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Recht und Steuern > Pflicht zur eRechnung

Das Aus für den Schuhkarton

Die elektronische Rechnung wird zur Pflicht. Gerade für Kleinstbetriebe dürfte sie den entscheidenden Digitalisierungsschub bringen.

Leider alles drin: Die Buchführung mancher Kleinfirma sammelt sich im Karton – nebst Notizzetteln und Konzepten. Bildquelle: KI-generiert/Shutterstock.com

Auch wenn Historiker streiten, ob die doppelte Buchführung wirklich in Italien erfunden wurde oder es ein Import aus dem Morgenland war: Im ausgehenden Mittelalter wurden die Südeuropäer zum Vorbild für vieles von dem, was wir heute Controlling nennen. Vielleicht wiederholt sich Geschichte im Jahr 2024. In Deutschland wird die elektronische Rechnung, kurz E-Rechnung, eingeführt, in Italien ist sie auch für Kleinstbetriebe bereits seit 2019 Pflicht. Damals war der Aufschrei groß, heute haben sich die Verfahren längst etabliert.

„Die Ängste, dass dahinter eine große Kontrollaktion steckt, sind verflogen“, sagt Christian Steiger, Geschäftsführer von Lexware. Er sieht viele Vorteile. Auch Ivo Moszynski, Leiter Strategie E-Rechnungen bei Datev, nennt die Vorbildrolle von europäischen Nachbarländern wie Italien. „Die Vorzüge der E-Rechnung, von denen man immer erzählt hat, greifen dort.“ Die Vorteile würden inzwischen in der Breite anerkannt, Geschwindigkeit und Transparenz hätten zugenommen.

In Deutschland schreibt das Gros der mehr als drei Millionen Betriebe hierzulande seine Rechnungen noch auf Papier oder versendet PDF. „Es gibt einen hohen Nachholbedarf“, sagt Moszynski. „Für die meisten kleineren Unternehmen hat sich der Aufwand bisher nicht gelohnt im Verhältnis zum Nutzen.“ Doch was im Moment noch freiwillig ist, wird Deutschlands Betrieben bald verordnet. Die E-Rechnung kommt per Gesetz. Die Meinungen darüber sind gespalten, aber die Tendenz geht zur Zustimmung. Mag so mancher Verband noch wettern, beurteilen objektive Fachleute die Pflicht zur E-Rechnung positiv – Chance statt Drangsalierung.

Lange Übergangszeit

Die Regelung tritt 2025 in Kraft. Es gibt zwei Jahren Übergangsfrist plus ein weiteres Jahr für Unternehmen mit weniger als 800.000 Euro Jahresumsatz. „Der Gesetzgeber ist den Unternehmen entgegengekommen“, sagt Moszynski. „Obwohl die Politik vergleichsweise pragmatisch an die Sache herangeht, wird die Umsetzung der Vorgaben in der Praxis Herausforderungen mit sich bringen.“ Denn einige Branchen brauchen angepasste Lösungen. „Ich finde es aber gut, dass wir starten, bevor jeder mögliche Sonderfall durchdekliniert wird“, sagt der Fachmann. Kunden wünschen sich schließlich zusätzlichen Service. Wenn ein Friseursalon seine Kassensysteme in den kommenden Monaten und Jahren digitalisiert, wird die neue Software oft auch den Kundenkontakt einfacher gestalten und in vielen Bereichen Erleichterungen bringen. Ein Beispiel: Statt vor Ort mitzubekommen, dass der Friseur seines Vertrauens krank ist, erfährt man es automatisiert und in Echtzeit per SMS. „Die E-Rechnung ist Anschub für weitere Digitalisierungsprozesse zum Wohl der Kunden“, sagt Datev-Experte Moszynski.

Naturgemäß stimmen die Anbieter von entsprechender Software hier zu. „Die Pflicht ist eine große Chance für die Digitalisierung von kleinen Unternehmen. Die E-Rechnung bringt kleine Unternehmen zu Software, die ihnen langfristig helfen wird – weit über das Thema Rechnungen hinaus“, sagt Lexware-Geschäftsführer Steiger. „Keiner unserer Kunden hat sich selbstständig gemacht, um Buchhaltung zu erledigen.“ Entsprechend sieht er trotz eines gewissen Einmalaufwandes zum Start nur Gewinner. Der Staat hat es leichter, in Echtzeit die Umsatzsteuer zu erhalten und zum Beispiel auch Betrugsfälle zu unterbinden. Die Steuerberater können sich im Wortsinn viel stärker auf die Beratung konzentrieren, anstatt sich mühsam durch die Zettelwirtschaft zu klamüsern. Und die Unternehmen profitieren nicht zuletzt dadurch, dass Deckungsbeiträge viel sichtbarer werden und sie insgesamt durch eine digitale Rechnungslegung Zeit sparen.

Der größte Vorteil sei aber, dass durch die E-Rechnung häufig die Digitalisierung des Unternehmens insgesamt vorangetrieben werde, sagt Steiger. „Wer sich um eine Software für die Rechnungen kümmert, kann zum Beispiel das Thema elektronische Zeiterfassung oder Kundenkommunikation gleich miterledigen.“ Statt auf mehrere einzelne Softwarelösungen zu setzen, rät er besonders kleinen Unternehmen, auf eine Kernlösung zu setzen, die sich um passende Pakete aus einem bestehenden Partner-Ökosystem erweitern lässt. „Das ist viel leichter und übrigens auch günstiger, als es aussieht.“ Einstiegspakete kosten Steiger zufolge weniger als eine Schachtel Zigaretten pro Monat.

Lexware hofft durch den Push die wesentlichen Wettbewerber der Softwareanbieter ausstechen zu können. „Unsere größten Konkurrenten sind Excel und das Papier.“ Er sieht auch eine Parallele zum Lieferkettensorgfaltsgesetz auf viele Betriebe zukommen. Die sind per Gesetz noch nicht zur Rechenschaft verpflichtet, aber ihre Kunden, eben größere Firmen, die Nachweise erbringen müssen, verlangen es von ihnen. Bei der E-Rechnung mag es ähnlich kommen, vermutet Steiger. „Wenn die Großen verpflichtet werden, müssen viele Kleine auch mitziehen.“

Standards nötig

Von den 32 Milliarden Rechnungen, die jährlich hierzulande versendet werden, sind rund ein Drittel elektronisch. Und dazu zählt die Statistik bisher sogar noch PDF, die streng genommen keine elektronische Rechnung sind. „Wir sind ein Papierland mit ein bisschen PDF“, unkt Moszynski. Unter einer E-Rechnung versteht der Gesetzgeber einen Datensatz, der in eine Software importiert wird, wo dann alle notwendigen Felder automatisch gefüllt werden. Es sind XML-Dateien, die man, platt gesagt, nicht angucken kann.

Stellt sich die Frage: Was passiert, wenn der Empfänger mit der XML-Datei nichts anfangen kann? Ein PDF kann sich jeder angucken, bei XML sind Standards nötig. Und auf die setzt der Gesetzgeber. Softwareanbieter können sich daran orientieren und so endet in spätestens einem Jahr der Wildwuchs. Hoffentlich. Als Übergangsszenario hat das Forum elektronische Rechnung Deutschland, deren Vorsitzender Moszynski ist, eine hybride Rechnung erfunden. Sie ist als PDF lesbar, aber im PDF ist eine XML-Datei enthalten. Der Gesetzgeber hat den Standard anerkannt.

Das ist auch ein Weg, um vor allem Kleinstunternehmen abzuholen. „Die E-Rechnung ist ein Spiegelbild der Digitalisierung, der kaufmännischen Prozesse“, sagt Moszynski. Es gibt sie grundsätzlich seit 20 Jahren und Studien belegen immer wieder ihr Einsparpotenzial, das bei großen Unternehmen deutlich höher ist als bei kleinen. Der Aufwand, sie einzuführen, ist bei kleineren Unternehmen an sich überschaubar, aber es fehlt in der breiten Masse an einsteigerfreundlichen Lösungen. Hauptgrund dafür ist eben, dass sich die Softwareanbieter in der Vergangenheit eher auf Lösungen für größere Unternehmen spezialisiert haben. Dies wird sich mit dem Gesetz ändern. Dennoch fallen die Reaktionen der Verbände sehr unterschiedlich aus – von Zustimmung bis Ärger ist alles dabei.

Es gilt also, das Gros des Mittelstandes zu überzeugen. Zahlreiche Info-Veranstaltungen sind schon geplant, auch vonseiten der IHK. Am Ende braucht es überzeugende Antworten auf die Frage: Habe ich dafür Leute? Kann ich das zeitlich gerade einrichten? „Das ist für kleine Betriebe einfach und kann nur funktionieren, wenn ich Software habe, die einfach zu nutzen ist und auch ohne großen Einrichtungsaufwand Mehrwerte für die Unternehmen bietet“, sagt Moszynski. 

Der erste Schritt für das Unternehmen führt in der Regel zum Steuerberater. Der ist eine Art Lotse und wird auch perspektivisch der wesentliche Ansprechpartner sein. „Damit fällt den steuerlichen Beratern nun in vielen Fällen die wichtige Aufgabe zu, ihre Mandanten für die E-Rechnung fit zu machen. Darauf müssen sie sich möglichst bald vorbereiten“, sagt Moszynski. Was sie zweifellos aus eigener Motivation tun werden. Wer hätte nicht lieber eine digitale Fassung der Rechnungen statt eines Schuhkartons voller Zettel?

Der zweite Schritt für den Betrieb ist die Wahl der Software basierend auf der Frage, was es schon im Unternehmen gibt. So mancher Friseur hat heute schon Kassenlösungen oder Reservierungssysteme, wo abzusehen ist, dass deren Anbieter nun eilig auch eine Technologie für elektronische Rechnungslegung dazu bauen. Ob es ab 2028 eine Sanktionierung geben wird für die Betriebe, die keine E-Rechnungen verschicken, ist noch nicht entschieden. In Italien jedenfalls funktioniert das System sehr gut.

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