Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Personal > Serie Bürokratie

Gelesen, gelacht, gelocht: Innovationen in Gefahr

Erst Kooperationen von Wissenschaft und Unternehmen sichern die Technologieführerschaft vieler Unternehmen. Viele scheitern an der Bürokratie. Fraunhofer weiß, wie es besser ginge. 

Nicht nur der Mittelstand lebt vom Wissenstransfer aus Universitäten und Fachhochschulen. Auch DAX-Konzerne können nicht darauf verzichten. Umso unverständlicher ist es, dass alle Beteiligten seit Jahren über bürokratische Hürden klagen, die innovative Projekte ausbremsen. Aber nicht nur das. Der bürokratische Überbau hält die Entscheidungsträger an den Hochschulen auch von Forschung und Lehre ab. So wertete die Universität Halle die Terminkalender dortiger Professoren aus. Das Ergebnis: 20 bis 40 Prozent ihrer Arbeitszeit verwendeten sie für Bürokratie. Studienleiter Peer Pasternack beklagt: „Gut dotierte Professoren damit zu beschäftigen, ist eine grandiose Verschwendung öffentlicher Mittel“.

 

Die Wissenschaftler der Fraunhofer Gesellschaft, übrigens aus Steuergeldern finanziert, ärgern sich denn auch über die deutsche Liebe zum Formblatt. Sie warnen: „In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP versprochen: Wir werden Bürokratie in Forschung und Verwaltung durch Shared-Service-Plattformen, Synergiemanagement und effizientere Berichtspflichten abbauen.“ Tatsächlich bestünden aber weiterhin erhebliche rechtliche und bürokratische Hürden, die die effiziente Zusammenarbeit zwischen den von den Ländern getragenen Universitäten und Hochschulen mit Fraunhofer erschweren.

 

Die Forscher haben deshalb ein lesenswertes Positionspapier mit vier Vorschlägen vorgelegt.


1) Personalaustausch


Das Problem: Nur ein durchlässiges Gesamtsystem von Wissenschaft und Praxis ermöglicht anwendungsorientierte Grundlagenforschung und Innovationen. Die Universitäten bieten mit ihrer Lehre Qualifizierungsmöglichkeiten, die sowohl den Studierenden als auch den Lehrenden neue Impulse bringen. Doch der Austausch zwischen den Hochschulen und Fraunhofer als Wissensvermittler in die Wirtschaft funktioniert nicht reibungslos.

 

Der Vorschlag: Bund und Länder sollen die Fraunhofer Gesellschaft ermächtigen, ihre Gelder gezielt an Universitaäten und Hochschulen zur Förderung der Angewandten Wissenschaften einzusetzen. Bisher dürfen sie nur bis zu fünf Prozent der Zuwendungsmittel zur Vernetzung mit der Wissenschaft weiterleiten - und nur an eine juristische Person, an der Fraunhofer beteiligt ist.

 

2) Gemeinsame Infrastruktur

 

Die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder fordert eine bessere Vernetzung außeruniversitäre Forschung und Universitäten. Dazu gehört ganz pragmatisch auch eine aufeinander abgestimmte Nutzung von Geräten, Räumen und weiterer Forschungsinfrastruktur.

 

Das Problem: das Zuwendungs- und Haushaltsrecht. Es fordert eine Zweckbindung bei der Mitbenutzung der Geräte durch den jeweiligen Partner. In letzter Konsequenz wäre damit eine, in der Praxis sinnvolle, Nutzung auch durch Dritte ausgeschlossen. Zudem sollte die Nutzung ausgeglichen werden. Der dafür nötige hohe administrative Dokumentationsaufwand führe manche Kooperation ad absurdum.

 

Der Vorschlag: Rechtlich sollte eine gemeinsame Nutzung der Infrastruktur ausdrücklich zulässig und ohne administrativen Zusatzaufwand möglich sein. Dazu gehört eine steuerrechtliche Klarstellung.

 

3) Bessere Gehälter

 

Dabei geht es um die Gehälter kluger Köpfe bei der Fraunhofer Gesellschaft. Für die Gewährung ihrer Leistungsbezüge ist immer eine Abstimmung zwischen Fraunhofer und Universität erforderlich. Die Universitäten agieren bei besonderen Leistungs- und Funktionsleistungsbezügen aber häufig sehr restriktiv, so dass eigentlich mögliche Bezüge in vielen Fällen nicht gewährt werden können. Zudem werden die Geldflüsse in diesem „Berliner Modell“ zunehmend als umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustausch bewertet, was das Modell für die Universitäten unattraktiv macht.

 

Die Lösung: Unter anderem sollten gesetzliche Sonderregelungen für Leistungsbezüge, die von Fraunhofer finanziert werden, gelten. Entweder durch mehr Freiheit für die Universitäten bei der Besoldung oder durch die Zulassung von Direktzahlungen im Rahmen der allgemein geltenden besoldungsrechtlichen Vorgaben.

 

3) Hochschul-Kooperationen

 

Vor allem die Hochschulen für angewandte Wissenschaften bzw. Fachhochschulen (HAW/FH) bilden den Nachwuchs in den Ingenieurwissenschaften aus. Damit sind sie gerade für regional ansässige Unternehmen ein wichtiger Partner bei der Rekrutierung von Fachpersonal.

 

Das Problem: Der Auftrag dieser Art von Hochschulen lautete bisher eher Lehre als Forschung. Für Kooperationen mit Fraunhofer muss eine Hochschule aber auch der Forschung einen sehr hohen Stellenwert einräumen. Doch der scheitert oft am Lehrdeputat eines HAW/FH-Professors. Bei in der Regel 18 Semesterwochenstunden bleibt ihm oder ihr wenig Zeit für eine den Universitäten vergleichbare, auf höchstem Niveau erfolgende Forschung. Fraunhofer macht daher für eine Kooperation mit den Fachhochschulen eine Reduzierung des Lehrdeputats um die Hälfte zur Voraussetzung. Dafür brauchen die HAW/FH aber eine rechtssichere Grundlage.

 

Die Lösung:  Eine Forschungsprofessur würde das zeitliche Dilemma lösen. Die aber kann nach den Landesgesetzen oft nur befristet erteilt werden. Das wiederum limitiert den Erfolg des Projekts.  Über Honorarprofessuren könnten Forschende bei Fraunhofer verstärkt einen Beitrag zur aktuellen Lehre leisten und damit zugleich die Hochschulen entlasten. Auch die Einbindung von Fraunhofer-Mitarbeitenden im Rahmen von sog. Shared Professorships könnte die Zusammenarbeit vertiefen.

 

Übrigens kämpft die Wissenschaft mit demselben Problem wie der Mittelstand, der sogenannten A1-Bescheinigung. Die Kanzlerin der Johannes Gutenberg Universität Mainz, Waltraud Kreutz-Gers, beantwortete im vergangenen Jahr die Frage, was ihr eindrücklichstes Erlebnis mit der Bürokratie sei. „Ein Highlight ist aus meiner Sicht die A1-Bescheinigung, der Sozialversicherungsnachweis. Sie verursacht einen riesigen Verwaltungsaufwand, weil sie auch bei kurzen Auslandsaufenthalten gilt, die im Hochschulbereich häufig sind.“  Mit Interesse habe Kreutz-Gers gelesen, dass in Österreich die pauschale Ausstellung für zwei Jahre möglich ist. Die entsendete Person muss nur regelmäßig in mehreren EU-Ländern arbeiten. Da lacht die Wissenschaftlerin.

Ähnliche Artikel