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Der Horrorfilm geht weiter

Eine neue Studie schreckt auf im Hinblick auf die Abgabenlast für Unternehmen und Arbeitnehmer. Und der Kanzler macht genau das Gegenteil wie Amtsvorvorgänger Schröder: Keine Reform, einfach weiter so. Als ob das möglich wäre.

Bildnachweis: picture alliance / johapress | Joachim Hahne

Neulich sagte ein bekannter Fußballer von FC Bayern München, er komme sich vor wie in einem nicht enden wollenden Horrorfilm, weil der Verein drei Spiele am Stück verloren hatte. Um es vorweg zu nehmen: der Film endete wenige Tage später – die Bayern gewannen gegen Leipzig. Was allem Anschein nicht endet, ist der Horrorfilm, in dem sich das gesamte Land befindet. Der Titel lautet: wo versickert nur all unser Geld?

In dieser Woche erregte ein Gutachten des Verbandes „Die jungen Unternehmer“ für Aufsehen. Ihr Szenario: Die Abgabenlast für Unternehmen und Arbeitnehmer könnte in den nächsten Jahrzehnten von 40,9 auf über 50 Prozent steigen. Realistische Folgen wären Abwanderung, mehr Schwarzarbeit und dass die junge Generation auf die Barrikaden geht. 

Geschichte reimt sich: immer wieder gibt es über Parteigrenzen hinweg die Tendenz, den Sozialstaat auszubauen bis zu dem Moment, wo einem alles um die Ohren fliegt. Zuletzt musste die Schröder-Regierung kurz nach der Jahrtausendwende den Laden auf links ziehen. Zur Erinnerung: das Renteneintrittsalter stieg, um nur eine Maßnahme zu nennen. Seit dieser Woche ist klar: Die Regierung Scholz wird diese Kraft wohl nicht aufbringen. Der Kanzler wird den Sozialstaat so lassen, wie er ist, als ob er gut so wäre, wie er ist. Ein Moratorium der steigenden Sozialausgaben zugunsten der für die Verteidigung schloss er aus. 

Geld ist da, der Staat nimmt mehr ein denn ja. Wo bleibt es, lautet die Gretchenfrage? Ein Teil der Antwort: Die Ampelkoalition hat in ihrer Regierungszeit allein in der Bundesverwaltung und den Ministerien 11.507 neue Beamtenstellen geschaffen. Die CDU-Regierung vorher war kaum besser: In den vergangenen zwölf Jahren stiegen die Personalkosten der Bundesregierung um 16 Milliarden Euro auf rund 45 Milliarden, die 2024 für Personalkosten vorgesehen sind. Nicht eingerechnet sind da Bauprojekte wie dem Erweiterungsbau des Kanzleramts und dem neuen Bundespräsidialamt als Zwischenlösung. 

Wer auf die Uhr blickt, sieht die Zeiger und erkennt, ob es fünf vor zwölf ist und eins vor zwölf. Leider scheint es bei den Staatsfinanzen eine Blindheit für Uhren zu geben, selbst für die rasant ratternde Statistik des Steuerzahlerbundes, die sekundengenau den Fortschritt der Staatsschulden anzeigt. Wer mit einigermaßen realistischem Blick auf das schaut, wofür Deutschland in Kriegszeiten Geld braucht, der muss auch in der Härte erkennen: Eine Regierung – das gilt auch für die nächste – hat kein Recht mehr, die Staats- und Sozialausgaben weiter so wachsen zu lassen. Es braucht Beinfreiheit für Investitionen in Sicherheit, Infrastruktur und Bildung. 

Erster Ansatzpunkt ist unser Gesundheitssystem – wo oben mehr rein fließt als in kaum einem anderen Land der Erde und unten marode Kliniken, überlastete Mitarbeiter und fehlende Medikamente rauskommen. Was wäre denn an der Praxisgebühr so schlimm, die es ja schonmal gab? Und die McKinsey-Berechnung, wonach sich durch eine umfassende Digitalisierung des Gesundheitswesens jährlich mehr als 40 Milliarden Euro einsparen ließen, kann man sich in Berlin auch gern mal durchlesen. 

Zweitens schütteln Ökonomen zurecht den Kopf darüber, dass die Regierung das gesetzliche Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent festnageln will. Es muss sinken, Punkt. Die Generation, die statt 2,1 nur 1,3 Kinder bekommen hat, muss ihren Teil zur demografischen Misere mittragen.  Außerdem gehören das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt und alle Anreize, früher in Rente zu gehen, abgeschafft. Derzeit klafft zwischen realem und gesetzlichem Renteneintrittsalter eine Lücke von fast zwei Jahren – was offenbar keinen Politiker zu stören scheint. 

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