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„Lebensmittel werden teurer“

Hamstern ist Quatsch, sagt Bauernpräsident Joachim Ruckwied. In Deutschland werde es bei Agrarprodukten bis zum nächsten Jahr jedenfalls keine Engpässe geben. Allerdings wird es teurer. Und bei einem entscheidenden Produkt, weiß auch der Bauernpräsident nicht, wie es weitergehen soll: Düngemittel.

Traktor auf dem Feld

Die Preise für Getreide- und Milchprodukte, aber auch für Kartoffeln gehen durch die Decke. Raps steigt, weil Biodiesel gefragter ist denn jeh. Und wenn ich für ein Feld keine Verwendung habe, setze ich ein Windrad drauf. Sind deutsche Bauern derzeit die glücklichsten Menschen der Welt?
 
Bei dem, was wir täglich aus der Ukraine sehen, kann man nicht glücklich sein. Das Leid der Menschen ist schwer zu ertragen. Der Ukrainekrieg hat auch massive Auswirkungen auf uns Bauern. Die Agrarmärkte spielen verrückt, die Betriebsmittelpreise sind explodiert. Die Kosten für Diesel, Dünger, Gas oder Futtermittel lassen den bisherigen Anstieg der Preise de facto verpuffen. Dazu treibt uns die Sorge um, ob Betriebs- und Futtermittel zukünftig überhaupt verfügbar sind. Wir befinden uns in einer Art Blindflug.
 
Der Preisabstand zwichen Biomilch und konventioneller Milch hat sich innerhalb eines Jahren mehr als halbiert. Lohnt es sich bald auch vom Preis her Bioprodukte zu kaufen? Wieso verringert sich der Preisabstand so sehr?
 
Egal ob bio oder konventionell - die Milcherzeugerpreise müssen steigen, denn alle Milchvielhalter haben auch höhere Kosten. Um überhaupt weiter wirtschaften zu können, müssen wir Bauern diese Kosten weitergeben. Lebensmittel werden deshalb teurer. Aber der Preis im Regal bildet sich im Wesentlichen durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage.
 
Sicherlich – die Energiepreise und Düngemittelpreise sind gestiegen. Aber ist dies die Erklärung für die steigenden Preise für landwirtschaftliche Produkte in Deutschland, die hierzulande nicht wirklich knapp sind?
 
Wir haben in Deutschland derzeit beispielsweise ausreichend Getreide. Aber das wird am Weltmarkt gehandelt und der Preis ist wegen niedriger Lagerbestände und wegen des Kriegs in der Ukraine sehr stark gestiegen. Denn Korn aus der Ukraine ist, wenn überhaupt, nur in geringer Menge verfügbar. Im vergangenen Jahr lag der Preis bei 180 bis 200 Euro pro Tonne Weizen, derzeit sind es rund 400 Euro. Aber man muss wissen: Der Getreidepreis macht nur einen Bruchteil des Brotpreises aus. Teurer geworden ist vor allem die Energie für die Produktion und auch die Lohnkosten sind gestiegen.
 
Springen einige schlichtweg auf den Zug der breiten Preiserhöhungen seit Kriegsausbruch auf?
 
Die Inflation war schon vor Ausbruch des Krieges auf einem sehr hohen Niveau. Das hat der Krieg noch verstärkt. Im Vergleich geben wir in Deutschland  aber einen viel geringeren Anteil am Haushaltseinkommen für Essen aus als die Menschen in anderen Ländern. Ich sage schon lange: Lebensmittel müssen uns mehr wert sein und das muss sich auch in einem höheren Preis widerspiegeln. Auf dem heutigen Niveau hätten die Preise schon vor dem aktuellen Inflationssprung sein müssen. Denn auch bei uns Bauern muss mehr ankommen.
 
Wer profitiert von den höheren Preise?
 
Da kann ich nur spekulieren. Vermutlich die Gas- und Ölproduzenten.
 
Sehen sie bei irgendeinem landwirtschaftlichen Produkt in Deutschland Engpässe in der Versorgung in diesem Jahr?
 
Nein. Das Hamstern von Sonnenblumenöl und Mehl war eine Überreaktion. Das ist in Deutschland nicht nötig, die Versorgung mit Lebensmitteln ist bis ins erste Quartal 2023 sichergestellt. Bei einzelnen Produkten könnte es kurzzeitig zu Engpässen kommen. Entscheidend ist, dass auch im kommenden Jahr ausreichend Düngemittel, vor allem Stickstoffdünger, erhältlich ist. Daher haben wir die Bundesregierung aufgefordert, eine nationale Düngemittelreserve anzulegen, ähnlich wie beim Gas.  
 
Was kommt bei Milchprodukten, Getreide, Raps und Kartoffeln von den höheren Preisen bei den Bauern an?
 
Derzeit nicht viel. Die meisten Betriebe haben ihre Getreideernte aus dem Vorjahr bereits verkauft, daher profitieren nur wenige von den hohen Preisen. Es ist momentan möglich Vorverträge für die kommenden Erntesaison zu deutlich höheren Preisen abzuschließen, aber es weiß ja keiner, wie weit die Kosten noch steigen. Wie gesagt: Es ist ein Blindflug.   
 
Müssen nicht Subventionen für die Landwirtschaft abgebaut werden, wenn sich am Markt mit einmal deutlich höhere Preise erzielen lassen?
 
Preise schwanken grundsätzlich immer etwas. Aber was wir jetzt erleben sind heftige Turbulenzen. Nur weil die Preise einzelner Rohstoffe gerade sehr hoch sind, heißt das nicht, dass es so bleibt. Nehmen wir den Schweinepreis: Der ist gerade massiv abgestürzt. Die Direktzahlungen sind also gerade in diesen Zeiten sehr wichtig zur Einkommensstabilisierung für unsere landwirtschaftlichen Familien.
 
Warum hamstern die Deutschen immer wieder?
 
Ich bin kein Psychologe, aber Ernährungssicherung ist unser ureigenster Instinkt. Ohne Essen und Trinken geht es nicht. Aber Hamsterkäufe machen keinen Sinn, im Gegenteil wir raten davon ab.
 
Die Erzeuger landwirtschaftlicher Produkte haben ihre Preise schon vor Beginn des Krieges in der Ukraine so kräftig angehoben wie seit fast elf Jahren nicht mehr. Sie stiegen im Februar um durchschnittlich 22,5 Prozent, teilt das Statistische Bundesamt mit. Ihr Eindruck: Nutzen die Hersteller die allgemeine Teuerung, um im Windschatten selbst einmal kräftig den Preis zu erhöhen?
 
Alle Bereiche der Lebensmittelkette sind massiv von den gestiegenen Kosten betroffen. In vielen Betrieben ist Gas die Hauptenergiequelle, besonders große Molkereien können ohne Gas nicht arbeiten. Ohne Gas gäbe es also keine Milch, keinen Käse, keinen Quark. Diese hohen Preise können nicht von der Branche, schon gar nicht von den Bauern allein getragen werden. Sie müssen auch an die Verbraucher weitergegeben werden.
 
Wie bewerten sie die Arbeit von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der seit einem halben Jahr neu im Amt ist?
 
Die ersten 100 Tage Schonfrist sind vorüber. Jetzt muss der Bundeslandwirtschaftsminister liefern, denn es stehen wichtige Entscheidungen an. Beispielsweise brauchen wir dringend konkrete Signale, wie es beim Umbau der Tierhaltung weiter geht.
Hier muss die Finanzierung sichergestellt werden, außerdem braucht es Änderungen im Baurecht. Hier drängt die Zeit.
 
 

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