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Einkauf, Marketing und Marken > Tchibo in den roten Zahlen

Lieber neuen Kaffee, als jede Woche eine neue Welt

Tchibo hat das schlechteste Ergebnis seiner Firmengeschichte vorgelegt. Jetzt geht es all dem an den Kragen, was nicht Kaffee ist. Doch möglicherweise liegt hier gar nicht die Hauptursache des Problems.

Tchibo mit großen Problemen: Das Unternehmen schreibt rote Zahlen und will sich neu aufstellen. Bildnachweis: picture alliance / imageBROKER | Wilfried Wirth

Tchibo gehört zu Deutschland wie der Elbtunnel und die Zugspitze. Und um im Bild zu bleiben: Die drei haben ihre Probleme. Die Zugspitze hat immer weniger Schnee, der Elbtunnel immer mehr Verkehr und Tchibo? Der Kaffeeröster aus Hamburg hat immer weniger Geld. Vor zwei Jahren fuhr er noch einen Gewinn von 176 Millionen Euro ein, für 2022 steht ein satter Verlust von 167 Millionen Euro in den Büchern. So hohe rote Zahlen gab es noch nie in der mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 beginnenden Firmengeschichte. Irgendwie riecht es nach angebranntem Kaffee in dem Unternehmen, hinter dem mit der Familie Herz, eine der vermögendsten und einflussreichsten Unternehmerfamilien in Deutschland steht.

Das Malheur ist unter der Ägide von Werner Weber passiert, der allerdings erst 2021 von Ikea auf Tchibo umschulte. Weber hat im Handelsblatt erklärt, woran es liegt und was er tun will. Unterm Strich läuft es darauf hinaus, dass der Kaffeeröster wieder mehr das macht, was seiner Tradition entspricht: eben Kaffee verkaufen. Zurückgefahren werden soll das, wofür Tchibo mal bewundert und mal verspottet wird: Das „Jede Woche eine neue Welt“-Sortiment, das Menschen an Bahnhöfen, in Fußgängerzonen, in Abteilungen von Supermärkten und vor allem im Netz XL-Picknickdecken und zum Beispiel kabellose Ladestationen anbietet, soll zurückgefahren werden. Derzeit ist Tchibo damit stets unter den Top 20 Marken bei den deutschen Online-Händlern gewesen, der Platz könnte jetzt wackeln. Doch das ist egal, wenn es dem Ergebnis hilft. Bereits in diesem Jahr soll die Bilanz wieder so aussehen, dass die Zahlen vom letzten Jahr dagegen als kalter Kaffee durchgehen. „Wir wollen künftig mehr Wert auf Kaffeebars und das Seating legen“, sagt Weber und lässt damit erkennen, dass der Hauptkonkurrent künftig nicht mehr Zalando, sondern eher Starbucks ist.

Kann das funktionieren oder ist das Problem möglicherweise doch grundsätzlicher? Vor einem halben Jahrhundert stiegen die Gebrüder Herz mit ihrem Kaffeeladen, dessen Wachstum begrenzt war, ins Geschäft mit Ware ein, die sie zu Aktionspreisen verkaufen konnten. Der Umsatz schwoll an, 3,25 Milliarden waren es zuletzt, davon kommt geschätzt die Hälfte aus dem Bereich, der nichts mit Kaffee zu tun hat. In der Coronaphase kletterte der Umsatz mit diesen Waren steil nach oben, weil die Kunden im Netz bestellten, als dürften sie nie wieder ihre Wohnungen verlassen. Die Folge war, dass Tchibo für das Jahr 2022 „zu optimistisch bestellt“ hatte, wie Firmenchef Weber im Handelsblatt einräumt. Dazu kam das, was Weber im Nachhinein den „perfekten Sturm“ nennt: Beschaffungspreise stiegen, ohne dass sich die Händler mit ihrer Aktionsware grundsätzlich an die preisbewussten Kunden weitergeben konnten. Geplagt hat Tchibo auch, dass die Lieferanten nicht rechtzeitig das auf den Hof fuhren, was geordert war. Das Sortiment kann nur schnell wechseln, wenn die Lieferkette reibungslos klappt. Und das tat sie weltweit nicht. Tchibo musste Läger auffüllen oder konnte selbst nicht liefern. Beides kostet Geld. Schließlich fiel auch die Entscheidung der Eigentümer, das Russlandgeschäft holterdiepolter zu verkaufen. Der Umsatz fehlt seither.

Tchibo ist vor allem in Deutschland aktiv, 69 Prozent des Umsatzes werden hierzulande erwirtschaftet. Künftig werde das Unternehmen in Österreich und der Schweiz, in Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei auch mehr auf die Marke Eduscho setzen. Im Geschäft in Nordafrika und dem Nahen Osten wolle man unter der Marke Davidoff wachsen.

Möglicherweise liegt aber das wahre Problem ganz woanders. Tchibo ist eine 100-prozentige Tochter des Maxingvest-Konzerns. Dank der Mehrheitsbeteiligung an Beiersdorf, das Marken wie Nivea und Tesa im Sortiment hat, kommt Maxingvest für 2022 mit einem Plus von sieben Prozent auf mehr als zwölf Milliarden Euro Umsatz. Der Gewinn vor Steuern sank aber – wegen Tchibo. Miteigentümer bei Maxinvest sind die Gebrüder Michael und Wolfgang Herz, 80 und 76 Jahre alt. Sie haben mehr als ein Jahr gebraucht, um unter sich und ihren Familien auszumachen, wer, wofür der Hauptverantwortliche ist. Inzwischen ist klar: Der ältere soll es bei Tchibo richten, der jüngere bei Beiersdorf. Die lange Findungsphase für diese Lösung – sie dürfte Tchibo weder verjüngt, noch beflügelt haben.

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