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Vergütung > Gehälter von Geschäftsführern

Die Chefs halten sich zurück

Eine exklusive Studie der Gehälter von GmbH-Geschäftsführern zeigt eine auffällige Bescheidenheit. Zudem sollten sich Chefinnen und Chefs auf neue Kriterien einstellen, nach denen ihr flexibler Anteil bemessen wird.

Im Verhältnis zur allgemeinen Gehaltsanpassung halten sich Geschäftsführende eher zurück. ©Shutterstock

Einer der bekanntesten Journalistensprüche lautet: „Manchmal ist keine Nachricht auch eine Nachricht.“ Wenn es keine Veränderung gibt, kann das etwas Besonderes sein – so wie bei der Studie über die Gehälter der GmbH-Geschäftsführer der Personal- und Managementberatung Kienbaum, die Markt und Mittelstand exklusiv vorliegt. Die Daten aus 3600 Firmen belegen, dass sich im Hinblick auf die Vergütung ihrer Geschäftsführer von 2022 auf 2023 kaum etwas getan hat. Das Plus lag mit durchschnittlich 3,3 Prozent im langjährigen Mittel.

Angesichts der Inflation im vergangenen Jahr ist dies sehr bemerkenswert. Zum Vergleich: Die Vergütung der Gesamtbelegschaft unterhalb der Leitungsebene stieg 2022 um rund fünf Prozent und lag damit deutlich über dem Zuwachs der Vorjahre – auch wenn die Inflationsrate in Deutschland mit 7,9 Prozent noch höher ausfiel. „Im Vergleich zur allgemeinen Gehaltsentwicklung sind die Anpassungen bei den Geschäftsführenden eher zurückhaltend. Hier wurde mit Augenmaß agiert“, sagt Michael Kind. Der Vergütungsexperte von Kienbaum geht davon aus, dass die Geschäftsführenden, soweit möglich, die Beschäftigten bedacht haben, die von der Inflation am stärksten betroffen sind: die mit niedrigeren Einkommen.

Vergütung wandelt sich

Der Durchschnittswert von 3,3 Prozent ist mit Vorsicht zu genießen, weil sich die Gehälter der GmbH-Chefs doch teils sehr unterschiedlich entwickelt haben. Auch die Inflationsprämie –
steuerfreie Sonderzahlungen von bis zu 3000 Euro – ist nicht enthalten. Die Maßnahme der Regierung ist bis Ende 2024 befristet. Tendenziell verdienen GmbH-Geschäftsführer von kleineren Betrieben deutlich weniger als die von größeren. Deshalb unterscheiden sich die Branchen erheblich. In einigen gibt es proportional viele kleinere Unternehmen, in anderen wie bei den Versicherungen wenige große. Das Plus von 2022 auf 2023 fiel bei kleinerem Betreiben mit durchschnittlich 3,8 Prozent etwas höher als bei den größeren mit 3,1 Prozent aus.

Die Höhe der Vergütung zeigt nur bedingt, wie sich deren Zusammensetzung gerade verändert. „Vor allem die variable Vergütung steht auf dem Prüfstand“, sagt Spezialist Kind. „Viele Unternehmen wollen die Resilienz ihrer Vergütungssysteme steigern.“ Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es unvorhersehbare Krisen gibt, wo die klassischen Systeme an ihre Grenzen kommen. Es gab positiv wie negativ extreme Ausschläge.

Zudem verändert sich die Vorstandsvergütung häufig mit regulatorischen Entwicklungen, und da passiert rund um Nachhaltigkeit auch im Mittelstand immer mehr. „Wir sehen auch bei Familienunternehmen eine noch verhaltene, aber zunehmende Entwicklung, dass die Bezahlung der Geschäftsführer auch an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt wird“, sagt Kind. Selbst bei Investoren, für die die finanzielle Performance eines Unternehmens immer noch von überragender Bedeutung ist. Bei Führungskräften von börsennotierten Konzernen sind Nachhaltigkeitsziele ohnehin schon wichtig für die Vergütung, wie Untersuchungen von WTW ergeben haben.

Ralph Lange, Senior Director Executive Compensation bei WTW, sieht diesen Trend auch für den Mittelstand kommen: „Nachhaltigkeit wird zum Maßstab. Immer mehr Betriebe denken darüber nach, wie sie ESG-Kriterien einbeziehen können in der kurz- und langfristigen Vergütung“, sagt der Vergütungsexperte. Dabei sind nicht nur ökologische Ziele („E“ für Ecology) wichtig, sondern eben auch das „S“ und „G“ in „ESG“, also soziale Aspekte und Governance-Themen. Heißt konkret: Wenn ein Unternehmen Menschen ungleich behandelt oder gegen Governance verstoßen wird, könnten auch Führungskräfte weniger Bonus bekommen. „Vergütung ist immer ein Anreiz, damit den Verantwortlichen Nachhaltigkeit wichtig wird“, sagt Lange.

Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit betrifft auch finanzäquivalente Vergütungsbestandteile, allen voran den Firmenwagen: „Dienstwagen sind noch ein wichtiger Bestandteil von Vergütungspaketen, aber ihre Bedeutung nimmt ab“, sagt WTW-Spezialist Lange. Immer mehr Firmen würden auf Dienstwagenregelungen verzichten. Der Trend geht zu Mobilitätsbudgets und mehr Flexibilität. Hier gibt es steuerlich einiges zu beachten, denn E-Fahrzeuge sind in der Regel leichter absetzbar. Allerdings laufen die zuletzt sehr beliebten Vergünstigungen bei Elektro- und Hybridfahrzeugen aus, was im Flottenmanagement für spannende Zeiten sorgt.

Sehr relevant ist derzeit auch das jüngste Urteil des Bundesarbeitsgerichtes. Es entschied, dass geschicktes Verhandeln kein hinreichender Grund für Ungleichbezahlung ist. Eine Mitarbeiterin hatte auf Diskriminierung wegen ihres Geschlechts geklagt und Recht bekommen, was Folgen für die Praktiken in den meisten Unternehmen haben dürfte. „Betriebe sollten Standards einführen, also Grading-Strukturen“, sagt Lange. „Das geht über Funktionsbewertungen, die Vergleichbarkeit herstellen, weil man nur so argumentieren kann, warum jemand mehr bekommt.“

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