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Recht und Steuern > Urteil der Woche

Gekündigt und gleich krank – was das für die Gehaltsfortzahlung bedeuten kann

Wer sich mit der Kündigung exakt bis zum Ende der Kündigungsfrist krankschreiben lässt, riskiert die Zahlung seines Gehalts. Warum in so einem Fall der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sein kann.

Frau mit Erkältung
Bei Krankschreibung exakt bis zum letzten Arbeitstag – tatsächlich ein Krankheitsfall? Bild: Shutterstock

Der Job ist gekündigt, das Ende des Arbeitsverhältnisses absehbar. Bisweilen landet auf dem Tisch des Arbeitgebers dann eine Krankschreibung. Tatsächlich ein Krankheitsfall? Wird die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) unmittelbar nach der Kündigung eingereicht und bleibt der Beschäftigte aufgrund der Bescheinigung exakt bis zum letzten Tag der Arbeit fern, kann er unter Umständen keine Gehaltsfortzahlung beanspruchen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein sieht in solch einem Fall den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als erschüttert an (Urteil vom 2. Mai 2023 – 2 Sa 203/22). Das Gericht weist allerdings darauf hin: Es kommt auf die Gesamtbetrachtung aller Indizien an.
 
Krankschreibung exakt bis zum letzten Arbeitstag
 
Eine Pflegeassistentin hatte am 4. Mai 2022 mit Datum 5. Mai 2022 ein Kündigungsschreiben zum 15. Juni 2022 verfasst. Darin bat sie unter anderem um die Zusendung einer Kündigungsbestätigung und der Arbeitspapiere an ihre Wohnanschrift. Sie bedankte sich für die Zusammenarbeit und wünschte dem Unternehmen alles Gute. Ab dem 5. Mai 2022 kam sie nicht mehr zur Arbeit und reichte durchgehend bis zum 15. Juni 2022 – exakt für die sechs Wochen, in denen Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht – Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein. Die Arbeitgeberin zahlte kein Gehalt mehr. Die Pflegeassistentin klagte das ausgebliebene Gehalt ein.

Gericht sieht Beweiswert der AUB erschüttert
 
Vor dem Arbeitsgericht hatte die Zahlungsklage der Frau noch Erfolg. Das LAG indessen wies sie ab.
 
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen haben grundsätzlich einen hohen Beweiswert, bestätigt auch das LAG in der Pressemitteilung zu der Entscheidung. Der Arbeitgeber könne diesen Beweiswert nur dadurch erschüttern, dass er im Streitfall Tatsachen vorbringt, die beweisen, dass die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers berechtigt sind.
 
Zweifel am Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung kommen nach Ansicht des LAG nicht nur dann in Betracht, wenn sich ein Arbeitnehmer in Zusammenhang mit seiner Kündigung einmal zeitlich passgenau bis zum Ablauf der Kündigungsfrist krankschreiben lässt. Gleiches könne auch dann gelten, wenn die Krankschreibung aufgrund mehrerer AUB durchgehend bis zum Ende der Kündigungsfrist andauert, wenn diese punktgenau den maximalen Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen umfasst und sich zudem aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass der Verfasser von vornherein nicht mehr mit seiner Anwesenheit rechnet.

Im konkreten Fall gelangte das LAG in der Beweiswürdigung zu der Überzeugung, dass die klagende Pflegeassistentin ihrem Arzt Beschwerden vorgetragen habe, die tatsächlich nicht bestanden.
 
Die Revision wurde nicht zugelassen; die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
 
Bei seiner Entscheidung bezog sich das LAG Schleswig-Holstein auf ein früheres Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21). Der hatte bereits im September 2021 entschieden, dass eine AUB ihren Beweiswert verlieren kann, wenn die die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit exakt die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. Auch in dem damaligen Fall hatte der Arbeitgeber Zweifel, dass eine am Tag der Kündigung ausgestellte AUB, die exakt die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung abdecke, korrekt war. Weil der Arbeitsnehmer diese Zweifel nicht begründet widerlegte, wies das BAG die Klage auf Gehaltsfortzahlung ab.

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