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Technologie > Der Helix von Pivotal

Ein fliegendes Auto, das jeder nutzen kann, wird vom nächsten Jahr an verkauft

Seiner Zeit voraus? Der Helix ist ein senkrecht startendes Auto, das in den USA jeder sogar ohne Führerschein nutzen darf. Die Firma ist startklar, um das Ding, das zunächst Schwarze Fliege hieß, zu verkaufen. Kostenpunkt: 190 000 Dollar.

Die "Helix" von Pivotal kann jetzt für 190.000 Dollar vorbestellt werden. Bild: pivotal.aero

Elektrisch betriebene Flugzeuge, die senkrecht starten und landen - fliegende Autos für den Laien - sind eine Idee, deren Zeit noch nicht ganz gekommen ist, die aber schnell näher rückt. Viele Firmen wetteifern miteinander und bieten Entwürfe an, die von vergrößerten Multirotor-Drohnen über Dinge, die starren Spinnennetzen ähneln, bis hin zu Starrflügler-Hubschrauber-Hybriden reichen. Keines dieser Modelle wird jedoch eine Jet-ähnliche Familienlimousine sein, bei der Papa (oder sogar Mama) am Steuer sitzt. Wer sie fliegen will, muss einen Pilotenschein haben. Die meisten werden wahrscheinlich zunächst als Lufttaxis eingesetzt.

Eher ein fliegendes Motorrad

Ein Unternehmen hingegen hat sich nicht beirren lassen und sein ursprüngliches Projekt weiterverfolgt, etwas zu entwickeln, das man kaufen und selbst steuern kann. Helix ist ein einsitziges Fahrzeug, so dass die Bezeichnung „fliegendes Motorrad" vielleicht zutreffender wäre. Es wurde jedoch von seinem Hersteller, dem im Silicon Valley ansässigen Unternehmen Pivotal, sorgfältig so konzipiert, dass es den amerikanischen Vorschriften für Ultraleichtflugzeuge entspricht. Das bedeutet, dass jeder, ob mit oder ohne Pilotenschein, es über nicht bebaute Gebiete fliegen kann. Ab nächstem Jahr können dann auch diejenigen, die 190.000 Dollar auf der hohen Kante habn, ein solches Flugzeug für den Privatgebrauch bestellen - auch wenn sie es erst im Juni in Empfang nehmen können.

Die Entwicklung war kein Selbstläufer. Pivotal, bis zum 5. Oktober, dem Tag der Ankündigung von Helix, unter dem Namen Opener bekannt, wurde von Marcus Leng, einem Kanadier, gegründet. Leng ist Maschinenbauingenieur. Nachdem er 2011 ein Produktionsunternehmen aufgebaut und es mehr schlecht als recht verkauft hatte, stand er vor einem Scherbenhaufen. Er sagt, er habe sich schon immer für das Fliegen interessiert, und einige Berechnungen, die er aus dem Stegreif anstellte, deuteten darauf hin, dass das elektrische Abheben eines  Menschen tragenden Raumschiffs mit Motoren, die von den damals in Mode gekommenen Lithium-Ionen-Batterien angetrieben werden, funktionieren müsste.

Er baute also einen Prototyp und ließ ihn im Garten seines Hauses in Warkworth, Ontario, fliegen. Er nannte ihn BlackFly, schwarze Fliege. Er war (und ist es immer noch, denn er wird im Museum des Unternehmens aufbewahrt) buchstäblich ein Ding aus Siegellack und Schnur. Die Zelle bestand aus Kohlefaserstreben, die zumindest an einer Stelle durch ein Stäbchen zusammengehalten wurden. Die Propeller waren aus Holz.  Es erhob sich nur einmal in die Luft. Dieser Flug war jedoch der erste, den ein Mensch in einem solchen Ding absolvierte.

Militärdrohnen-Entwickler führt jetzt die Geschäfte

Zwölf Jahre später, nach viel Tüftelei, glaubt das Unternehmen, dass es etwas Marktfähiges hat. Auf dem Weg dorthin hat Leng nicht nur seinen Standort, den Namen der Firma und die Lackierung seines Produkts geändert (Helix ist größtenteils weiß mit einem roten Go-Faster-Streifen), sondern auch  sich selbst ausgewechselt. Leng übergab die Leitung im Jahr 2022 an Ken Karklin, der zuvor bei AeroVironment, einem Hersteller von Militärdrohnen, gearbeitet hatte.

Das umgetaufte Flugzeug hat sich im Laufe der Jahre in seinen Grundzügen jedoch kaum verändert. Die Streben, die das Original zusammenhielten, wurden durch eine Monocoque-Karosserie ersetzt. Das Stäbchen ist verschwunden. Aber es hat immer noch zwei Flügelpaare, eines vorne und eines hinten, und acht Propeller (zwei an jedem Flügel), was bedeutet, dass es von unten betrachtet ein wenig an ein zusammengedrücktes "H" erinnert. Und es hat kein Fahrwerk. Stattdessen ist sein Bauch so gewölbt, dass er an den eines Buckelwals erinnert, so dass er nach der Landung stabil schaukelt.

Ob mit oder ohne Pilotenschein, die Käufer müssen zumindest eine gewisse Ausbildung absolvieren, um einen Helix zu fliegen. Pivotal besteht darauf - nicht zuletzt, weil das Unternehmen befürchtet, dass ein früher Unfall katastrophale Auswirkungen auf den Absatz haben könnte. Aus demselben Grund wird die Software des Flugzeugs den Piloten daran hindern, etwas zu tun, was nicht in den aerodynamischen Sicherheitsbereich passt. Und sollte trotzdem etwas schief gehen, ist es mit einem Fallschirm ausgestattet. Durch kräftiges Ziehen am entsprechenden Knopf wird dieser durch eine Sprengladung vom Rumpf gesprengt, so dass sich die Kabinenhaube öffnet und das Flugzeug auf festem Boden landet.

Die Höchstgeschwindigkeit der Helix liegt bei respektablen 100 km/h, aber die Reichweite beträgt nur 30 km. Und das Betanken ist ein bisschen mühsam. Das Tanken an der Steckdose dauert 4½ Stunden, obwohl ein spezielles Hochleistungssystem, ähnlich wie bei Elektroautos, diese Zeit auf 75 Minuten verkürzen kann. Also noch nicht ganz perfekt. Aber ein möglicher Schritt auf - oder vielleicht über - die Straße.

© 2023 The Economist Newspaper Limited. All rights reserved.

Aus The Economist, übersetzt von der Markt & Mittelstand Redaktion, veröffentlicht unter Lizenz. Der Originalartikel in englischer Sprache ist zu finden unter www.economist.com

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