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Personal > Trigema-Nachfolge geklärt

Wolfgang Grupp hört auf

Der „Unternehmer mit dem Affen“ geht in Rente: Wolfgang Grupp gilt als eine der bekanntesten, streitbarsten und erfolgreichsten Figuren des Mittelstandes. Am Dienstag hat der 81-Jährige verkündet, wie es mit Trigema weitergeht.

Wolfgang Grupp (3.v.r.), Noch-Geschäftsführer des Textilunternehmens Trigema, zusammen mit seiner Frau Elisabeth (2.v.l.) und seinen Kindern Wolfang Grupp Junior (l) und Bonita Grupp.

Vielleicht ist es das größte, was eine Führungskraft, ein Unternehmenslenker, von sich behaupten kann: In seiner Amtszeit habe er nie einen Beschäftigten betriebsbedingt kündigen müssen, sagt Wolfgang Grupp, er habe nie jemanden entlassen. Restlos zu überprüfen ist diese These nicht, die Trigema stolz vor sich herträgt. Es spricht aber sehr vieles dafür, dass Wolfgang Grupp mit seiner Jobgarantie auf Lebenszeit stets ernst gemacht hat, die er seinen Beschäftigten versprach. Das gilt auch für das zweite große Versprechen: dass Trigema stets nur in Deutschland produziert.

All das kennen die meisten Deutschen. Zumindest die, die ab und zu mal die Tagesschau geschaut haben. Kurz davor tauchte Wolfgang Grupp nämlich seit den frühen 90-Jahren in schöner Regelmäßigkeit im Werblock auf – quasi in skurril einprägsamer Co-Moderation mit einem Affen. Der wurde dafür übrigens nicht in Burladingen trainiert: Die Nutzungsrechte an der Affen-Performance hatte Trigema 1990 für kleines Geld von Toyota übernommen. Dass es so aussieht, als ob der Schimpanse spricht, lag an einer veritablen Zahl von Nüssen in dessen Mund, auf denen er herumkaute.

Reichlich zu knabbern hat Wolfgang Grupp seit jeher mit dem Zustand des Standortes Deutschlands. In Talkshows kämpfte er vehement für seine Sicht der Dinge. Für die einen ist er ein Exzentriker, für die anderen schlicht anständig - und damit eine vermeintliche Auffälligkeit. Er hat in all den Jahrzehnten viele Zitate produziert, die die Medien dankend angenommen haben (siehe unten), zeigte klare Kante in Talkshows und setzte sich, wie kaum andere für den Standort Deutschland ein.

Zum Jahreswechsel übergibt er das Geschäft nach 54 Jahren als persönlich haftender Inhaber und Geschäftsführer an seine Frau Elisabeth und seine beiden Kinder, Wolfgang junior und Bonita Grupp. Was selbstverständlich klingt, hatte der Patriarch über viele Jahre offengelassen. So ist auch jetzt erst klar, wer von den beiden welche Rollen einnehmen wird: Wolfgang junior ist quasi der Primus inter pares und trägt die wesentliche Verantwortung. Als persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer wird der 32-Jährige die Verantwrtung fürs große Ganze tragen. Seine zwei Jahre ältere Schwester Bonita bleibt Mitglied der Geschäftsführung. „Ich vertraue ihren Fähigkeiten, den Fortbestand des Unternehmens zu gewährleisten und Trigema in eine sichere Zukunft zu führen“, sagte Grupp senior.

Bonita Grupp und Wolfgang Grupp junior arbeiten seit zehn beziehungsweise neun Jahren bei Trigema. Studiert haben beide in London, er Politikwissenschaften, sie Wirtschaftsgeschiche. Bonita Grupp sagte: „Wir blicken mit Demut und Achtung auf diese Chance, das Lebenswerk unseres Vaters weiterführen zu dürfen." Wolfgang Grupp jun. ergänzte, dass sich die beiden auf die neue Aufgabe freuen: "Unser Vater hat über Jahrzehnte gezeigt, dass es möglich ist, am Standort Deutschland zu produzieren." Gerade in einer Zeit globaler Instabilität und mit einem spürbaren Schwund natürlicher Ressourcen auf der Welt habe Trigema die Chance zu zeigen, dass eine nachhaltige Produktion mit motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland möglich ist.

Elisabeth Grupp bleibt als Gesellschafterin im Unternehmen tätig. Sie leitet seit über 35 Jahren den Direktvertrieb über die Testgeschäfte und wird diese Position auch nach der Firmenübergabe beibehalten. Künftig wird Trigema unter der Firmierung TRIGEMA W. Grupp KG als Kommanditgesellschaft geführt – eine weitere Neuerung nach 104 Jahren.

Wie Wolfgang Grupp junior tickt, hat er im Oktober 2022 im Gastbeitrag für Markt und Mittelstand deutlich gemacht. Thema der Ausgabe und des Gastbeitrages war Nachhaltigkeit inklusive der ESG-Berichtspflicht, was für Trigema nicht zuletzt beim Lieferkettengesetz mit erheblichen Aufwänden verbunden ist. Für ihn sei Nachhaltigkeit weit mehr als die möglichst ökologische Herstellung der Produkte: „Der Mitarbeiter steht immer im Mittelpunkt.“

Die Arbeitsplatzgarantie sorge für psychologische Sicherheit, die wiederrum zu einer Kultur der Offenheit führe. „Wir brauchen keinen Gesetzgeber, der uns eine Ombudsstelle für Whistleblowing aufzwingt. Und vor allem waren Mindestlohn oder Kinderarbeit nie ein Thema.“ Er findet es gut, dass es ein Lieferkettengesetz gib und hofft, „dass es gut kontrolliert wird“. Aber es sei „eine Schande“, dass es das geben muss für Textilproduzenten.

„Wenn ich nicht wüsste, ob an den Vorprodukten irgendwo Kinderhände beteiligt waren, könnte ich nachts nicht schlafen.“ Maximale Transparenz und Ehrlichkeit seien essenziell für nachhaltiges Wirtschaften. „Unsere Produktion ist sprichwörtlich gläsern, hier kann jeder kritische Journalist herkommen und sich ein Bild machen. Wo gibt es das sonst in der Textilproduktion?“

Man spürt: Der Junior ist wie sein Vater ein Verfechter des Verantwortungsprinzips. Banken, die in Finanzkrise vom Steuerzahler gerettet werden müssen, sind das Gegenteil von dem, was Wolfgang Grupps Lebensmotto ausmacht. Steuererleichterung für Unternehmer, die voll haften, forderte er immer wieder. Diese würden weit weniger Risiken eingehen und nicht „Insolvenz machen“, um die Fehler den Steuerzahlern aufzubürden. Ein kleine Zusammenstellung seiner besten Zitate:


„Mir ist eine Firma ohne Doktorarbeit lieber als ein Doktor ohne Firma.“
Wolfgang Grupp übernahm Trigema im Jahr 1969 von seinem Großvater und dessen Bruder. Der damals 27-Jährige saß zu dem Zeitpunkt in Köln an seiner Doktorarbeit im Fach BWL: „Die Mitarbeiter raunten, der solle doch auch mal etwas tun und nicht nur High-Life in Köln machen“, so Grupp später. Damals hatte Trigema zehn Millionen D-Mark Bankschulden. „Dann habe ich die Doktorarbeit abgebrochen und meinem Professor gesagt: Mir ist eine Firma ohne Doktorarbeit lieber als ein Doktor ohne Firma.“ Er führte die Firma aus der Krise und machte sie schuldenfrei.

„Ich vertrete Werte, die viele Menschen vermissen.“
Man muss nicht jede Meinung teilen, die Wolfgang Grupp äußert. Aber sehr viele schätzen ihn für seine Direktheit und Authentizität.

„Wir werfen kein Stück Brot weg, weil es etwa hart ist.“
Wolfgang Grupp betonte trotz seines beachtlichen Vermögens, dass er sinnloses Luxus ablehnt. „Alles, was ich brauche, habe ich in optimaler Qualität“, sagte er mal dem Focus. „Das ist auch bei meinem Haus so. Bei mir gilt: Einmal richtig - und nicht nur halb und ständig nachbessern müssen.“

„Ein Wolfgang Grupp zahlt alles bar.“
Aktien oder Kreditkarten braucht er nicht. Sein Vermögen händeln zwei befreundete Bänker.

„Egal, wie alt ich bin, meine Frau sollte immer Anfang 20 sein.“
Wolfgang Grupp sist mit seiner Frau Elisabeth seit rund 35 Jahren verheiratet, wobei ihr Altersunterschied vergleichsweise hoch. Als die beiden sich 1986 bei der Auerhahnjagd kennenlernten, war er 43 und sie erst 19 Jahre alt. Den Heiratsantrag macht er ihr auf einer Autofahrt. 2017 sagte er bei Markus Lanz: „Egal, wie alt ich bin, meine Frau sollte immer Anfang 20 sein“, sagt der Unternehmer selbstbewusst in die Kamera. „Ich wusste ja, als ich eine Frau gesucht hab: Sie muss nach Burladingen kommen. Und wenn sie schon alles erlebt hat, dann wird das immer schwieriger. Also muss ich sie so haben, dass sie offen dafür ist, etwas Neues zu erleben. Da ist es immer einfach, wenn sie jung ist und noch in das Leben hineinwachsen kann.“

„Wer Abitur macht, geht nicht mehr an eine Nähmaschine.“
Wolfgang Grupp hadert mit der hohen Akadamikerquote in Deutschland: Wir brauchen Facharbeiter, die intelligent sind und handwerkliches Geschick haben, und nicht so viele Studierte, die alles durcheinanderbringen“, beklagte er in einem Video-Interview anlässlich der 1250-Jahrfeier der Stadt Burladingen. Als eine Näherin ihm erzählte, dass eine ihrer Töchter Abitur mache, reagierte Grupp enttäuscht. „Wer Abitur macht, geht nicht mehr an eine Nähmaschine“, bedauerte er. Zwar räumt er ein, dass auch er selbst studiert hat. „Aber als klar war, dass ich die Firma führen werde, habe ich festgestellt, dass ich einfache Entscheidungen treffen muss“, so Grupp: „Und diese habe ich in der Volksschule gelernt. Wenn ich mich mit einem Studierten unterhalte, frage ich mich nicht selten: Was hat er eigentlich gesagt?“

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