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Zukunftsmärkte > OLIVER STOCK IMMOBILIENKRISE IN CHINA IST EINE GEFAHR FÜR ANDERE IMMOBILIENMÄRKTE UND AUCH FÜR ERSTE BANKEN

Erst China, dann die USA – und jetzt wir? Wie sich die Immobilienkrise um den Globus frisst

In China wankt der nächste Immobilienriese. In den USA ist der Markt für Gewerbeimmobilien eingebrochen. In Deutschland strauchelt deswegen die erste Bank. Wird die nächste Immobilienkrise so schlimm wie die letzte?

Evergrande
Seit Chinas Immobilienriese Evergrande Insolvenz anmelden musste, straucheln Immobilienmärkte in China rund um den Globus. Und mit ihnen erste Banken. Foto: Picture Alliance

Es war eine Wahnsinnshausse, nun ist sie vorbei: Chinas Immobilienboom ist längst zur Immobilienkrise geworden ist. Ein Gericht in Hongkong hatte zuletzt die Auflösung des hoch verschuldeten Immobilienkonzerns China Evergrande angeordnet. Doch damit nicht genug: Mitte vergangener Woche musste sich der nächste große und hoch verschuldete Bauträger vor Gericht gegen einen Antrag auf Abwicklung wehren. Der betroffene Konzern Country Garden bestätigte in einer Börsenmitteilung, dass einer seiner Gläubiger dies vor einem Gericht in Hongkong erwirken will. Es gehe um einen nicht zurückgezahlten Kredit in Höhe von 1,6 Milliarden Hongkong-Dollar (etwa 188,6 Millionen Euro) zuzüglich Zinsen. Das Gericht will am 17. Mai darüber verhandeln.

Was bedeutet es, wenn von hier aus gesehen am anderen Ende der Welt eine Art Flächenbrand auf dem Immobilienmarkt nicht mehr zu löschen ist? Und wie hat das überhaupt angefangen? 

Eine trostlose Kleinstadt anstelle einer quirligen Metropole

Wer nach Spuren sucht, kann sich die Ruinen von „Forrest City“ in Malaysia angucken. Geplant für 700 000 Einwohner ist die Waldstadt vor 20 Jahren entworfen worden, in dem vier Inseln miteinander durch Aufschüttungen verbunden wurden. Das chinesische Immobilienkonglomerat Country Garden verfolgte über Jahrzehnte die Idee solcher Megaprojekte, niedrige Grundstückskosten trafen auf großes Potenzial. Dies war in Zeiten des chinesischen Immobilienbooms eine schlüssige Strategie. Doch in der Corona-Krise sanken die Verkaufszahlen und die Schulden der Bau Firma mehrten sich. In Forrest City leben gerade 9000 Einwohner. Wie die „Washington Post“ berichtet, verschlang das Projekt gut 100 Milliarden US-Dollar. Die Folge ist die Schieflage einer der größten Baukonzerne der Welt.

Wenn Immobilienmärkte wackeln, werden Banker unruhig

Und wenn einer der weltgrößten Immobilienmärkte einbricht, ist das ein Alarmsignal auch für andere Standorte. Die Schweizer Großbank UBS hat einen „Global Real Estate Bubble Index“ entwickelt, also eine Art Liste mit Adressen, wo die Immobilienpreise derart in die Höhe geschossen sind, dass sie sich vom wahren Wert der Häuser, Wohnungen und Büros weit entfernt haben. Unter anderem stehen auf dieser schwarzen Liste: Zürich, Tokyo, Frankfurt am Main, München, Miami und Hongkong. 

Was da passiert, lässt auch die Bundesbank aufhorchen. Das Thema müsse man in den kommenden Monaten „ganz aufmerksam im Blick behalten", sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel einen Tag nach Ausbruch der akuten Krise bei Country-Garden am Rande eines Treffens der G20-Finanzminister und Notenbank-Gouverneure in São Paulo (Brasilien). Bei der Entwicklung einzelner Märkte wie insbesondere der US-Gewerbeimmobilien dürfe man die gesamte Finanzstabilität nicht aus dem Blick verlieren, sagte Nagel, womit er den nach China zweiten Krisenherd auf dem Immobilienmarkt anspricht 

Erste Konsequenzen für Banken

Zuletzt gerieten Gewerbeobjekte in der Immobilienkrise immer stärker unter Druck – vor allem Büros, die unter dem Trend zum Homeoffice leiden und zunehmend die Bilanzen von Banken belasten. Laut dem Verband deutscher Pfandbriefbanken gab es im vierten Quartal 2023 den größten jemals gemessenen Preisrückgang bei Gewerbeimmobilien. Unter den Banken in der EU sind die Institute aus Deutschland und Frankreich besonders stark bei Gewerbeimmobilien engagiert. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Banken mit problematischen Gewerbeimmobilien-Krediten laut Insidern mit höheren Kapitalanforderungen gedroht. 

Ihr Engagement in US-Gewerbeimmobilien hat für zwei deutsche Banken bereits unangenehme Folgen: Ihre Bonitätsnoten sinken, in einem Fall knapp über Ramschniveau. So haben die Ratingagenturen Standard & Poor's (S&P) und Fitch, die die Bonität der Banken bewerten, ebenfalls nach dem Country-Garden-Crash die Noten der Deutschen Pfandbriefbank und der Aareal Bank herabgestuft. Der Aktienkurs der Pfandbriefbank sackte darauf am Donnerstag deutlich ab, auch die Anleihen verloren an Wert.

Beide Ratingagenturen begründeten ihre Aktionen mit der schwierigen Lage am Markt für Gewerbeimmobilien insbesondere in den USA, wo beide Banken überdurchschnittlich stark engagiert sind. Einer Studie der Ratingagentur Moody's zufolge ist das Kreditengagement bei US-Büroimmobilien der zwei deutschen Institute im Verhältnis zu ihrem Kernkapital besonders hoch. 

Besonders hart traf die Ratingaktion die Pfandbriefbank: Ihre langfristige Bonitätsnote rangiert nach der Herabstufung durch S&P nur noch eine Stufe über dem Ramschniveau für besonders riskante Investments. Die Aareal Bank hat Kredite im Umfang von 8,6 Milliarden Euro am US-Gewerbeimmobilienmarkt vergeben, etwa 50 Prozent der Darlehen finanzieren Bürogebäude. Da Fitch davon ausgeht, dass die operativen Gewinne der Bank in den kommenden Quartalen einen ausreichenden Puffer für eine höhere Risikovorsorge bilden werden und die operative Profitabilität der Bank angemessen bleiben wird, blieb der Ausblick für ihr Rating stabil. 

Probleme auch vor der eigenen Haustür

Es geht damit längst nicht nur um China und US-Gewerbeimmobilien. Auch die Lage bei deutschen Gewerbeimmobilien und damit bei den sie finanzierenden Banken dürfte nach Einschätzung von S&P schwierig bleiben. Der Trend zum Homeoffice und zu höheren Energiestandards, der den Wert vieler Bürogebäude sinken lässt, übe Druck auf die Werthaltigkeit von der Bank finanzierter Immobilien aus. Tobias Just, Professor an der Universität Regensburg, sieht eine rasante Abkühlung der Gewerbeimmobilienmärkte, die Preise geben schneller nach als in den Rezessionsjahren der 1980er Jahre. Der Preisrückgang liege nicht allein an den stark gestiegenen Zinsen, sondern auch daran, dass sich Büroarbeitswelten wandeln, weg vom klassischen Büro, hin zu hybriden Arbeitsformen. Dies führe zu sinkenden Büroauslastungen und folglich müssen die Immobilienbestände abgewertet werden. „Die strukturellen Entwicklungen in den USA dürfte jenen in Europa vorauslaufen“, schreibt Jost in einen Beitrag für den Berliner Tagespiegel. Auch Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies und Professor an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main meint: „Hohe Zinsen und Baukosten sowie zunehmende Leerstände und eine schwache Konjunktur belasten die gewerblichen Immobilienmärkte. (…) Erinnerungen werden wach an die Weltfinanzkrise ab 2007, als massive Ausfälle von Immobilienkrediten in den USA das globale Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs brachten.“ Doch Brühl beruhigt: Derlei Befürchtungen seien unbegründet. Die Banken seien heute weitaus besser mit Eigenkapital und Liquidität ausgestattet und damit krisenfester als damals.

Dennoch leiden sie. Der für sie brisantester Fall in Deutschland ist die Insolvenz der Signa-Holding des Milliardärs René Benko. Die US-Ratingagentur Moody’s warnt, dass die Insolvenz sich auf Kreditqualität und Profitabilität einiger Banken in Deutschland, Österreich und der Schweiz auswirken werde. Der Präsident des Verbands deutscher Pfandbriefbanken Gero Bergmann sagt dazu: „Es kann niemanden freuen, wenn große Adressen in die Insolvenz gehen, und dies wird natürlich auch Effekte auf den Markt haben." Die Preisabschläge bei Gewerbeobjekten dürften auch 2024 stärker als bei Wohnimmobilien ausfallen. „Es würde mich nicht überraschen, wenn wir bei den Instituten noch eine steigende Risikovorsorge sehen werden."

Chinas Krise belastet die Weltwirtschaft

Zurück zum Ausgangspunkt dieser neuen Immobilienkrise, zurück nach China. „Wenn in China das Wachstum stockt, dann hat das für die gesamt Welt Auswirkungen“, meint Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel im ZDF. Das Ausland sei zweifach betroffen: Zum einen dadurch, dass die Chinesen weniger importieren - Konsumgüter und Maschinen, aber auch Rohstoffe. Die chinesischen Verbraucher halten sich derzeit mit großen Anschaffungen zurück, die Preise fallen, es herrscht Deflation. Zum anderen haben chinesischen Firmen gewaltige Überkapazitäten aufgebaut, etwa bei Elektroautos und Solarpaneelen. Wird in der Volksrepublik selbst weniger konsumiert, dürften die Unternehmen versuchen, den Rest der Welt mit Waren zu Dumpingpreisen zu überschwemmen - zum Schaden der ausländischen Konkurrenz.

Dies seien aber Handelseffekte, sagt Gern. „So etwas wie die globale Finanzkrise, die ja auch aus einer Immobilienkrise, nämlich in den USA, erwachsen ist, müssen wir wohl nicht befürchten, weil die finanziellen Verbindungen Chinas mit dem Rest der Welt doch sehr überschaubar sind." Dennoch befinde sich die Volksrepublik in einer Problemlage, in der nicht ganz klar sei, wie stark die Auswirkungen tatsächlich sind. Gern betont: „Es bestehen erhebliche Risiken und angesichts der Größe des Landes sind das dann auch Risiken für den Rest der Welt.“ 

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