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Finanzierung > Kaufhof-Pleite und Ausblick 2024

Rollt jetzt die Insolvenzwelle?

Galeria meldet zum dritten Mal Insolvenz an. Zudem ließen neue Berechnungen die Wirtschaft aufschrecken: Die Zahl der Insolvenzen soll 2024 um 30 Prozent steigen. Warum das an sich kein Drama ist - und was wirklich Sorgen macht.

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Galeria ist erneut insolvent.

Am Dienstag hat die Wahrenhauskette Galeria Kaufhof Karstadt zum dritten Mal Insolvenz angemeldet. Anders als 2020 und 2022 wird die Pleite dieses Mal allerdings nicht im Schutzschirmverfahren behandelt, sonders es handelt sich um eine Regelinsolvenz. Das bedeutet unter anderem, dass ein Insolvenzverwalter die Leitung des Unternehmens übernimmt. Dafür wurde Stefan Denkhaus bestellt. Auf dem Hamburger Anwalt liegen nun die Hoffnungen der gut 15.000 Beschäftigten.

Die Galerie-Pleite passierte wie es der Zufall will einen Tag, nachdem neue Analysen zum Insolvenzgeschehen in Deutschland bekannt wurden. Jahrelang war Deutschland im weltweiten Vergleich unter Durchschnitt bei der Zahl der Insolvenzpleiten. Seit 2023 ist das anders: Laut einer Auswertung der Restrukturierungsberatung Falkensteg stieg die Zahl der Firmenpleiten im vergangenen Jahr 26 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 15.000 Firmen waren betroffen, damit liegt Deutschland im weltweiten Schnitt, die der Kreditversicherer Allianz Trade errechnet hat. Dabei muss man wissen: Während der Corona-Pandemie hatte die Regierung die Insolvenzmeldepflicht zeitweise ausgesetzt, so dass es 2023 einen Nachholeffekt gab.

Da zu kommt ein auf nüchterner Ausblick: Falkensteg schätzt, dass es  2024 über 30 Prozent mehr Insolvenzen gibt. Die deutschen Kreditversicherer gehen allerdings nur von einem Anstieg um zehn Prozent aus. Es dürfte vor allem Betriebe aus dem Handel, der Modebranche, das Gesundheitswesens, der Immobilienwirtschaft und der Baubranche treffen. Problematischer wird die Lage auch in der Gastronomie, bei Autozulieferern sowie Maschinen- und Anlagenbauern. Neben der reinen Zahl der Insolvenzen sieht es auch bei den anderen beiden Kennziffern düster aus: Zum einen sind auch immer mehr größere Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro betroffen. Zum anderen wird eine niedrigere Quote erwartet bei den Firmen, die es durch das Insolvenzverfahren schaffen.

Laut der Falkensteg-Berechnung konnten von den großen Unternehmen, die 2022 zahlungsunfähig wurden, bis Ende 2023 nur 52 Prozent gerettet werden. 2020 waren es noch 62 Prozent. Rettung heißt konkret, dass das Unternehmen an einen Investor verkauft werden konnte oder die Gläubiger einem Insolvenzplan zustimmten. Doch selbst das wäre im historischen Vergleich eher eine Rückkehr zur Normalität. Die Zahl der Insolvenzen liegt weit unter den Werten der 2000er- und 2010er-Jahre – damals gab es phasenweise dreimal so viele wie 2023. Dennoch sind die Schäden beträchtlich: Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform schätzt die ausfallbedrohten Forderungen von Gläubigern in 2023 auf 34 Milliarden Euro.

Von Panikmache hält Malte Köster, Insolvenzverwalter und Partner der Kanzlei WillmerKöster, aber nichts: „In meiner Wahrnehmung gibt es keine große Nervosität bei den Kreditinstituten.“ Allem Anschein nach halten die Banken bei den Kreditforderungen lieber still, als einen Dominoeffekt zu erzeugen. Schließlich spricht ja auch vieles für eine temporäre Schwäche. „Selbst wenn es 2024 einen Anstieg um 30 Prozent geben sollte, wäre das eher einer Normalisierung, für die es logische Gründe gibt.“

So unterschiedlich die jeweiligen Gründe für eine Pleite sind, zwei große Parallelen gibt es laut Köster bei den allermeisten Fällen: „Es sind häufig auch menschliche Fehler, die zur Insolvenz beitragen.“ Und die Insolvenzanträge werden zu spät gestellt. „Es wird zu lange auf den rettenden Strohhalm gehofft.“ Es gab immer wieder Ansätze der Politik, solche Verzögerung durch schärfere Gesetze zu vermindern – immerhin ist der volkswirtschaftliche Schaden ja auch immens. Dennoch: gerade bei mittleren und kleineren Unternehmen werden Insolvenzanträge nach wie vor häufig zu spät gestellt.

Hausgemacht ist so manche Insolvenz auch deshalb, weil Eigentümer ihre Nachfolge zu spät oder zu unprofessionell angegangen sind: „Ich setze oft auf gescheiterten Verkaufsverhandlungen auf“, sagt Insolvenzverwalter Köster. Es kommt „nicht selten vor“, dass die Übergabe nicht funktioniert und das Unternehmen so in die Pleite rutscht. Für Insolvenzverwalter ist das eine vergleichsweise gute Ausgangslage, schließlich gibt es in der Regel Kaufkandidaten. „Die Nachfolge lässt sich gut aus der Insolvenz organisieren“, sagt Köster. Bei kleinen Betrieben sei es allerdings unwahrscheinlich, Käufer jenseits von „Friends and Family“ zu finden.

Arbeitsmarkt ist großer Risikofaktor

Langfristig könnte der Personalmangel ein Treiber für Insolvenzen sein: Gerade im Gesundheitssektor ist das heute schon erkennbar: Betreiber von Altenpflege-Heimen müssen nach dem Personalbemessungsverfahren eine bestimmte Zahl von Pflegekräften beschäftigen. Vielen stellt sich in Zeiten des Personalmangels die Wahl zwischen zwei Übeln: Entweder machen sie Verlust, weil sie teure Leiharbeiter beschäftigen. Oder die reduzieren die Bettenzahl – und kommen dann nicht mehr auf die kritische Größe, um ihre Einrichtung profitabel halten zu können.

Auch der Handwerker, der heute zig Aufträge mangels Personal absagen muss, kann morgen in Liquiditätsnot geraten, wenn sich die Rahmenbedingungen in seiner Branche ändern, was gerade zum Beispiel in der Baubranche passiert. Hier kam es vor allem bei den Immobilien-Entwicklern schon zu einigen auch großen Pleiten. „Die sind meistens eher dran als die Bauunternehmen selbst, hier könnte noch einiges kommen“, befürchtet Köster. Ein Grund sei nach 15 Jahren Boom auch „die mangelnde Erfahrung mit Krisen und Restrukturierungsthemen. Dabei bieten insbesondere StaRUG-Verfahren Immobilienentwicklern greifbare Sanierungschancen“. Die Auskunftei Creditreform zählt in diesem Sektor jetzt schon 81 Insolvenzen je 10.000 Firmen, der Durchschnitt liegt bei 60.

Pleiten von Start-ups auf Rekordhoch

Ein weiter großer Sorgenfaktor ist die steigende Zahl von Insolvenzen bei jungen Firmen: 2023 sind hierzulande so viele Start-ups pleitegegangen wie nie zuvor. Der Datendienst Startupdetector hat 297 Insolvenzen bei Jungfirmen gezählt, 65 Prozent mehr als 2022. Besserung sei laut der Experten nicht in Sicht, 2024 dürfte es noch mehr Pleiten geben.

Betroffen waren im vergangenen Jahr auch sehr bekannte Namen: Beim Onlinehändler Social Chain hing zum Beispiel Georg Kofler mit drin. Auch der Solarauto-Anbieter Sono Motors musste in die Insolvenz. Hauptgrund in all den Fällen: mangelndes Geld von Investoren. Viele schreckten mit Brückenfinanzierungen zurück. Die gestiegenen Zinsen sind zudem gerade für junge Firmen ein großes Problem.

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