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Finanzierung > Kaufhauskönig in Not

Wie René Benko sein Reich retten will

Der österreichische Milliardär und Gründer der Signa Gruppe, zu der auch die Galeria Karstadt Kaufhof gehört, macht einen merkwürdigen Deal: Er verkauft eine ganze Möbelhauskette und fünf Tage später muss der Käufer Insolvenz anmelden. Was steckt hinter Benkos neustem Schachzug?

Rene Benko und seine Signa Gruppe stecken in Schwierigkeiten. Die aktuelle Volte weckt kein Vertrauen.

Galeria Karstadt Kaufhof, der geplante Elbtower in Hamburg, die Globus-Kette in der Schweiz, das Chrysler Building in New York, das KaDeWe in Berlin – kein Vorhaben ist bislang für den österreichischen Milliardär René Benko und seinen Immobilienkonzern Signa zu groß gewesen, um nicht doch irgendwie in den Konzern zu passen. Doch mit der Expansion ist es bis auf weiteres vorbei. Benko muss sparen, wenn er nicht selbst so unter die Räder kommen will, wie das einigen seiner Investitionen regelmäßig passiert. Die Zeichen, dass sein Konzern Signa in der Krise steckt, mehren sich.

Der Grund: Inzwischen sind die Zinsen in die Höhe geschossen, Finanzierungen werden teuer. Dazu kommt, dass selbst in den Top-Einkaufsmeilen, in denen Benkos Kaufhaus-Prachtstücke liegen, Kunden im Online-Zeitalter nicht mehr so zahlreich vorbeischlendern. Die Folge davon ist, dass aus dem Aufkäufer Benko ein Verkäufer geworden ist. Wichtige Investoren zweifeln inzwischen am Geschäftsmodell des Immobilienimperiums. Gelingt Benko der Strategiewechsel nicht, könnte Signa zum Auslöser einer Gewerbeimmobilienkrise werden, die zahlreiche Banken in Europa in Mitleidenschaft ziehen würde. So gehört beispielsweise die österreichische Raiffeisen-Gruppe zu den wichtigsten Geldgebern des Konzerns.

Wie eng es um die Finanzen der Signa-Gruppe bestellt ist, demonstriert in diesen Tagen ein spektakuläres Beispiel in Österreich: Die Möbelhauskette Kika/Leiner, die Nummer drei im Land und von Benko erst vor fünf Jahren erworben, wechselte am 31. Mai erneut den Besitzer. Die Möbelkette war, wie so oft in der Branche und wie etwa auch bei den deutschen Galeria-Standorten, in eine Immobilien- und eine operative Gesellschaft geteilt. Auffällig bei dem erneuten Deal: Der Käufer des operativen Teils, Hermann Wieser, meldete knapp eine Woche nach dem Kauf des Geschäftsteils von Benko für die Möbelgruppe Insolvenz an.

Wieso kauft jemand ein Pleiteobjekt? Beide Seiten hatten zuvor kein Hehl daraus gemacht, wie es um Kika/Leiner steht. Im Vertrag, den die Parteien geschlossen haben und aus dem der österreichische „Standard“ zitiert, steht: Die operativen Gesellschaften hätten „erheblichen Finanzierungs- und Restrukturierungsbedarf“, der Fortbestand sei von „derzeit noch nicht feststehenden Restrukturierungsmaßnahmen und insbesondere von der Zufuhr von Eigenkapital abhängig". Eigentlich ist das eine schlechte Phase für einen lukrativen Verkauf, doch Benko musste handeln, weil ihm ansonsten die Pleite der Kika/Leiner-Gruppe auf die eigenen Füße gefallen wäre – mit möglicherweise katastrophalen Folgen für die Signa-Gruppe.

Nach Auskunft mehrerer mit dem Vorgang vertrauter Personen haben Banken im Fall einer Insolvenz von Teilen der Signa-Gruppe inzwischen das Recht eine sogenannte „Default“-Klausel zu ziehen und ihre Kredite an die gesamte Unternehmensgruppe sofort fällig zu stellen. Signa wäre dadurch in ernste Schwierigkeiten geraten. Das hat Benko vermieden, in dem er die Insolvenz der Kika/Leiner-Gruppe praktisch ausgelagert hat.

Für die Immobilien erlöste Signa Presseberichte zufolge eine dreistellige Millionensumme. Nicht so für das operative Geschäft. Es war laut „Standard“ in drei Gesellschaften geteilt, für die der Käufer je nur einen Euro bezahlt hat. Der Kaufpreis - jene drei Euro - sollte „in bar gegen entsprechende Quittung des Verkäufers" geleistet werden. Offene Nachschuss- oder Zuschussverpflichtungen der bisherigen Gesellschafter bestehen nicht. Gewährleistung und Haftungen seitens des Verkäufers sind auf die Höhe des Kaufpreises beschränkt - also auf drei Euro. Signa ist damit sauber raus aus der Nummer, Kündigungen weiterer Kreditlinien drohen der Gesellschaft aktuell nicht mehr.

Benko hatte von Kika/Leiner im Jahr 2018 das operative Geschäft, das schon damals strauchelte, für einen Euro übernommen. Angeblich, so schreibt der „Standard“ hat Signa jetzt anlässlich des Closings zusätzlich noch 30 Millionen Euro an zugesagtem „Vermieterzuschuss" an den Käufer eingezahlt. Mit dem Vorgang vertraute Personen sprechen von einem „Bestatterzuschuss“. Kika/Leiner rechnet damit, dass 1900 Mitarbeiter im Zuge der Insolvenz gehen müssen. Signa lässt offizielle Anfragen zu den Details und Hintergründen des Deals unbeantwortet. Aus Unternehmenskreisen wird allerdings allgemein darauf verwiesen, dass die Immobilienbranche wegen des aktuellen Zinsumfelds in der Krise steckt. Signa räumt „schwierigste Markt- und Krisenbedingungen" für den Möbelhandel ein, bezeichnet den Kika /Leiner-Kauf und wieder Verkauf jedoch als „sehr gutes Investment".

Die Signa-Gruppe selbst ist ein verschachteltes Konstrukt. Sie besteht aus mehreren Unternehmen, die meist im Einzelhandel und im Immobiliengeschäft tätig sind. Jede Gesellschaft hat einen eigenen Aufsichtsrat, ein eigenes Management und einen eigenen Eigentümerkreis. Über den Firmen agiert als Klammer die Signa Holding. Sie ist eine reine Beteiligungsgesellschaft und hat keine operative Funktion.

An ihr hält die Privatstiftung der Familie Benko eine knappe Mehrheit. Der 46-jährige René Benko ist Vorsitzender des Beirats, zu dem auch prominente Persönlichkeiten wie der ehemalige österreichische SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, der Verwaltungsratspräsident des Schweizer Schokoladen-Herstellers Lindt & Sprüngli Ernst Thanner und die deutsche Unternehmensberater-Legende Roland Berger zählen.

Mit Fressnapf-Gründer Torsten Toeller und Klaus-Michael Kühne hat die Signa zudem illustre Investoren aus Deutschland an Bord. Kühne zählt mit einer Mehrheitsbeteiligung am Logistikunternehmen Kühne + Nagel sowie einem 17,5-Prozent-Anteil an der Lufthansa und seinem Anteil an der Reederei Hapag Lloyd zum Kreis der reichsten Deutschen, sein Privatvermögen wird auf 40 Milliarden Euro taxiert. An der Signa Prime Selection Holding hält der deutsche Milliardär einen Anteil von knapp neun Prozent, der ihm aber offenbar nicht mehr so viel Freude bereitet. Dem „Manager Magazin“ gestand der 86jährige kürzlich: „Dass die besten Signa-Zeiten vorbei sind, liegt in der Natur der Sache; der Immobilienboom ist ausgelaufen, und die Finanzierungskosten sind stark angestiegen.“

Dafür, wie es wirklich um die Signa-Gruppe bestellt ist, interessieren sich nach Informationen aus Frankfurter Finanzkreisen inzwischen auch die Bankenaufseher in mehreren europäischen Ländern sowie der Europäischen Zentralbank. Sie befürchten eine Kettenreaktion, die auf die finanzierenden Banken durchschlagen könnte, falls die Signa-Gruppe ernsthaft ins Straucheln gerät. Es geht um Einzelheiten zu Krediten und deren genaue Besicherung. Auslöser für das besondere Augenmerk, dass die Bankenkontrolleure auf Signa legen, ist die einsetzende Krise am Immobilienmarkt, vor der beispielsweise die Bundesbank seit Monaten warnt. Sie hält die Preise am Immobilienmarkt, wie aus ihrem Monatsbericht vom Februar dieses Jahres hervorgeht, für bis zu 40 Prozent zu hoch. Zusammengenommen mit dem Zinsanstieg wächst damit das Risiko, das Banken droht, wenn Immobilienfinanzierungen platzen, weil sich die Schuldner keine Anschlussfinanzierungen leisten können.

Dieses Umfeld macht inzwischen vielen Immobilienunternehmen zu schaffen. Die börsennotierten unter ihnen wie Vonovia, TAG und LEG leiden unter massiven Kursverlusten von jeweils mehr als 60 Prozent in den vergangenen anderthalb Jahren. Die von Rene Benkos Signa Development Selection AG ausgegebenen Anleihen stiegen allerdings nach Bekanntwerden des Kika/Leiner-Geschäfts. Im vergangenen Monat waren sie angesichts des weltweiten Gegenwinds für gewerbliche Immobilienentwickler von über 60 auf bis zu 48 Cent eingebrochen.

Anleger sind dennoch generell skeptisch gegenüber Immobilienunternehmen, die Bankenkontrolleure sind es auch. Da passt es ins Bild, dass die Bundesbank jüngst einen Deal mit dem Benko-Unternehmen in Stuttgart platzen ließ. Dort wollte sie ursprünglich ihre neue Landeszentrale für Baden-Württemberg in einen von Signa geplanten Neubau verlegen. Der Bankvorstand beschloss jedoch im März, die Verhandlungen mit Signa zur Anmietung des Neubauprojekts zu beenden. Der Bedarf an Bürofläche habe sich im Zuge der Pandemie verringert, mobiles Arbeiten gehöre zur neuen Normalität, heißt es offiziell zur Begründung. An dem Neubau für die Bundesbank wollte sich auch der Hausinvest-Fonds der Commerz Real, eine Tochter der Commerzbank beteiligen. Auch sie zog sich zurück.

Bei anderen Verkaufs-Projekten hatte Benko mehr Glück. Im Frühjahr war bekannt geworden, dass Signa einen Anteil von 49,9 Prozent an der Immobilie des Luxuskaufhauses KaDeWe in Berlin veräußert hatte. Im Mai stieß Benko zudem ein Geschäftshaus an der Kärntner Straße in Wien ab, in dem Apple der wichtigste Mieter ist.

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