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Einkauf, Marketing und Marken > Preisgekrönte Familienunternehmen

Mittelstandspreise gehen an Carl Zeiss, Würth und EBM-Papst

Den Mittelstandspreis der Medien erhalten drei große Marken – und mit Fero Labs und Cellbricks auch zwei echte Pioniere. Warum die Unternehmen viel Hoffnung machen für den Standort Deutschland.

Die Gewinner des „Mittelstandspreis der Medien“ 2023 von Markt und Mittelstand (von links nach rechts): Oliver Stock, Chefredakteur The European (Moderator), Katharina Roehrig, Managing Director Corporate Communications & Sustainability Melitta (Laudatorin), Michael Kotzbauer (Firmenkundenvorstand Commerzbank), Julia Klöckner, Wirtschaftliche Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (Laudatorin), Michael Oelmann, Editor in Chief Die Deutsche Wirtschaft (Speaker), Tim Eschert, Business Operations Manager, Fero Labs (Gewinner in der Kategorie „Pioniere“), Thorsten Giersch, Chefredakteur Markt und Mittelstand (Moderator), Alexander Leutner, Managing Director, Cellbricks (Gewinner in der Kategorie „Pioniere“), Annika Farin, Chair of The Amrop Partnership (Laudatorin), Sonja Fleischer, Chief Human Resources Officer, ebm-papst Gruppe (Gewinner in der Kategorie „Transformatoren“), Thomas Wahl, Geschäftsführung Würth (Gewinner in der Kategorie „Transformatoren“) und Jörg Nitschke Carl Zeiss (Gewinner in der Kategorie „Titanen“). Foto: Axel Gross

Bei einigen Unternehmen steckt es in der DNA, die Grenze des Machbaren immer wieder zu verschieben. Carl Zeiss ist so eines. Für seine enormen Erfolge in den vergangenen 177 Jahren hat der Familienkonzern jetzt den Mittelstandspreis der Medien in der Kategorie „Titanen“ erhalten. Ausrichter des Awards ist Markt und Mittelstand. Mit der Marke Zeiss verbinden die Menschen vor allem optische Produkte: Brillengläser, hochwertige Fotoobjektive oder Mikroskope. Mit letzteren hat Carl Zeiss 1846 in Jena begonnen. Sie eröffneten den Forschern in Medizin und Biologie buchstäblich eine neue Welt. Dann entstanden die ersten industriellen Messgeräte, Ferngläser und Brillengläser, durch die der Träger auf der ganzen Fläche scharf sehen kann – entspiegelte Gläser. Und eine Chipbelichtungstechnik, ohne die die Computerindustrie weltweit nicht mehr auskommt. Katharina Roehrig, die bei Melitta die Bereiche Kommunikation und Nachhaltigkeit verantwortet, sagte in ihrer Laudatio: „Zeiss ist eine Marke, die begleitet einen ein Leben lang, eine Marke, die steht für Spitzentechnologie und Fortschritt.  Ihre Marke symbolisiert Beharrlichkeit, Genauigkeit, Pflichtgefühl. Sie bringen Wissenschaft und Wirtschaft zusammen.“ 

Heute verschiebt Zeiss hier die Grenzen des Machbaren weiter: Gemeinsam mit dem Maschinenbauer Trumpf aus der Nähe von Stuttgart und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik in Jena hat das Unternehmen die EUV-Lithografie entwickelt, die auf extrem ultraviolettem Licht basiert. Damit lassen sich viel leistungsfähigere, energieeffizientere und kostengünstigere Mikrochips herstellen als je zuvor. Die Anlagen des niederländischen Konzerns ASML können damit 57 Milliarden (Halbleiter-)Bauelemente auf einer Fläche, nur etwas größer als eine Fingerkuppe, fertigen. Die Mikrochips weisen Strukturen, 5000-mal feiner als ein menschliches Haar, auf. „Zeiss ist das weltweit einzige Unternehmen, das die hierzu nötigen Optiken im industriellen Maßstab herstellen kann“, sagt Zeiss-Vorstandschef Karl Lamprecht. Die neuen Hochleistungschips sind die Grundlage für den Mobilfunkstandard 5G oder autonomes Fahren. Weil ultraviolettes Licht von allen Materialien – auch Luft – absorbiert wird, hat Zeiss ein optisches System geschaffen, das im Hochvakuum betrieben wird. Da in diesem Bereich selbst kleinste Unregelmäßigkeiten erhebliche Fehler verursachen, hat Zeiss den weltweit präzisesten Spiegel mit einer Multilagenbeschichtung entwickelt. Würde man ihn auf die Größe Deutschlands vergrößern, wäre die größte Unebenheit – sozusagen die Zugspitze – ganze 0,1 Millimeter hoch. 

Würth: Viel mehr als Schrauben

Wo bei Zeiss eine geniale Entwicklung zur andren führte, hat der Würth praktisch neu erfunden – und dafür den Mittelstandspreis in der Kategorie „Transformatoren“ gewonnen. 19 Jahre alt war Reinhold Würth, als sein Vater Adolf 1954 plötzlich stirbt und ihn mit einem kleinen Handelsbetrieb zurücklässt. Der junge Mann kennt das Geschäft: Er hat in dem Betrieb im baden-württembergischen Künzelsau eine „beinharte Lehre“ absolviert. „Da gab es auch mal was hinter die Löffel, wenn ihm was nicht passte“, erinnert sich Würth an die Zeit mit seinem Vater. 

Reinhold Würth ist ein begnadeter Verkäufer. Und über die Jahrzehnte entwickelt er den Betrieb zum größten Schauben- und Werkzeughändler Europas. Die Region Hohenlohe im Nordosten gilt lange als Armenhaus Baden-Württembergs. Würth findet hier Anfang der Fünfziger schnell viele Mitarbeiter, die bereit sind, Schrauben, Nägel, Bohrer und Werkzeug für das aufstrebende Handelsgeschäft zu verkaufen. Aus der Bindung zur Heimat in der Provinz schöpfen er und seine Belegschaft besondere Kontinuität und Stärke. 

Das Wachstum nutzte Würth für Erneuerung: Ein Fünftel des Umsatzes von zuletzt knapp 20 Milliarden Euro läuft inzwischen online. Der Konzern besteht heute aus 400 Gesellschaften mit 2500 Niederlassungen in 80 Ländern der Welt. Neben dem Geschäft mit den klassischen Schrauben für die Handwerker beliefert Würth unter anderem auch Autowerkstätten, die industrielle Produktion, Holzverarbeiter und die Bauwirtschaft. Besonders schnell wachsen der Elektrogroßhandel und der Vertrieb von elektronischen Bauteilen, Leiterplatten und elektromechanischen Lösungen. 

EBM-Papst: Unabhängiger von der Autobranche

Wenn es läuft, tut allzu eiliger, radikaler Wandel selten Not. Doch manchmal zwingen einen die Umstände dazu. So ähnlich war es bei EBM-Papst, den zweiten Gewinner des Mittelstandspreises in der Kategorie „Transformatoren“. Der Antriebs- und Ventilatorspezialist macht sich von der Autoindustrie unabhängiger, die ja bekanntlich auf Elektroantriebe umstellt. Die Zukunft ist technologisch komplizierter – und interessanter. Der Mittelständler aus Mulfingen nördlich von Heilbronn ist mit seinen Ventilatoren und Antrieben in so vielen Geräten, Lüftungsanlagen und Fahrzeugen vertreten, dass die Wahrscheinlichkeit einer alltäglichen Begegnung sehr hoch ist. Das kann der Wischermotor im Auto, die automatische Tür im ICE oder der Lüfter der Dunstabzugshaube sein. Zuletzt wuchs der Umsatz trotz der Krise in der Autoindustrie zweistellig. Sonja Fleischer, Vorstandsmitglied bei EBM Papst, meinte als sie den Preis entgegennahm: „Wir sind durch unsere Transformation vor zwei Jahren in unzähligen Zukunftsfeldern vertreten: Ausbau des 5G Netzes, Ausbau der Datenzentren, Wärmepumpen und vieles weitere.“

Heute steht die Digitalisierung nicht nur in der Fertigung im Mittelpunkt. Sie bestimmt zunehmend die Strategie und die Ausrichtung des Unternehmens. Lüfter und Motoren werden dabei Teile von ganzen Systemen, mit denen das Unternehmen beispielsweise die Klimatisierung von Gebäuden individuell und möglichst nachhaltig steuert. „Wir sehen riesiges Potenzial in den nächsten zehn Jahren bei den Megatrends erneuerbare Energien, Data-Center und Klimatechnik. 

In Mulfingen und den 25 Standorten weltweit stehen nun beispielsweise Komponenten für Wärmepumpen ganz oben auf den Auftragszetteln. Aber auch der wachsende Bedarf an der Klimatisierung großer Rechenzentren fördert das Geschäft. Großkunden wie Alphabet, Amazon oder Alibaba schätzen die energieeffizienten Lösungen des Unternehmens. Der Wandel des Unternehmens geht so weit, dass eine bisher wichtige Branche künftig nicht mehr beliefert wird: die Autoindustrie. „Die Altaufträge arbeiten wir ab, aber es werden keine neuen Aufträge mehr reingenommen“, verdeutlicht der EBM-Chef Klaus Geißdörfer den radikalen Schnitt. Das Geschäft mit der Automobilindustrie –immerhin zehn Prozent des Gesamtumsatzes – sei nicht mehr profitabel zu betreiben und gehöre deshalb künftig nicht mehr zum Kerngeschäft. 
 

Fero Labs: So geht nachhaltige Produktion 

Anders als die drei etablierten Mittelständler haben die beiden Gewinner in der Kategorie „Pioniere“ noch viel vor sich, auf der anderen Seite aber auch schon nennenswerte Erfolg zu verzeichnen. Hunderttausende Tonnen CO2 hat Fero Labs schon eingespart. Hier gehen Software-Nerds dahin, wo es richtig schmutzig ist: Es ist, als ob man einen USB-Stecker in den Hochofen steckt und weiß, was sich bis aufs Gramm genau im Innenleben des mehr als 1000 Grad heißen Stahlgemischs tut.

Die Software von Fero Labs analysiert die entnommenen Proben quasi in Echtzeit und erkennt, ob für das jeweils gewünschte Endprodukt alle Inhaltsstoffe in der Mindestgewichtung enthalten sind. Früher haben Stahlproduzenten Nickel und andere Zuschlagstoffe so lange zugefügt, bis von allem genug da war. So wurden Geld und wichtige Rohstoffe verschwendet. Dank der Technologie von Fero Labs geht das präziser. Julia Klöckner sagte in ihrer Laudatio: „Pioniere sind nicht nur Unternehmer, sie sind auch Visionäre. Unter anderem weil sie Probleme lösen, von denen wir noch gar nicht wissen, dass sie da sind.“  Konkret zu Fero Labs ergänzte die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Das Unternehmen hilft bei der Dekarbonisierung und das ist der beste Beitrag gegen Deindustrialisierung.“

Die Software der Düsseldorfer wird in diversen Branchen genutzt, von der Chemiebranche bis zur Zementindustrie. Zum Kundenkreis gehören Henkel, ABB, Uniper, Ford oder Covestro. Tim Eschert, Geschäftsführer von Fero Labs, denkt die Verbindung von Qualität und Nachhaltigkeit dabei gleichzeitig: „Einige möchten Topqualität mit möglichst wenigen Ressourcen erreichen. Für andere ist es klüger, in der Produktion sehr konstant eine gewisse Mindestschwelle von Qualität zu erreichen.“ Wird die Produktion effizienter, sinkt womöglich auch der CO2-Ausstoß. „Wir prognostizieren industrielle Produktionsprozesse mit KI und Machine Learning“, sagt Eschert. Kunden könnten „in zwei Monaten damit messbare Effekte erzielen“. Das Gute an solchen technologischen Lösungen sei, dass man nicht für jedes Werk einen neuen Proof of Concept machen müsse. Die Skalierung ermöglicht entsprechend, die Software rasch auf weitere Werke auszurollen. 

Organe aus dem 3D-Drucker

Cellbricks, der zweite Gewinner in der Kategorie „Pioniere“, ist auf einem ganz anderen Feld tätig. Das Unternehmen arbeitet an der Revolution aus dem 3D-Bioprinter und will eines der wesentlichen Probleme der Medizin lösen: die Knappheit an Spenderorganen. Und zwar, indem man sie druckt. In Deutschland warten rund 11.000 Menschen auf ein Spenderorgan, es mangelt vor allem an Nieren und Herzen. Zudem erkranken pro Jahr mehr als 70.000 Frauen an Brustkrebs und benötigen Implantate. Cellbricks will helfen und stellen mit einem 3D-Bioprinter menschliches Gewebe her. Sie drucken Implantate mit echten, teils patienteneigenen Zellen. Die noch junge Firma beginnt mit Gewebeimplantaten ohne Organfunktion für Brustrekonstruktion und Zell- und Gentherapie. 

Alexander Leutner, der Cellbricks gemeinsam mit Joachim von Arnim führt, sagt: „Wir stehen vor einer Therapie-Revolution. Mit unserer 3D-Bioprinting-Plattform können wir das nächste Biontech werden.“ Am Beispiel Brustkrebs bedeutet das: Oft muss der Tumor per Operation entfernt werden, manchmal sogar die gesamte Brust. Bisher werden zur Rekonstruktion oft noch Implantate aus Silikon eingesetzt. Das Risiko besteht vor allem darin, dass der Körper die Fremdkörper einkapselt. Zudem müssen die Implantate im Laufe des Lebens ausgetauscht werden. 

Dass Menschen von Gewebeimplantaten aus dem 3D-Bioprinter profitieren, ist nur der erste Schritt. Weit vorangeschritten ist auch schon die Entwicklung von Gewebe mit organischer Funktion. „Gewebe mit Organfunktion aus dem 3D-Drucker schaffen es innerhalb einer Dekade zur Marktreife“, meint Leutner. Cellbricks ist zwar der einzige europäische Vertreter, der die gesamte Wertschöpfungskette abbildet, aber weltweit nicht allein. „Das Rennen um Vorherrschaft läuft. Und es wird auch über Geld entschieden“, sagt der Co-Chef. Es gibt eine Handvoll Unternehmen weltweit, die Ähnliches planen, alle mit anderen 3D-Druckverfahren. „Sie sind technologisch nicht unbedingt weiter als wir, aber besser aufgegleist bei der Finanzierung oder haben einen starken Partner an der Seite“, sagt Leutner. Es ist hier wie so oft in Deutschland: Am Ende braucht es auch Geldgeber oder Großkonzerne, die jungen Firmen zum richtigen Zeitpunkt auf die Sprünge helfen.

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