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Schlechte Bezahlung, kein englisch in Behörden: In Deutschland zu arbeiten ist kein Traum

Deutschland kann bei Löhnen teilweise nicht mithalten: Luxemburg zahlte Krankenpflegern 2018 durchschnittlich 114.064 Euro im JahrBild: Shutterstock

Fehlende Anerkennung von Abschlüssen, ein geringes Lohnniveau und unzureichende Englischkenntnisse in den zuständigen Behörden: Die Liste der Probleme beim Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland ist lang. Dabei war genau dies das Ziel des im März 2020 mit großen Hoffnungen eingeführten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG). Das Gesetz ist ein klares Bekenntnis zu Deutschland als Einwanderungsland und ein erster Schritt zu einer migrationsfreundlichen Willkommenskultur. Allerdings kann es den Erwartungen bislang nicht vollumfänglich gerecht werden. Vor allem um im internationalen Wettbewerb mit anderen Zuwanderungsstaaten, wie etwa den englischsprachigen Ländern oder Skandinavien mithalten zu können, muss an einigen Stellen nachgebessert und so Anreize für hoch qualifizierte Migranten geschaffen werden. Unbürokratischere Migrationsverfahren, eine erleichterte Anerkennung von Berufsabschlüssen und -erfahrung und weniger sprachliche Hürden könnten hier den Anfang machen.

Anfang März 2020 trat mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) die bislang „größte Reform unseres Einwanderungsrechts“ in Kraft. So formulierte es der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil. Die Bundesregierung sendete damit ein eindeutiges Signal: Deutschland und seine Wirtschaft sind nicht nur auf mehr Einwanderung angewiesen, sondern man begreift sich auch explizit als weltoffenes Einwanderungsland.

Vor dem Hintergrund des in etlichen Branchen grassierenden Fachkräftemangels, erhofften sich die politisch Verantwortlichen mit der Gesetzesinitiative einen deutlichen Anstieg beim Zuzug qualifizierter Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt. Erstmals wollte die Politik neben hochqualifizierten Hochschulabsolventen auch Nicht-Akademiker, etwa aus der Pflege- oder Baubranche, explizit in den Fokus nehmen und für eine Karriere in Deutschland begeistern. Das Timing war dabei etwas unglücklich, denn die einsetzende Corona-Pandemie verpasste den Ambitionen einen ersten kräftigen Dämpfer. Aber auch jetzt, wo sich die die weltweite Lage mit Blick auf Reisebeschränkungen entspannt, zeichnet sich ab, dass der erhoffte Effekt des FEG größtenteils ausbleibt.

Gut zweieinhalb Jahre nach der Einführung des FEG lohnt es sich deshalb nun, die zentralen Hindernisse beim Werben um ausländische Fachkräfte genauer zu beleuchten. Deutschland zählt nämlich keineswegs zu den weltweit beliebtesten Fachkräfteeinwanderungsländern, das sich vor einreisewilligem qualifiziertem Personal kaum retten kann. Vielmehr sorgen zahlreiche Hürden und Eigenheiten des hiesigen Arbeitsmarktes dafür, dass sich die betroffenen Personen im Zweifelsfall lieber für die skandinavischen Länder, die Vereinigten Staaten oder den Klassenprimus Kanada entscheiden.

Deutschland kann im internationalen Vergleich bei Löhnen teilweise nicht mithalten

Zunächst muss man berücksichtigen, dass viele systemrelevante Berufe wie Kranken- oder Intensivpfleger, Betreuer für Menschen mit Behinderung oder Sozialarbeiter im internationalen Vergleich besser bezahlt werden als in Deutschland. Die mangelnde Wertschätzung den Arbeitnehmern gegenüber, die teilweise bis zur Erschöpfung arbeiten müssen und dafür keine angemessene Entlohnung erhalten, schreckt potenzielle Interessenten frühzeitig ab. Gerade in diesen Berufen besteht aber ein dringender Fachkräftebedarf, der in den nächsten Jahrzehnten aufgrund der alternden Bevölkerung noch ansteigen wird.

Während man in Deutschland während der Hochphase der Pandemie zwar Verbesserungen ankündigte, sich zu einer höheren Vergütung für Pflegekräfte aber letztlich doch nicht durchringen konnte, machen andere Staaten hier längst Nägel mit Köpfen. Als internationaler Spitzenreiter zahlte Luxemburg Krankenpflegern 2018 laut einer OECD-Studie beispielsweise durchschnittlich 114.064 Euro im Jahr. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Belgien (89.445 Euro) und die USA (77.670 Dollar). Bereits anhand dieser Zahlen ist deutlich zu erkennen, dass Deutschland hier nur schwer mithalten kann. Hierzulande belief sich das Durchschnittsgehalt einer Pflegekraft laut der Studie auf lediglich 42.000 Euro.

Fehlende Anerkennung ausländischer Abschlüsse verkompliziert Arbeitsmigration

Zudem wird der Pflegeberuf in anderen Ländern aber auch dadurch aufgewertet, dass er zum Teil mit einer akademischen Ausbildung verknüpft werden kann. So sind sogenannte „Nursery Schools“ an vielen angelsächsischen Universitäten längst etabliert, während man sich in Deutschland gegenwärtig noch schwertut, den Lehrberuf zu akademisieren. Damit einher geht allerdings eine  - im internationalen Vergleich - gesellschaftliche Abwertung des Berufsstandes, der im Hinblick auf seine enorme Bedeutung hierzulande bislang keine ausreichende Wertschätzung genießt.

Obwohl ausländische Abschlüsse hinsichtlich der fachlichen Qualifikation also durchaus mit inländischen mithalten können, führt das duale Ausbildungssystem in der Praxis immer wieder zu Anerkennungsproblemen. Der weltweit einzigartige Ansatz, die Ausbildung auf den Betrieb und die Berufsschule aufzuteilen, führt nämlich regelmäßig dazu, dass kompetente Einwanderer hierzulande nicht entsprechend ihrer Qualifikation arbeiten können. Berufserfahrenen Arbeitnehmern muss der Weg in den deutschen Arbeitsmarkt leichter und unbürokratischer geebnet werden, ohne dass man auf einen Nachweis über einen dualen Berufsabschluss pocht. Bisweilen erweckt die öffentliche Debatte hierdurch den Eindruck, dass der sprichwörtliche Berg zum Propheten kommen soll, obwohl angesichts der aktuellen Situation in nahezu allen Branchen pragmatische Lösungen gefragt wären. Es liegt auf der Hand, dass man aktuell noch zu viele potenzielle Fachkräfte verliert, die in anderen Ländern schlichtweg weniger Hindernissen ausgesetzt sind und rasch mit der Arbeit beginnen können.

Selbstverständlich rühmt man sich in Deutschland zurecht damit, dass Arbeit „Made in Germany“ stets mit einem hohen Qualitätsanspruch einhergeht. Diesen Anspruch sollte man auch nicht verlieren. Deshalb bedarf es Standards, die es ermöglichen, ausländische Berufsabschlüsse mit Blick auf deren Qualifikationsgrad mit ihrem deutschen Pendant vergleichbar zu machen. Auch einschlägige Berufserfahrung, die in vielen Ländern eines der wichtigsten Kriterien bei der Bewertung von Fachkräften ist, muss hierbei berücksichtigt werden.

Englisch als zusätzliche Verwaltungssprache als Zeichen einer echten Willkommenskultur

Ein weiterer Faktor, der Deutschland auf dem Weg zum attraktiven Fachkräfteeinwanderungsland noch hemmt, besteht darin, dass in den Behörden keine englischsprachigen Dokumente zur Verfügung stehen. Da gegenwärtig nur Deutsch als Verwaltungssprache anerkannt ist, stoßen viele fremdsprachige Einwanderer bei den obligatorischen Behördengängen auf eine erhebliche Barriere. Deshalb könnte eine große Chance darin bestehen, Englisch als zweite Verwaltungssprache anzuerkennen und es Migranten mit geringen Deutschkenntnissen aber hoher fachlicher Kompetenz merklich einfacher zu machen.

Häufig wird behauptet, Fachkräfte bräuchten für ihr Arbeitsverhältnis doch ohnehin passable Deutschkenntnisse und könnten deshalb doch auch mit den aktuellen Verwaltungsdokumenten gut umgehen. Allerdings findet die Kommunikation in bestimmten Branchen wie beispielsweise der IT längst vorwiegend in englischer Sprache statt. Auch in Belegschaften in der Industrie und in Dienstleistungsbranchen, die international zusammengesetzt sind, ist Englisch vielfach schon die Arbeitssprache. Dementsprechend erscheint es zunehmend kontraproduktiv, in den Amtsstuben gute Deutschkenntnisse vorauszusetzen, wenn diese im beruflichen Umfeld überhaupt nicht vonnöten sind. Ein pragmatisches Vorgehen, das die veränderten Bedingungen in einer globalisierten Welt anerkennt und auch englischsprachigen Fachkräften einen unproblematischen Behördengang ermöglicht, könnten das Werben um Fachkräfte zukünftig wirksam ergänzen.

Sollten aktuell Sprachdefizite auf Seite der Behörden vorherrschen, müsste diesen mit internen Weiterbildungskursen begegnet werden, um einzelnen Behördenmitarbeitern eine schnelle Verbesserung ihrer Fähigkeiten ermöglichen. Wer bereits gutes Englisch spricht, könnte auch heute schon einwanderungswillige Fachkräfte effektiv betreuen und bei der Integration unterstützen.

Politische Anreize sollten FEG flankieren

Das FEG verfügt als Bekenntnis zu einer weltoffenen Bundesrepublik fraglos über ein enormes Potenzial. Deutschland muss in den kommenden Jahrzehnten zu einem attraktiven Einwanderungsland werden, will es seine Probleme mit dem Fachkräftemangel in den Griff bekommen. Das FEG war das richtige Zeichen zur richtigen Zeit, nun muss aber parallel an politischen Stellschrauben gedreht werden, um einen echten Mehrwert zu ermöglichen. Gelingt es der Politik die angesprochenen Herausforderungen zu bewältigen und qualifizierten Fachkräften den hiesigen Arbeitsmarkt schmackhaft zu machen, kann Deutschland weiterhin zu den führenden Industrienationen der Welt gehören.

Dr. Axel Boysen verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Beratung von Mandanten aus einem breiten Spektrum von Branchen in Fragen der Einwanderung und des internationalen Arbeitsrechts, einschließlich komplexer Compliance- und Risikomanagementfragen.  Vor seinem Wechsel zu Fragomen, war er als Leiter des Bereichs Internationales Arbeits- und Einwanderungsrecht bei einem führenden globalen Unternehmen tätig. Dr. Boysen hält regelmäßig Vorträge zu Themen im Bereich des internationalen Arbeits- und Einwanderungsrechts.

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