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Zukunftsmärkte > Mehr Macht fürs Kartellamt

Schießt Habeck übers Ziel hinaus?

Als im vergangenen Jahr die Spritpreise nach oben schnellten, sah alles nach Preisabsprachen der Mineralölkonzerne aus. Doch das Kartellamt konnte nicht eingreifen. Jetzt hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dessen Rechte gestärkt. Warum viele Unternehmen protestieren.

Bekommt mehr Einfluss: Der Chef des Kartellamts Andreas Mundt. Bildnachweis:picture alliance/dpa | Oliver Berg

Gut für Verbraucher, schlecht für Unternehmen?

Die Bundesregierung will die Befugnisse des Bundeskartellamts im Kampf gegen überhöhte Preise stärken. Für eine entsprechenden Gesetzesänderung hat das Bundeskabinett jetzt grünes Licht gegeben.

Ursache für die Gesetzesinitiative, die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ausgeht, war eine rapide Steigerung der Spritpreise im vergangenen Jahr. Zum wiederholten Mal hatten Autofahrer über angebliche Preisabsprachen der Mineralölkonzerne geklagt, das Kartellamt sah jedoch keine Handhabe, um einzugreifen. Habeck hatte darauf angekündigt, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu überprüfen und möglicherweise zu verschärfen. „Wettbewerb ist das beste Mittel, um Verbraucherinnen und Verbrauchern vor ungerechtfertigten Preissteigerungen zu schützen“, sagte er. Dies müsse aktiv durchgesetzt werden.

Das Ergebnis liegt jetzt vor:

Danach soll das Bundeskartellamt ein neues Eingriffsinstrument bekommen. Es geht um eine sogenannte „Sektoruntersuchung“, die möglich ist, wenn „starre Preise“ oder andere Umstände vermuten lassen, dass der Wettbewerb eingeschränkt sein könnte. Eine solche Untersuchung gab es zwar bisher auch schon, das Verfahren endete jedoch dann mit einem Bericht des Kartellamts. Künftig solle die Behörde bei Störungen des Wettbewerbs verschiedene Maßnahmen anordnen können. So sollen Marktzugänge erleichtert und Konzentrationstendenzen gestoppt werden. Im Fall von Kartellrechtsverstößen soll es zudem möglich sein, Unternehmensgewinne, die aus diesen Vergehen resultieren, einzufordern. Das Bundeskartellamt kann darüber hinaus Maßnahmen durchsetzen, die von der Offenlegung von Daten, über Vorgaben für die Vertragsgestaltung bis hin zur Zerschlagung dieser Unternehmen reichen.

Das Wirtschaftsministerium hat das Gesetz in längeren Verhandlungen mit dem FDP geführten Justizministerium abgestimmt.  Die Liberalen setzten noch einige Änderungen durch. So darf das Kartellamt nur eingreifen, wenn der Wettbewerb in einem Markt „erheblich und fortwährend" gestört ist – womit ein Zeitraum von drei Jahren gemeint ist, in denen die Störung schon festgestellt wurde. Auf die Preisgestaltung an den Tankstellen träfe das zu. Zerschlagungen sollen nur möglich sein, wenn ein einzelnes Unternehmen den Markt beherrscht.

Trotz der Veränderungen, die die FDP durchgesetzt hat, kommt aus der liberalen Bundestagsfraktion noch Kritik. Der für Wettbewerbspolitik zuständige Abgeordnete Gerald Ullrich hält den Machtgewinn des Kartellamts für gefährlich. „Wir wollen kein staatliches Marktdesign, das von einer Behörde zugeschnitten werden kann", sagte Ullrich. „Eingriffsmöglichkeiten in den Markt sollten nicht einer Behörde zugestanden werden, diese Hoheit muss weiterhin die Legislative haben." Noch deutlichere Kritik kommt von der Deutschen Industrie- und Handelskammer. „Damit verlässt die Bundesregierung die bewährten Grundprinzipien des Europäischen Wettbewerbsrechts", sagte ihr Chefjustiziar, Stephan Wernicke. Er befürchtete, dass das Bundeskartellamt durch die neuen Befugnisse künftig Preise und Konditionen in Märkten beaufsichtigen werde.

Kritik kommt auch von Wirtschaftsanwälten. „Die Novelle bringt einen Paradigmenwechsel im Kartellrecht, nicht nur weil das Bundeskartellamt ein Instrument zur Zerschlagung von Großunternehmen an die Hand bekommt, sondern vor allem weil das Amt regulierend in den Markt eingreifen kann, ohne dass es den Unternehmen zuvor ein Gesetzesverstoß nachweisen muss“, stellt Kartellrechtsexperte Till Steinvorth, Partner der Kanzlei Noerr in Hamburg fest. Es würden umfassende „Abhilfemaßnahmen“ möglich. Unternehmen könnten beispielsweise verpflichtet werden, bestimmte Kunden zu beliefern oder bestehende Lieferbeziehungen abzubrechen. „Bundesregierung und Kartellamt sind bislang jeder Diskussion darüber, welche Branchen von den neuen Befugnissen besonders betroffen sein werden, aus dem Weg gegangen“, klagt Steinvorth. Er vermutet, dass der Lebensmitteleinzelhandel, die Mineralölwirtschaft, Müllentsorgung, und der private Busverkehr  in den Focus rücken werden.
 

Einen Vorgeschmack auf das, was nun möglich ist, erlebt derzeit bereits der US-IT-Gigant Apple. Das Bundeskartellamt will ihm genauer auf die Finger schauen. Kartellamtspräsident Andreas Mundt ist der Meinung, die „wirtschaftliche Machtposition" des Konzerns eröffne „vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte Verhaltensspielräume". Er verwies dabei unter anderem auf Angebote rund um das iPhone, die eben nur mit Hilfe von Apple-Technologie benutzt werden könne. Apple verfüge „über marktbeherrschende, mindestens jedoch marktstarke Stellungen auf (.) Smartphones, Tablets und Smartwatches", argumentiert das Kartellamt. Apple will den Schritt der Kartellbehörde nicht einfach so hinnehmen „Die Einordnung des Bundeskartellamts stellt den harten Wettbewerb, dem Apple in Deutschland ausgesetzt ist, falsch dar", erklärte das Unternehmen. Sie vernachlässige den Wert eines Geschäftsmodells, das die Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer in den Mittelpunkt stelle.
Klar wird damit: Auch mit neuen, weitreichenden Befugnissen ausgestattet werden Unternehmen Einschränkungen, die das Kartellamt erlässt, nicht widerstandslos hinnehmen. Der Streit ist programmiert.

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