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München ist jetzt Deutschlands Digital-Hauptstadt

Bayern hat anders als der Bund eine eigene Digitalministerin. Die betreibt eine derart erfolgreiche Standortpolitik, dass München nun Berlin als digitale Metropole deutlich überholt. Apple, Google, Amazon, Microsoft und hunderte von Startups - plötzlich gehen viele Tech-Unternehmen nach Bayern. Von Egidius Schwarz

Staatsministerin Judith Gerlach beim Ludwig-Erhard-Gipfel 2023
Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales, beim Ludwig-Erhard-Gipfel 2023. Bild: WEIMER MEDIA GROUP

Der amerikanische Tech-Konzern Apple macht München zu seinem Europa-Zentrum, das sich innovativem Chip-Design, 5G und den drahtlosen Technologien der Zukunft widmet. Nun kündigen die Kalifornier an, an der Isar eine weitere Milliarde Euro zu investieren. Der Investitionsentscheidung geht ein Immobiliendeal mit dem Freistaat voraus. Anfang Februar genehmigte der Landtag einen der teuersten Grundstücksverkäufe in der Geschichte Bayerns. Ein begehrtes Areal in der Innenstadt ging für 250 Millionen Euro an Apple.

München ist bereits heute Apples größtes Entwicklungszentrum in Europa. Die knapp 1.500 Ingenieure aus 40 Ländern bekommen nun viele neue Kollegen aus aller Welt hinzu. „Ich könnte nicht gespannter sein auf das, was unsere Ingenieurteams in München noch alles entdecken werden – bis hin zu einer neuen Generation von Technologien, die noch mehr Leistung, Geschwindigkeit und Konnektivität ermöglichen werden“, sagt Tim Cook, CEO von Apple, und bekennender München- wie Oktoberfestfan. „München ist seit vier Jahrzehnten ein Zuhause für Apple und wir sind der Stadt und Deutschland dankbar für das gemeinsam Erreichte und freuen uns auf den Weg, der vor uns liegt.“

Die Metropole mit ihrem barocken Flair ist nicht nur Heimat von Industriekonzernen wie BMW oder Siemens und Versicherungsriesen wie Allianz oder Munich Re. „Auch als Hightech-Standort spielt München in der europäischen Spitzenklasse“, sagt Professor Dirk Dohse, Leiter des Forschungsbereichs Innovation und Internationaler Wettbewerb am Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

Google baut derzeit ein denkmalgeschütztes früheres Postgebäude um und will sein Team von 1.200 Mitarbeitern mehr als verdoppeln. Microsoft hat seine neue Deutschland-Zentrale im Stadtteil Schwabing, gleich um die Ecke betreibt IBM ein nach Supercomputer Watson benanntes Forschungszentrum. Auch Amazon bildet in München einen neuen Cluster mit  2.500 Mitarbeitern. „Wissens- und forschungsintensive Unternehmen neigen dazu, sich in enger räumlicher Nähe zueinander anzusiedeln. Sie profitieren auch von den wirtschafts- und forschungsfreundlichen Exzellenzuniversitäten: Innovation begünstigt Innovation.

Hinter dem digitalen Aufbruch Münchens steht auch eine politische Strategie. Bayern setzt systematisch auf eine Standortpolitik für Zukunftstechnologien. Der Freistaat hat - andere als der Bund - eigens ein Digitalministerium geschaffen. Die Digitalministerin Judith Gerlach ist seit Jahren mit freundlicher Zielstrebigkeit fleißig unterwegs, das bayerische Silicon Valley zu formieren. Auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel trat sie nun selbstbewußt und augenzwinkernd mit einem Ortsschild auf: „München Digitalhauptstadt“.

Berlin wird es zähneknirschend vernehmen, denn eine der aufwändigsten Standort-Studien bestätigt Gerlachs Proklamation. Der „Global Talent Competitiveness Report“ analysiert seit vielen Jahren, wo das beste Arbeits- und Wirtschaftsklima für Startups herrscht. Unter den deutschen Metropolen ist München klar am besten platziert (Platz 20 im globalen Ranking). Berlin findet sich hingegen etwas abgeschlagen, ganze 12 Plätze hinter München wieder. Sieben Ränge dahinter wiederum liegt Frankfurt (39.).

Die Nähe zu den Exzellenz-Universitäten und zu den großen Dax-Konzernen, die in der Stadt vertreten sind, fördert offenbar das Gründerklima in diesem Segment. In München würde viele Unternehmensgründungen im Umfeld kapital- und technologiestarker Konzerne gewagt, dies erhöhe die Erfolgschancen von Gründungen erheblich. Außerdem gebe es in München eine hohe Zahl hochqualifizierter Fachleute und eine dynamische Zuwanderung von junger Intelligenz in die Metropole. Die gute Infrastruktur und der hohe Freizeitwert spiele ebenfalls eine Rolle.

Insbesondere im Feld der künstlichen Intelligenz zieht München offenbar viele neue Gründer an. Insgesamt haben sich inzwischen 132 Startups diesem Feld verschrieben. Das hat die sogenannte „Applied AI“-Initiative von UnternehmerTUM herausgefunden. Fast zwei Drittel aller KI-Start-ups haben sich in nur zwei Städten niedergelassen: in Berlin und München.

In München sind Startups dabei regelmäßig wirtschaftlich erfolgreicher als in Berlin, offenbar hilft die Nähe zur Realwirtschaft. Vom Verkehrsunternehmen Flixbus über das börsennotierte Flugtaxi-Start-Up Lilium bis zum Software-Startup Celonis (inzwischen in die Milliardenbewertung vorgedrungen) reicht die Palette der Münchner Erfolgsgeschichten. Besonders aktiv sind derzeit Ausgründungen aus den wissenschaftlichen Instituten, etwa aus dem Max-Planck-Institut, die sich um neue Quantencomputer kümmern.

Judith Gerlach reicht das alles nicht. Sie kündigt an, ihre Digitaloffensive noch zu verstärken: „Wir investieren mit der High Tech Agenda 3,5 Milliarden Euro in den Forschungsbereich und damit auch in unsere bayerische digitale Wettbewerbsfähigkeit. Damit setzen wir wichtige Impulse, um etwa ein europaweit einzigartiges Ökosystem für Künstliche Intelligenz in Bayern zu etablieren.“ Berlin wird kämpfen müssen, wenn es Schritt halten will.

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