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Technologie > Raumfahrt im Mittelstand

Mit 500.000 PS zu den Sternen

RFA startet fünf Jahre nach der Gründung eine selbst entwickelte Rakete. Sie bringt Forschungssatelliten ins All. Das Unternehmen spielt international vorne mit.

Höhere Pläne: Jörn Spurmann hat RFA 2018 gemeinsam mit Stefan Brieschenk gegründet.Bildquelle: © Rocket Factory Augsburg

Im Sommer ist es so weit: Von der nördlichsten Spitze Shetlands aus wird eine gut 30 Meter hohe Rakete ins All starten. An Bord mehrere Satelliten. Ein besonderer Tag für die deutsche Raumfahrt und der Beweis, dass auch privatfinanzierte Firmen aus der Bundesrepublik im neuen Geschäft mit dem Weltraum vorn dabei sein können. Denn RFA One, wie die Rakete heißt, hat die Firma Rocket Factory Augsburg (RFA) entwickelt.

Die Millioneninvestitionen des Bremer Satellitenbauers OHB und zuletzt des US-Finanzinvestors KKR, haben geholfen, aber ohne die Begeisterung der Gründer wäre es nie so weit gekommen. „Mein Mitgründer Stefan Brieschenk und ich sind schon seit Kindheit riesige Raumfahrtfans“, sagt Jörn Spurmann. „Nach dem Studium arbeiteten wir unter anderem beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und einem anderen Hersteller von Trägerraketen. Da lag es nahe, dass wir irgendwann unser eigenes Start-up gründen.“

Raketen in Serienfertigung

2018 war es so weit. Schon damals wandelte sich die Raumfahrtbranche: Der staatliche Einfluss sinkt stetig, das Geschäft wird kommer zieller, auch weil technisch mehr möglich ist. Viele Investoren sehen im New Space große Chancen. Firmen tüfteln an kleinen Satelliten für Erdbeobachtung, denken über erdumspannende Satellitennetze, sogenannte Konstellationen, nach, planen kommerzielle Raumstationen, Fabriken in der Schwerelosigkeit, gar Internet auf dem Mond. Um das Material ins All zu bekommen, sind viele kleine Raketen nötig, vor allem günstige. Hier setzen Firmen wie RFA an.

Die Idee: Statt einzelne Raketen zu fertigen, werden sie in Serie und in großer Menge hergestellt. Die Augsburger setzen zudem auf Standardteile, die etwa Autozulieferer im Augsburger Umland in Serie fertigen. RFA passt sie für den Einsatz ins All an. Das alles senkt die Kosten pro Flug und macht Konstellationen zum Beispiel für satellitengesteuerte Landwirtschaft günstig und zu einem Geschäftsmodell. Die Beratungsfirma Euroconsult schätzt das Marktvolumen allein für Satelliten bis 2032 auf 535 Milliarden Euro weltweit. Fast 2800 Satelliten sollen demnach jährlich ins All, vor allem in den sogenannten Low Earth Orbit um die 500 Kilometer über der Erde. Um dahin zukommen, sind keine riesigen Raketen nötig. Die RFA One ist 30 Meter hoch, hat zwei Meter Durchmesser und kann bis zu 1,3 Tonnen Nutzlast tragen. Zum Vergleich: Die Falcon-9 der US-Firma SpaceX ist 70 Metern hoch und hat 3,7 Meter Durchmesser.

In Deutschland arbeiten drei Unternehmen an günstigen, in Serie gefertigten, kleinen Raketen. Neben RFA sind das Hyimpulse aus dem baden-württembergischen Neuenstadt und Isar Aerospace aus Ottobrunn bei München. Die Augsburger liegen derzeit vorn. Die ersten beiden Starts einer RFA One, deklariert als Testflüge, werden Satelliten ins All transportieren – gebucht hat das DLR. „Unsere Kunden kommen vor allem aus den Bereichen Kommunikation und Vernetzung für beispielsweise autonom fahrende Autos“, sagt Spurmann. Anbieter von Internet und GPS gehörten ebenso dazu wie Firmen, die die Erde beobachten wollten.

Das Schwierigste am Raketenbau? „Eine möglichst große Nutzlast in den Weltraum zu transportieren“, sagt Spurmann. „Schon bei richtig guten Raketen gelangen nur zwei bis drei Prozent ihres Gesamtgewichts in den Orbit. Bei einem Kombi deutscher Autohersteller sind es rund 25 Prozent an zusätzlichem Gepäck, das man ans Reiseziel bringen kann.“ Und dann ist da die schiere Wucht: „Beim Flug ins Weltall arbeiten alle Systeme, Materialien und Komponenten an ihrem physikalischen Limit. Unglaubliche Drücke und hohe Temperaturen im 500.000-PS-Triebwerk, extrem kalte Temperaturen in den Treibstofftanks, starke Belastungen – und trotzdem muss alles immer zu 100 Prozent funktionieren. Wir haben pro Start nur einen Versuch.“ Die Tests des Triebwerks liefen jedenfalls erfolgreich. Der Kern entsteht im 3D-Druck.

Die RFA One besteht aus bis zu drei Teilen: die erste Stufe mit neun Triebwerken und dem Haupttank, die die Rakete aus der Atmosphäre befördert, die zweite Stufe mit einem Triebwerk und ganz oben die sogenannte Orbitalstufe für die Satelliten. Die Entwicklung einschließlich der ersten beiden Starts kostet um die 100 Millionen Euro, wie Spurmann sagt. Wenn alles gut läuft, verkaufen sie danach weitere Starts und finanzieren damit die Serienproduktion.

KKR investiert Millionen

Bei solchen Summen sind solide Investoren nötig. Hinter RFA steht der Satellitenspezialist OHB als strategischer Mehrheitsinvestor. Geld gab auch der Finanzinvestor Apollo. Zuletzt steckte KKR 30 Millionen Euro in die Augsburger. Die Investoren sind auch an OHB beteiligt.

Gebaut werden die Raketen in Augsburg von den mehr als 250 Beschäftigten in geschichtsträchtigen Gebäuden. RFA sitzt in jenen Hallen, in denen 1985 der Siegeszug der Energiesparbirne begann. Die alte Osram-Produktion ist längst abgewickelt, wer das Unternehmen besucht, kann einzelne Anschlüsse und Beschriftungen immer noch sehen. Für bunte Umbauten ist weder Zeit noch Geld da. Schließlich soll das All erobert werden, mit einem Flug wöchentlich. 

Gestartet wird zunächst in Shetland vom Saxavord Spaceport. Hier ist Großbritannien zu Ende, rundum Nordmeer, gestört werden höchstens Schafe, wenn eine Rakete abhebt. Den Startplatz will auch Hyimpulse nutzen, ist aber mit der Rakete noch nicht so weit. Isar Aerospace wiederum hat sich einen Startplatz im Norden Norwegens gesichert. Weil die meisten New-Space-Satelliten im LEO auf einer Bahn von Pol zu Pol um die Erde herumfliegen, können die Trägerraketen auch in Europa starten. Für weitere Flüge ins All, etwa zum Mond, benötigen die Raketen einen Zusatzschub der Erddrehung, weshalb möglichst nah am Äquator gestartet werden muss.

Spurmann sieht RFA auf gutem Weg. „Bis 2029 werden wir erfolgreich und regelmäßig Satelliten in den Erdorbit und darüber hinaus geflogen haben“, sagt er. „Damit ermöglichen wir es unseren Kunden Daten zu erheben, mit welchen wir unsere Erde besser verstehen, vernetzten und schützen können.“ Das selbstbewusste Ziel: „Schlussendlich möchten wir der führende private Trägerraketenanbieter in Europa und weltweit wettbewerbsfähig mit unseren Raketen und Dienstleistungen sein.“

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