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Energie & Rohstoffe > Brownout

Viele Betriebe haben keinen Plan für den Strom-Notfall

Versorger müssen zur Netzsicherheit im Notfall gezielt den Strom abschalten. Viele Unternehmen sind nicht vorbereitet. Die Folgekosten sind hoch.

Es werde Licht: Privathaushalte können sich bei einem Stromausfall mit Streichhölzern und Kerzen behelfen. Unternehmen sollten sich besser vorbereiten.© Javidestock/Shutterstock.com

Der Mensch vergisst gerne, der Unternehmer auch. Wie groß war die Sorge im Herbst vergangenen Jahres vor ernsten Energieengpässen, nachdem das russische Gas versiegte! Die heimischen Energieversorger unterzogen sich Stresstests, um festzustellen: Deutschland ist nicht ausreichend auf zeitliche befristete Stromabschaltungen, sogenannte Brownouts, vorbereitet. Dabei klemmen die Netzbetreiber lokal oder regional und planmäßig Teile des Netzes ab, wenn die europaweiten Netze instabil oder überlastet werden könnten – etwa bei Spannungsüberschlägen an Freileitungen oder Extremwetterereignissen. Für solch einen Ausfall muss nicht einmal ein Cyberkrimineller irgendwo Tausende Kilometer entfernt in seine Tastatur greifen und das System hacken.

Der Schalter wird nicht nach Gusto umgelegt. Vielmehr verpflichtet der Gesetzgeber die Versorger als Systemverantwortliche mit Paragraf 13 des Energiewirtschaftsgesetzes dazu, den Stromverbrauch zu drosseln. Sie sollen einige Kunden vom Netz nehmen, um den möglichen Schaden für die Allgemeinheit so gering wie möglich zu halten. Doch längst nicht alle Unternehmen berücksichtigen diese Gefahr. Matthias Zelinger, Leiter des Competence Centers Klima & Energie im Maschinenbauverband VDMA, warnt: „Ein Unternehmen durch einen geplanten Brownout zu navigieren, Regeln zu setzen und das Verfahren zu üben, ist eine Managementaufgabe. Diese Risikobewertung gehört zu jedem Unternehmen.“

Im Winter 2022/2023 unterzogen sich die Übertragungsnetzanbieter besagtem Stresstest. Das eindeutige Ergebnis: Stundenweise Engpässe können nicht ausgeschlossen werden. Die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) musste sich kurz darauf mit einer vertraulichen Studie zur mangelnden Energiesicherheit im Musterländle auseinandersetzen. Grund dafür waren nicht die Folgen des Kriegs in der Ukraine oder der Corona-Pandemie, sondern Atomkraftwerke in Frankreich, die heruntergefahren waren, um sie zu warten. Heute, ein Jahr später, tobt der Krieg noch immer, Frankreichs Atomkraftwerke laufen nicht stabiler, aber Naturereignisse wie Starkregen und Überschwemmungen werden immer häufiger. Die Gefahren für das Netz und damit Abschaltungen haben sich eher vergrößert.

Präzise vor einem Jahr warnte auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund: „Wir können flächendeckende Stromausfälle nicht ausschließen. Die Vorbereitung auf echte Krisensituationen muss viel intensiver behandelt werden.“ In einer Umfrage gaben 101 Kommune an, sie verfügten über keinen Einsatzplan Stromausfall. Heute sagt Alexander Handschuh, Sprecher des Städtetags: „Derzeit sind die Rahmenbedingungen, etwa ausreichende Gasvorräte, besser und viele Kommunen haben Krisenpläne erstellt. Aber dieser Prozess ist nicht binnen eines Jahres abgeschlossen.“ Für die Unternehmen bedeutet das: Sie können sich nicht auf die Städte und Gemeinden verlassen, sondern müssen ihre Stromversorgung und Notfallpläne weiter selbst sicherstellen. Aber tun sie das auch?

Wer wissen will, wie teuer es wird, nicht zu reagieren, sollte das Dresdner Polizeimuseum besuchen. Dort lagern die verschmorten Reste eines wahren Netzkillers: ein handelsüblicher mit Aluminium beschichteter Luftballon. Im September 2021 erloschen rund um das Umspannwerk Dresden-Süd zur späten Mittagszeit für gut eine Stunde die Lichter. Nicht nur 300.000 Haushalte gingen vom Netz. Es traf auch Zulieferer Bosch sowie die Chipfertiger X-Fab und Infineon. Zwar sprang dort das Notstromaggregat an, doch es liefert Strom nur an die systemkritischen Bereiche, nicht aber an alle Produktionsanlagen. Maschinen stoppten, die Luftversorgung im Reinraum fiel aus. Allein Infineon kostete der Ausfall nach eigener Aussage einen Betrag „in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe“. Kriminalisten schwärmten aus. Sie suchten nach Täter-DNA und Bekennerbrief potenzieller Attentäter. Tatsächlich war besagter Luftballon in der Schaltanlage gelandet und löste den verhängnisvollen Kurzschluss aus.

Stromausfall aus dem Nichts

Dieser Stromausfall kam für die Unternehmen aus dem Nichts. Doch selbst die Vorbereitungszeit für eine geplante Stromabschaltung ist womöglich nicht länger als eine Kaffeepause. Die Netzgesellschaft Niederrhein hat das Brownout-Szenario für die Stadt Krefeld, ihre rund 230.000 Einwohner und knapp 10.000 Unternehmen durchgespielt. Die mögliche Vorwarnzeit betrüge zwölf Minuten.

Im Ernstfall werden bei einem Brownout die Stadtteile im Wechsel abgeschaltet, idealerweise jeweils für nicht mehr als 90 Minuten. So lange sollten Notstromaggregate den Mangel ausgleichen können und so empfehlen es der Bundesverband Energie und das Forum Netzwerktechnik. Tatsächlich ist die Entscheidung aber juristisch viel schwieriger.

Diskriminierungsfreiheit lautet das Motto, wenn es um den kostbaren Strom geht. Was wie aus dem Wörterbuch des Philosophen klingt, führt sprachlich in die Irre. Konkret geht es darum, dass der Strom rein nach dem Zufallsprinzip abgeschaltet wird. Wenn, soll es alle Haushalte und Betriebe gleichermaßen treffen. So weit die Theorie. Ähnlich wie bei der Versorgung mit Gas, sollte es knapp werden, werden auch beim Strom bestimmte Verbraucher vorgezogen. Bei Krankenhäusern oder Feuerwehr ist das unumstritten. Anders bei Unternehmen. Welches dient der „Erfüllung öffentlicher und lebenswichtiger Aufgaben“, die zur Vorzugsbehandlung berechtigen? Was ist mit besonders energieintensiven Anlagen? Und wer entscheidet das alles binnen kürzester Zeit?

Deshalb lautet die Gretchenfrage: Wie gut hat das eigene Unternehmen für einen geplanten oder ungeplanten Energieausfall vorgesorgt? „Kenne deinen Netzbetreiber und rede mit ihm“, rät VDMA-Experte Zelinger. „Wie wichtig das ist, haben wir in der Gaskrise 2022 gelernt.“ Es sei wichtig zu wissen, an welcher Position ein Unternehmen im Ernstfall steht, damit es sich entsprechend vorbereiten kann. Dabei geht es auch um sensible Fragen wie Verantwortlichkeiten, Folgen für IT- und Produktionssysteme, Prozesse und Geschäftspartner, die Anpassung rechtlich wichtiger Dokumente und der Versicherungspolicen.

Übrigens kann ein Brownout-Notfall auch eine ganze Reihe arbeitsrechtlicher Konsequenzen haben. Nina Hartmann, Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei CMS, listet auf: Es geht um die Frage eines kurzzeitig neuen Arbeitseinsatzes, die Lohnzahlungspflicht verbunden mit der Frage, wann der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt, die Vergütungsabsicherung bei Stromausfällen oder eine mögliche Anweisung des Chefs zum Homeoffice für seine Mitarbeitenden. Die Juristin rät: „Arbeitgeber sollten die verschiedenen Szenarien eines Stromausfalls durchspielen und die individualrechtlichen Fragen im Vorfeld klären.“ Und noch einen Rat aus der Praxis hat Hartmann: „Unternehmen mit einem Betriebsrat sollten ihn in die Planungen, Notfallpläne und Krisenstäbe einbeziehen und auch dessen Mitbestimmungsrecht berücksichtigen.“

Ein Chef allerdings, der mit dem Arbeitsvertrag winken muss, damit seine Mitarbeiter in der Stunde der Not einspringen, hat wohl ein noch schwerwiegenderes Problem als einen Stromausfall.
 

Vorsorge für den Krisenfall

Diese Fragen sollten Sie beantworten, um für einen Brownout gewappnet 
zu sein. Entwickelt haben sie die Industrie- und Handelskammern. 

  • Analyse: Welche schwerwiegenden Folgen könnten Blackout oder Brownout für das Unternehmen haben?
  • Bewertung: Wie gut ist die Notfallversorgung organisiert? Welche Vorsorgemaßnahmen wurden getroffen? Gibt es einen Notfallplan? Wie kann ohne Strom kommuniziert werden? Bestehen Abhängigkeiten zu Partnern und Dienstleistern? Wie sicher ist das Unternehmen, sobald Sicherheitskameras, Alarmanlagen oder Schließanlagen nicht mehr funktionieren? Und welche Schäden deckt die Versicherung?
  • Personal: Welches Personal steht im Krisenfall noch zur Verfügung?
  • Kommunikation/Information: „Offline-Pläne“ sind unverzichtbar. 
    Stehen allen Beteiligten alle wichtigen Kontakte und Informationen auch in ausgedruckter Form zur Verfügung?
  • Ver- und Entsorgung: Welche Folgen hat es für Mensch und Maschine, wenn die Wasserversorgung, die Abwasser- und Müllentsorgung ausfallen?
  • Notstrom: Ist die Notstromversorgung aktuell, durchgecheckt, mit ausreichend Treibstoff und Ersatzteilen versorgt? Wie lange funktioniert die unterbrechungsfreie Stromversorgung und reicht die Zeit für eine schadenfreie Abschaltung des Betriebes?
  • Notfallplan: Sind alle Listen und Abläufe aktuell? Sind Verantwortlichkeiten klar geregelt? Wer entscheidet über welches Vorgehen? Wer informiert wen wie und wann? Gibt es einen Wiederanlaufplan?
  • Rückkehr zur Normalität: Ist im Detail bekannt, welche Voraussetzungen aktuell für eine Wiederaufnahme des Betriebes nötig sind, zum Beispiel stabile Strom- und Telekommunikation, schadenfreie Anlagen und Maschinen, Verfügbarkeit von Zulieferern und Personal?

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