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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Beruflich bedingte Bahnreisezeit ist auch bei freier Gestaltung Arbeitszeit

Sind Bahnfahrten Arbeitszeit? Das Verwaltungsgericht Lüneburg entschied im Falle eines Speditionsfahrers, dass Reisezeiten mit der Bahn als Arbeitszeit gelten, auch wenn der Fahrer die Zeit frei gestalten kann.

Geschäftsmann im Zug
Reisezeiten mit der Bahn sind Arbeitszeit. Bild: Shutterstock

Schickt das Unternehmen seine Beschäftigten auf Reisen, können damit einige Stunden Bahnfahrt verbunden sein. Zählt diese Zeit auch dann als Arbeitszeit, wenn die Beschäftigten frei darüber entscheiden können, wie sie die Bahnfahrt gestalten? Die Frage lag unlängst dem Verwaltungsgericht Lüneburg vor. Und das entschied: Reisezeiten mit der Bahn sind unter Umständen tatsächlich Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (Az. 3 A 146/22).

Darum ging es

Geklagt hatte ein Speditionsunternehmen, das darauf spezialisiert ist, neue und gebrauchte Nutzfahrzeuge zu überführen. Die Fahrer mussten dabei mit der Bahn oder dem Taxi zum jeweiligen Abholort des Fahrzeugs fahren, es dort übernehmen und es anschließend zum Zielort fahren. Vor dort reisten sie dann mit der Bahn zurück nach Hause.

Die Gewerbeaufsicht hatte einen Blick auf die erlaubten Höchstarbeitszeiten der Fahrer geworfen und dem Speditionsunternehmen aufgegeben, dass die Reisezeiten mit der Bahn als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu berücksichtigen seien. Der Spediteur sah dies anders. Die Fahrer seien während der Bahnfahrt in der Gestaltung ihrer Zeit völlig frei; die Bahnfahrt verlange ihnen damit nur ein „Freizeitopfer“ ab, sei aber keine Arbeitszeit.

So entschied das Gericht

Das Verwaltungsgericht Lüneburg stellte sich auf die Seite der Gewerbeaufsicht: Zwar gehe mit dem Bahnfahren nicht zwingend eine dem Gesundheitsschutz zuwiderlaufende Belastung einher; diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts maßgeblich für die Erfassung einer Tätigkeit als Arbeitszeit. Doch gemessen an den europarechtlichen Vorgaben aus der Arbeitszeit-Richtlinie sei allein entscheidend, ob der Arbeitnehmer in der fraglichen Zeit dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder Aufgaben wahrnehme.

Die Bahnreisezeit zähle damit im konkreten Fall als Arbeitszeit, weil die regelmäßig mehrstündige An- und Abreise mit der Bahn bereits Teil der Leistungserbringung sei. Zudem beschränke sie die Freiheit der Fahrer, über ihre Zeit selbst zu bestimmen.

Die Dauer der Bahnreisezeit hänge allein davon ab, an welchen Ort das Fahrzeug überführt werden müsse. Anders als bei der Anreise zu einer festen Betriebsstätte stehe sie somit nicht zur Disposition des Arbeitnehmers, sondern sei der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen. Die Folge: Die Bahnreisezeit ist Arbeitszeit.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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