsche wollen den Job wechseln. Gleichzeitig suchen Firmen so viel ­Personal wie nie. Doch beide Seiten finden nicht gut zusammen.

Der Drang zu wechseln: Viele sind mit ihrem Arbeitsumfeld unzufrieden, manche suchen neue Herausforderungen. Bildquelle: © Sergey Nivens/Shutterstock.com

Die meisten Deutschen sind wie Aschenputtel. Nur dass sie nicht im falschen Kleid stecken, sondern im falschen Job. Vier von zehn Beschäftigten denken mehrmals im Monat an einen Jobwechsel, wie eine Umfrage der Karriereplattform Stepstone ergab. Nur 25 Prozent hängen am Arbeitgeber. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Arbeitsmarktforscher von Gallup: 60 Prozent haben demnach innerlich gekündigt. Dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der Jobzufriedenheit ziemlich schlecht dasteht, ist grundsätzlich nicht neu. Aber das Ausmaß nimmt zu. Und das hat Folgen, denn der Arbeitsmarkt wandelt sich fundamental.

Viele Arbeitgeber haben die Unlust der Arbeitnehmer lange ignoriert, denn die Deutschen blieben überdurchschnittlich lange treu. Das ändert sich gerade. „Ich sehe eher eine hohe Wechselbereitschaft“, sagt Silke Masurat, Gründerin und Geschäftsführerin des Zentrums für Arbeitgeberattraktivität in Konstanz, das den Wandel zusammen mit der Universität St. Gallen intensiv erforscht.

Weil es sich kaum ein Unternehmen leisten kann, gute Leute zu verlieren, nehmen immer mehr Betriebe deren Befindlichkeiten inzwischen sehr ernst. Die emotionale Bindung zum Arbeitgeber ist der Stepstone-Studie zufolge bei jungen Menschen geringer als bei älteren. Auch bei der Frage danach, ob sie Spaß am Job haben, zeigt sich: Bei der jüngeren Generation ist das deutlich weniger ausgeprägt als bei der älteren. Das Geschlecht spielt dabei keine Rolle. In Deutschland fühlen sich die Beschäftigten tendenziell bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen wohler, anders als in Großbritannien und den USA – Länder, die Stepstone auch untersucht hat. Dort fühlen sich die Mitarbeiter in Konzernen wohler.

Volkswirtschaftlich betrachtet ist die mangelnde Motivation so vieler Menschen gerade angesichts des Personalmangels dramatisch: „In Zeiten der Arbeiterlosigkeit brauchen wir jede einzelne Arbeitskraft, um produktiv zu bleiben und das Wirtschaftswachstum zu sichern. Deswegen sind Unternehmen mehr denn je auf motivierte und engagierte Mitarbeiter angewiesen“, sagt Tobias Zimmermann, Arbeitsmarktexperte von Stepstone.

Neue Anreize nötig

Doch die Firmenkultur zu schärfen, dauert lang. Und allen recht machen kann man es ohnehin nicht. Auch das Verhalten der Führungskräfte zu ändern – was ein großer Hebel ist – dauert. Mit einfachen Mitteln besser werden können Arbeitgeber aber bei einem weiteren wichtigen Element, das Menschen motiviert: jede und jeden besser zu machen, weiterzubilden, und ihnen Tätigkeiten zu geben, die zu ihnen passen und sie angemessen fordern. „Menschen gehen in ihrem Job auf, wenn sie mit ihren Stärken und Kenntnissen einen Mehrwert schaffen können“, fasst Zimmermann die Befragungsergebnisse zusammen. Doch dem ist oft nicht so, was schon bei der Suche nach Personal beginnt. Unternehmen, Stellen und Arbeitssuchende sollten besser aufeinander abgestimmt sein.

„Künstliche Intelligenz wird hier in Zukunft völlig neue Möglichkeiten bieten“, glaubt Zimmermann.
Gebraucht werden gute Leute überall. Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass die Rezession in Deutschland hier kaum eine Rolle spielt. Bei den 100 größten mittelständischen Betrieben sind der Job-Plattform Indeed zufolge 12.884 Positionen zu besetzen, fast genauso viele wie zu Jahresbeginn. Mit Blick auf das im August startende Ausbildungsjahr sagt Annina Hering, Ökonomin im Indeed Hiring Lab: „Die Nachfrage nach jungen Talenten ist nur wenige Zeit vor Ausbildungsstart ungebrochen. Der Mittelstand muss neue Anreize setzen, wie etwa flexible Arbeitsmodelle, um junge Arbeitskräfte von sich zu überzeugen.“ Denn wenn es so viele Menschen gibt, die wechseln wollen – und so viele Unternehmen, die so lange erfolglos suchen, scheint so einiges nicht zu passen.

Bei der Ausschreibung von Stellen hakt es oft daran, dass Unternehmen weit weniger Informationen bereitstellen, als möglich und angebracht wäre. Es mangelt an offener Kommunikation. Vielen Betrieben ist gar nicht klar, was sie für Bewerber zu einem attraktiven Arbeitgeber macht. Wichtig ist zu wissen, welche Faktoren bei der Bewerbung für einen Job besonders ankommen: Das Gehalt ist mit Abstand vorne, um zum Arbeitgeberwechsel zu motivieren. Entsprechend sollten Arbeitgeber hier deutlich transparenter kommunizieren, als sie es derzeit tun. Dann sind Bewerberinnen und Bewerbern kurze Pendelwege und flexible Arbeitszeiten wichtig.

Dass die Aufgaben sinnvoll sein sollen und die Kultur zu einem passt, ist für bei einem Wechsel wichtiger als die Karrieremöglichkeiten oder dass die Zahl der Überstunden möglichst gering ist. „Wir raten Unternehmen, alle Benefits und Rahmenbedingungen so ausführlich wie möglich zu beschreiben, damit die Jobsuchenden von Anfang an alle Informationen haben, die sie benötigen – dazu gehören beispielsweise auch Gehaltsangaben in Stellenanzeigen“, sagt Experte Zimmermann von Stepstone.

Wenn es so schwierig ist, extern an gute Leute zu kommen, warum schauen sich Unternehmen dann nicht viel stärker im eigenen Unternehmen um? „Das ist gelernte Sozialisation. Wenn Führungskräfte Bedarf haben, ist es natürlich der einfachste Weg zu sagen: Liebe Personalabteilung, ich benötige einen neuen Mitarbeiter mit den Qualifikationen ABC“, sagt Georg Scheiber, Managing Consultant & Partner bei der Unternehmensberatung Rundstedt. „Aus Sicht der Führungskraft ist es oft herausfordernder, sich tatsächlich mit den eigenen Mitarbeitern zu beschäftigen, mit den Potenzialen und den Auslastungen.“

Die zentrale Frage lautet: Welcher Mitarbeiter bringt welche Qualifikation tatsächlich mit, und zwar auch außerhalb der Stelle, für die man den Menschen eingestellt hat? „Da ist man noch sehr mit Scheuklappen unterwegs“, sagt Scheiber: „Man stellt einen Mitarbeiter für eine Stelle ein, beschäftigt sich aber, wenn überhaupt, ausschließlich mit den Fähigkeiten, die er für diese Stelle mitbringt. Und für alles andere ist man blind.“ Für den Berater ist es nichts Außergewöhnliches, wenn Personalverantwortliche schildern, dass sie jetzt damit angefangen haben, auf Basis der Papierpersonalakten herauszufinden, welche Mitarbeiter denn welche Ausbildung und welche Qualifikation haben. Diesen Aufwand hat man lange gescheut. Entsprechend fehlt die Transparenz im Unternehmen.

Personaler gesucht

Die, die all das hinbekommen, sind rar. Anders formuliert: Die, die suchen sollen, werden auch dringend gesucht: gute Personaler. Nach einer Analyse der Personal- und Managementberatung Kienbaum gehört diese Berufsgruppe zu den Top drei in den am meisten geschalteten Stellenanzeigen – sowohl Recruiter, Personalreferenten als auch strategische HR-Partner. Sie können zwei bis fünf Prozent mehr Gehalt aufrufen als vergleichbare Posten in anderen Abteilungen, HR-Chefs – und vor allem Chefinnen – sogar bis zu 20 Prozent mehr.

„Neben dem Geld lockt Führungskräfte vor allem Wertschätzung und Verankerung von HR-Anforderungen in der Unternehmensstrategie, Ressourcenausstattung sowie Investitionen in Digitalisierung und Technologie“, sagt Frank Stein, der bei Kienbaum Personalabteilungen berät. „Sie stellen sich Fragen wie: Lassen sich hier Personal entwickeln und moderne Strukturen legen, wird Wert generiert?“

Dass Investitionen in gute Personaler lohnen, steht für Stein außer Frage. Was sich ebenfalls rechnet, sind Investitionen in Technologie, die die Arbeit der Personaler unterstützt. Das beginnt bei Standards: Die meisten Beschäftigten haben Kontakt mit dem sogenannten People-Service – Urlaubstage eintragen, Spesen abrechnen und Ähnliches. Wenn Mitarbeiter hier keine einfachen, schnellen Möglichkeiten haben, die intuitiv zu bedienen sind, wie sie das von anderen Apps kennen, spricht das nicht für den Arbeitgeber.

Aber Technologie im Unternehmen geht noch viel weiter: Künstliche Intelligenz (KI) kann bei der Vorauswahl im Recruiting-Prozess helfen. Und auch, um Talente zu erkennen sowie Fähigkeiten der bestehenden Belegschaft aufzuzeigen. Manche Firmen setzen auf moderne Software, aber längst nicht alle. Oder, wie es Experte Stein formuliert: „Zeitgemäße IT-Lösungen und digitale Skill-Profile sind bei noch längst nicht allen Personalabteilungen profunde ausgeprägt.“

Immerhin setzen fast alle auf dem Arbeitsmarkt auf KI. Sie hilft zum Beispiel dabei, besser zu vorherzusagen, welche Jobsuchenden und Unternehmen zueinander passen und diese zu verknüpfen. Job-Plattformen analysieren dafür täglich Millionen von Daten. Die KI weiß dann auch, wie bestimmte Stellenanzeigen formuliert werden müssen, um möglichst passende Bewerbende anzusprechen.

Unternehmen werden in Zukunft Stellenbeschreibungen sehr viel schneller und automatisierter umsetzen können. Bewerber bekommen quasi einen persönlichen KI gesteuerten Bewerbungsassistenten zum Beispiel über den Kurznachrichtendienst WhatsApp. Generative KI wie ChatGPT, die gezielt auf Fragen antworten kann, kommt noch hinzu. Und zweifellos wird Technologie den Umstand abmildern, dass jede zweite Bewerberin, jeder zweite Bewerber keine adäquate Antwort auf die Bewerbung bekommt.

All das macht Hoffnung, dass Unternehmen schneller fündig werden – intern oder extern. Und dass die Beschäftigten Jobs haben, die ihren Fähigkeiten möglichst optimal entsprechen. Tätigkeiten, die sie mögen, sodass sie sich im Beruf wieder wohler fühlen und nicht so oft über einen Wechsel nachdenken müssen. Und wenn Führungskräfte dann auch noch dafür sorgen, dass sich die Leute als Teil einer Mission sehen, werden die Beschäftigten vielleicht nicht wie Aschenputtel zur Prinzessin (oder zum Prinzen). Aber vielleicht teilen sie die Haltung des einstigen Hausmeisters der US-Raumfahrtbehörde Nasa: Als der vom US-Präsidenten gefragt wurde, was er mache, lautete seine Antwort: Ich helfe, eine Rakete zum Mond zu bringen.

Ähnliche Artikel