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China laufen die Millionäre davon

Die Wohlstandswanderung, also das Kommen und Gehen der internationalen Millionärsschicht, ist ein Frühindikator dafür, wie es einem Land geht. So gesehen hat China ein Problem, Australien geht es sehr gut. Wo steht Deutschland?

China verliert seine Millionäre
Aus den Wanderungsbewegungen lässt sich ablesen: China verliert seine Millionäre. Quelle: Shutterstock

Es gibt einen neuen Sehnsuchtsort für arm und reich, und der heißt Australien. Der Südkontinent zieht Auswanderer an wie kein zweiter Staat auf dem Planeten. Und sucht sich seine Neubürger traditionell sorgfältig aus. Flüchtlinge haben es schwer, überhaupt auf australisches Staatsgebiet gelassen zu werden; der ganz normale Bürger von weither kann sich Punkte verdienen mit Fähigkeiten, die gesucht werden in der Wirtschaft Australiens. Für Reiche und Superreiche dagegen ist der Einlass fast schon garantiert. Wer ein größeres Vermögen mitbringt und noch im Lande investiert, ein Anwesen erwirbt oder auch zwei, der ist willkommen. Rund 82.000 Einwanderer dieser Kategorie haben in den letzten zwanzig Jahren ihre Zelte in Australien aufgeschlagen, etwa 5000 werden es in diesem Jahr wohl sein, schätzt die internationale Beratungsgesellschaft Henley & Partners (H&P), die sich auf Wohnsitz- und Einbürgerungsfragen spezialisiert. Übrigens: Als „reich“ gilt in der Statistik von H&P, wer eine Million Dollar frei investierbares Vermögen mitbringt. Superreich ist man dann, wenn diese Zahl noch zwei Nullen aufweist. Und offensichtlich ist die Wanderlust auch und gerade bei Leuten mit 100 Millionen Dollar „Spielgeld“ recht groß.

Für die Experten von „New World Wealth“, die im Namen von H&P eine Vielzahl von Untersuchungen vornehmen über das Woher und Wohin der Superreichen, lässt sich aus den Wanderungsbewegungen auch ablesen, wo diese Elite eher nicht so gern bleibt. Und da gibt es derzeit eine faustdicke Überraschung: China verliert seine Millionäre. Das kommunistische Land mit den sagenhaften kapitalistischen Erfolgsgeschichten vergrault weit mehr Reiche als sich neue in diese Liga emporschwingen.

Schon 2022 verlor China (ohne Hongkong) unter dem Strich 10.800 Millionäre, die sich anderweitig orientierten und niederließen. 2023 soll diese Zahl noch deutlich übertroffen werden, so die New-World-Prognose - danach dürften 13.500 Reiche das Land verlassen. Damit führt China die aktuelle Unbeliebtheits-Liste an. Die Statistiker betrachten ihre Forschungsergebnisse auch als schlüssige Hinweise darauf, wie es um eine Volkswirtschaft bestellt ist. Denn die hoch mobilen Superreichen mit meist mehreren Wohnsitzen verabschieden sich ohne große Umstände dort, wo das Umfeld sich verschlechtert. Das können politische ebenso wie wirtschaftliche oder gesellschaftlich-kulturelle Umstände sein. Und da schneidet China, wirtschaftlicher Angstgegner des Westens, seit etwa 2017 sehr schlecht ab.

Seit der Jahrtausendwende ist dort die Volkswirtschaft rasant gewachsen. Die Politik der Öffnung gegenüber ausländischen Investitionen, eine im Rahmen des Programms der Kommunistischen Partei durchaus erwünschte Entfaltung privatwirtschaftlicher Kräfte sorgte für Reichtum, aber auch für Aufstiegschancen in eine neue Mittelschicht. Vor allem natürlich in den Megastädten des Ostens und Südens. Erfolgsgeschichten wie die von Jack Ma, Alibaba-Gründer und Herr über ein Imperium von Internetfirmen und Finanzinstitutionen, wurden im Westen als Beweis der Richtigkeit engerer Beziehungen zu China gesehen. Ebenso rasant jedoch fiel Jack Ma in Ungnade, seine geplanten Börsengänge wurden kurzerhand verboten, und die Partei unter Xi Jinping legte den Rückwärtsgang ein. Mit der Coronapandemie und den drastischen Maßnahmen der Regierung, die wirtschaftliche Zentren komplett lahmlegte, um das Virus möglichst gar auszurotten, brach der Konsum ein, Unternehmen mussten schließen. Der herbeigesehnte Nach-Corona-Boom dagegen blieb bisher aus. Jüngst verschärft sich die Lage sogar angesichts militärischer Konfrontation im Südchinesischen Meer, der Konflikt um Taiwan droht jederzeit zu eskalieren.

Einer der schwersten Schläge für die chinesischen Pläne, zu den westlichen Ökonomien aufzuschließen, ist die aktuelle Entwicklung um einen einzigen Konzern: Huawei. Der Technologiegigant und Netzwerk- wie Gerätespezialist erfährt im Westen mehr als nur Gegenwind. Länder wie Australien, die USA und Großbritannien haben Huawei definitiv vom Aufbau ihres 5G-Mobilfunknetzes ausgeschlossen. Ganz aktuell deklariert die EU-Kommission Huawei und die ebenfalls chinesische ZTE zu enormen Sicherheitsrisiken und will ihrerseits auf jede Zusammenarbeit mit den Konzernen verzichten. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedsstaaten dringend, mit Huawei nicht zu kooperieren, da die Netzwerktechnik des Unternehmens Spionage zugunsten Pekings ermögliche. In Deutschland arbeiten die Telekom und Vodafone eng mit Huawei zusammen. Aber auch in der Branche der Erneuerbaren Energie sind Huawei-Lösungen eigentlich gefragt. Ein denkbares Verbot würde alle hart treffen. China allerdings auch – IT ist das Gebiet, auf dem die Volksrepublik weltweit in die Offensive geht.

Die Abwanderung der Neureichen aus China ist damit kein Wunder, zumal politische Unwägbarkeiten hinzukommen, die auch patriotische Naturen nachdenklich machen können. China befindet sich in Sachen Reichenflucht in Gesellschaft ganz unterschiedlicher Länder wie Indien, Großbritannien – von wo 2022 allein 1.600 Millionäre auszogen, 2023 sollen es doppelt so viele werden – und natürlich Russland (-8.500 im vergangenen Jahr, wohl -3.000 in diesem). In Großbritannien sorgen offenbar unsichere wirtschaftliche Aussichten seit dem Brexit und der Niedergang des Gesundheitswesens für Abschiedsgedanken beim wohlhabenden Teil der Bevölkerung. Hinzu komme eine nachlassende Bedeutung von London als Finanzplatz, so die Forscher: Von einem „Millionärs-Aderlass“ spricht New World Wealth in Bezug auf das Königreich.

Was die Millionäre und Multimillionäre dagegen anzieht, ist durch Umfragen recht gut belegt: Einen Vorteil haben schon einmal Länder mit Englisch als Alltagssprache. Es zählen dann natürlich Dinge wie eine diversifizierte Wirtschaft mit Rechtssicherheit, eine niedrige Kriminalität, gutes Bildungs- und Gesundheitswesen und, erwartbar natürlich, Freizeit- und Unterhaltungsangebote im höheren Luxussegment. Niedrige Steuersätze sind gern gesehen, aber offenbar kein K.O.-Kriterium: In Australien zahlt man hohe Einkommens- und Unternehmenssteuern, dafür gibt es keine Vermögenssteuer. Beliebt als Sehnsuchtsorte sind neben Australien, dem ewigen Spitzenreiter, auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Singapur und die USA. Die Vereinigten Staaten beherbergen allein 38 Prozent der weltweiten Eigner von Supervermögen, beim Anteil an der Weltbevölkerung von lediglich vier Prozent. Nach Deutschland zog es 2022 bescheidene 200 der so umworbenen Wohlhabenden, unser Land liegt damit gleichauf mit dem bekanntlich deutlich kleineren Monaco.

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