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Recht und Steuern > Rechtstipp der Woche

Stolpersteine im Homeoffice – Update zur Versicherung von Arbeitsunfällen

Auch wer als Beschäftigter eines Unternehmens im Homeoffice arbeitet, ist seit einer Gesetzesänderung 2021 automatisch gesetzlich unfallversichert. Doch was genau gilt als Arbeitsunfall im Homeoffice? Ein Update.

Homeoffice
Auch wer im Homeoffice arbeitet, ist gesetzlich unfallversichert. Bild: picture alliance / Westend61 | Ok Shu

Die Beschäftigten eines Unternehmens sind automatisch gesetzlich unfallversichert – und zwar inzwischen nicht mehr nur im Betrieb selbst, sondern auch im Homeoffice. Was Unternehmen und Beschäftigte zum Arbeitsunfall im Homeoffice wissen sollten, erklärt Rechtsanwältin Franziska Wasem von der Kanzlei Kliemt.Arbeitsrecht.

Frau Wasem, was ist überhaupt ein Arbeitsunfall?

Als Arbeitsunfall gelten grundsätzlich alle Unfälle, die versicherte Beschäftigte infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden. Der klassische Fall ist der, dass sich jemand direkt bei der Arbeit verletzt. Zu denken ist beispielsweise an den Bauarbeiter, der vom Gerüst stürzt, oder auch die Servicekraft, die während ihrer Servicetätigkeit über ein Tischbein stolpert. Es kommt dabei heute nicht mehr darauf an, dass der Beschäftigte im Betrieb selbst einen Unfall erleidet.

Heißt also, einen Arbeitsunfall kann ich auch im Homeoffice erleiden?

Richtig. Nachdem – ausgelöst durch die Pandemie – immer mehr Beschäftigte ganz oder teilweise ins Homeoffice gewechselt sind, hat der Gesetzgeber 2021 reagiert und das Sozialgesetzbuch geändert, damit auch Beschäftigte im Homeoffice besser geschützt sind. Die betreffende Vorschrift (§ 8 Abs. 1 S. 3 SGB VII) lautet jetzt: „Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.“

Zu beachten ist, dass der Gesetzgeber von einer „Tätigkeit im Haushalt der Versicherten“ – gemeint ist Homeoffice oder Telearbeit– oder an einem anderen Ort, der „mobilen Arbeit“ spricht. Die Neuregelung zielt damit auf einen Gleichlauf des Versicherungsschutzes bei Wegen am Ort der Arbeitsstätte und Wegen im Homeoffice bzw. während der mobilen Arbeit. Der Unfallversicherungsschutz setzt jedoch eine Vereinbarung zum Homeoffice bzw. zur mobilen Arbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraus. Eine solche kann zwar auch mündlich getroffen werden, ratsam ist allerdings, diese schriftlich zu dokumentieren.

Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gilt auch für den Weg zur und von der Arbeitsstätte. Was gilt für den Weg an den häuslichen Arbeitsplatz?

Ereignet sich ein Unfall im Wohngebäude, besteht kein Schutz durch die Wegeunfallversicherung. Aber: (Mit-)Versichert sind sogenannte Betriebswege; das sind Wege die im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden und damit der betrieblichen Arbeit gleichstehen. Beispiel: Wenn ich morgens die Treppe zu meinem Arbeitszimmer hinabsteige, um dort mit meiner Arbeit zu beginnen, und dabei stürze, bin ich unfallversichert. Dies hatte das Bundessozialgericht schon 2021 entschieden (B 2 U 4/21 R) und ausgeführt, dass der (erstmalige, tägliche) Weg aus den Privaträumen in das häusliche Arbeitszimmer zum (alleinigen) Zweck der Arbeitsaufnahme einen (mit-)versicherten Betriebsweg darstelle.

Was als (mit-)versicherter Betriebsweg gilt, ist aber im Einzelfall gar nicht immer so leicht zu bestimmen. Deshalb landen solche Unfälle immer wieder auch vor Gericht. So hatte beispielsweise das Sozialgericht Schwerin (AZ: S 16 U 49/22) kürzlich über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Arbeitnehmerin im Homeoffice auf dem Weg vom Arbeitszimmer im Obergeschoss in den Wohnbereich im Untergeschoss gestürzt war. Sie hatte zuvor bereits digital ausgestempelt, ihren Rechner heruntergefahren und ihre Mappe für den nächsten Arbeitstag im Büro zusammengepackt. Deshalb verweigerte die Unfallversicherung zunächst die Zahlung.

Das Sozialgericht Schwerin hielt den Versicherungsschutz jedoch für gegeben. Es bezog sich dabei auf die ständige Rechtsprechung, nach der ein Rückweg in der Regel den Charakter des Hinweges teilt. Folglich liege sowohl beim erstmaligen Hinaufsteigen der Treppe zur Arbeitsaufnahme im Homeoffice als auch beim Hinabsteigen der Treppe nach der Beendigung der Tätigkeit ein versicherter Betriebsweg vor.

Der Versicherungsschutz gilt im Homeoffice somit nur für die Hin- und Rückwege an den Arbeitsplatz?

Nein, maßgeblich ist stets, ob der zurückgelegte Weg als Betriebsweg anzusehen ist. Beispiel: Drucke ich im häuslichen Arbeitszimmer betriebliche Dokumente aus und stürzte auf dem Weg vom Schreibtisch zum Drucker, bin ich versichert. Anders ist es in der Tat, wenn ich auf dem Weg zur Wohnungstür stolpere, um ein privates Päckchen vom Paketboten entgegenzunehmen oder wenn ich mir in der Mittagspause etwas zu essen mache und mir dabei in den Finger schneide. Diese Fälle sind dann nicht versichert, weil ich eben keine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausübe.

Was ist mit Wegen außerhalb des Homeoffice, wenn ich meine Kinder zur Kita oder zur Schule bringe?

Der Gesetzgeber hat den Unfallversicherungsschutz ausdrücklich auf den Weg zwischen dem Homeoffice und einer Kinderbetreuungsstätte ausgeweitet. Zur versicherten Tätigkeit zählt daher auch der direkte Hin- und Rückweg zur Kita oder Schule, vorausgesetzt allerdings, dass der Start- und Endpunkt der gemeinsame Haushalt ist.
 
Gelten für Homeoffice und mobile Arbeit beim Versicherungsschutz die gleichen Regeln?

Grundsätzlich ja. Auch wenn der Beschäftigte im Hotel, im Park oder im Café arbeitet, kann dabei ein Arbeitsunfall im Sinne des Gesetzes passieren. Hier ist dann aber der Nachweis der Ausübung der betrieblichen Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls häufig schwieriger.

Vorsicht ist auch mit Blick auf den Unfallversicherungsschutz auf dem Weg zwischen dem Ort der mobilen Arbeit und einer Kinderbetreuungsstätte geboten. Nach dem Gesetzeswortlaut liegt ein Unfallschutz in diesem Fall jedenfalls nicht vor. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung diese Fälle einordnet.

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