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Einkauf, Marketing und Marken > Insolvenz von Signa Sports

René Benkos Imperium bröckelt immer mehr

Über drei Milliarden Dollar war Signa Sports United mal wert, jetzt sind es noch ein paar Millionen. René Benko hat bei seinem Sport-Geschäft die Reißleine gezogen. Welche Auswirkungen das auf Kunden hat und wie es mit dem Milliardär nun weitergeht.

René Benko
René Benkos gegründete Signa Holding gilt als Österreichs größtes privates Immobilienunternehmen.

Das Reich des einstigen Kaufhauskönigs René Benko fällt immer mehr auseinander. Jetzt steht Signa Sports United (SSU), zu der die Onlineshops Tennis-Point, Fahrrad.de, Bikester, Campz, Wiggle und Outfitter vor der Insolvenz. Die Meldung über die Zahlungsunfähigkeit von Tennis-Point ist bereits in Bielefeld bei Amtsgericht eingegangen. Die Pleite der restlichen Marken sowie der Muttergesellschaft SSU selbst, steht offenbar kurz bevor. Fahrrad.de hat auf seiner Website schon angekündigt, keine Retouren mehr entgegenzunehmen und hat seine Lieferanten benachrichtigt, dass ein Insolvenzantrag bevorsteht. Benko, der an der SSU über verschiedenen Zwischenfirmen 48 Prozent der Anteile hält, hatte das Sportgeschäft erst vor knapp zwei Jahren in New York an die Börse gebracht. Seinerzeit war das Unternehmen 3,2 Milliarden Dollar wert. Inzwischen kostet die Aktie nur noch wenige Cent. Der Unternehmenswert ist entsprechend auf knapp sechs Millionen Euro zusammengeschmolzen. 

Der Zusammenbruch ist die Folge eines radikalen Kurswechsels des schillernden Tiroler Milliardärs. Der hatte seiner in Berlin beheimateten Tochter SSU kurz davor den Geldhahn zugedreht, obwohl er noch im Sommer über seine Holding Signa eine Eigenkapitalspritze von 150 Millionen Euro zugesagt hat. Die braucht der Onlinehändler dringend, um die Geschäfte weiterführen zu können. Der Sportartikelhändler hatte Im ersten Halbjahr bei 195 Millionen Euro Umsatz einen Verlust von 180,5 Millionen Euro verbucht. Das Unternehmen leide unter dem Überangebot am Markt und den hohen Lagerbeständen, die auf die Preise drückten, heißt es im Halbjahresbericht zur Begründung. Für den österreichischen Investor Rupert Heinrich Staller steht fest: „Das Börsen- und Insolvenz-Desaster der Signa Sports United muss jeder einzelne Bank- und Versicherungsvorstand als ultimativen Warnhinweis werten: wer in Signa und Rene Benko investiert, hat ein hohes Risiko alles zu verlieren.“

Klage gegen die eigene Konzernmutter

Die SSU will jetzt offenbar gegen die eigene Konzernmutter Signa auf Erfüllung der gemachten Zusagen klagen. Man werde „angemessene Maßnahmen" prüfen, teilte das Unternehmen mit. Auf jeden Fall wolle man im Sinne der Aktionäre juristisch gegen Benkos Entscheidung vorgehen. Eine Klage „Signa gegen Signa“ lässt schon deshalb aufhorchen, denn bei Signa Sports sitzen an führender Stelle einige Benko-Vertraute, die auch andere wichtige Funktionen im Konzern haben. Aber auch die Anlegerschützer wetzen die Messer. So bittet die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) die Signa Sports-Kleinaktionäre, sich zu melden.

Benko versucht offenbar immer mehr Teile seines Handelsgeschäfts loszuwerden. Kurz vor dem SSU-Zusammenbruch wurde die Kette Sport-Scheck an den britischen Sport und Modehändler Frazers verkauft, Benko hatten den Sporthändler mit 34 Filialen erst 2020 vom Otto-Konzern übernommen. Frasers will mit Sport-Scheck seine Präsenz in Deutschland ausbauen, heißt es dort, denn Deutschland gehöre zu den größten Sportartikelmärkten in Europa. Der Schritt sei wichtig zum selbstgesteckten Ziel die Nummer eins in Europa zu werden. Ob die Zeiten für die 1500 Beschäftigten damit ruhiger werden, darf bezweifelt werden. Frazers gehört dem Milliardär Mike Ashley, Sein Unternehmen war schon öfter in den Schlagzeilen: unter anderem wegen eines rüden Umgangs mit den Beschäftigten, wegen Überwachungsmaßnahmen und einer Bezahlung unterhalb des Mindestlohns. Doch am Sitz in Bitburg herrscht Aufbruchstimmung. Denn Frazers will von Eifel aus seinen Online-Handel steuern und angeblich 800 neue Stellen schaffen. Später sollen dort sogar 2500 Menschen beschäftigt werden. 

Benko hat für Sport-Scheck 300 Millionen Euro bezahlt. Was er nun erlösen konnte, ist nicht bekannt. Die Sportkette gehörte zu Signa Retail, zu der auch die ebenfalls schlingernde Warenhauskette Galeria Kaufhof gehört. Die war erst im vergangenen März erneut in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Der Bund hatte schon in die vorherige Sanierungsversuche über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds mehr als 600 Millionen Euro gesteckt. Nach der erneuten Pleite ist wohl auch in Berlin der Geduldsfaden gerissen und hält die Hand auf. Deshalb verscherbelt Galeria Kaufhof offenbar das verbliebene Tafelsilber, wie beispielsweise die profitable belgische Tochter Inno. Auch der Online-Marktplatz Hood Media steht offenbar vor dem Verkauf. Insgesamt sollen 300 Millionen Euro in die Sanierung von Galeria Kaufhof fließen, wobei von Benko über seine Holding Signa 200 Euro Millionen kommen sollen. Entsprechend nervös dürften Beschäftigte und Gläubiger die jüngste Entwicklung bei der SSU verfolgen.

Fest steht: Benko und seine Holding brauchen Geld - viel Geld. Denn Baustellen hat der Milliardär viele. Erst Ende September wurde seine Holding verdonnert, sich mit mehr als 20 Millionen Euro in den Sanierungsplan der österreichischen Möbelkette Kika/Leiner zu beteiligen. Der Händler war nach dem Verkauf durch Signa zahlungsunfähig. Diese Zahlung soll in insgesamt vier Raten innerhalb von zwei Jahren erfolgen. Mit der Begleichung wird Signa von weiteren Forderungen freigesprochen. Die Holding hatte nach eigenen Angaben viele Immobilien von Kika/Leiner gewinnbringend verkauft. Kolportiert werden 350 Millionen Euro. Dies erfolgte, während der österreichische Staat mit Steuerstundungen den klammen Möbelhandel stützte. Die Steuerzahler und 450 Gläubiger bekommen nach dem jetzt erzielten Kompromiss vor dem Landesgericht in St. Pölten noch 20 Prozent ihrer Forderungen. Kika/Leiner wird – ähnlich wie im Fall Galeria Kaufhof – verkleinert fortgeführt.

Altkanzler Kurz vermittelt in der Wüste

Die Übernahme von Kika/Leiner war 2018 von der damaligen Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP) protegiert wurden. Das belegen Chats, die inzwischen im Prozess gegen den ehemaligen Wiener Kanzler eine Rolle spielen. Das ist nur ein Beispiel für die politischen Verwicklungen des René Benko mit Kurz. Der mischte offenbar auch nach seinem Rücktritt 2021 in Benko Geschäften mit. So hat der Wiener „Standard“ herausgefunden, dass der Ex-Kanzler vor einem Jahr seine Kontakte nach Abu Dhabi spielen ließ. Das sollte die Tür zum Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate, Mubadala ermöglichen: ausgerechnet für Signa Sports United, die offenbar damals schon in Geldnöten war. Kurz ist nicht der einzige österreichische Spitzenpolitiker, der mit Benko ins Geschäft gekommen ist. Im Beirat der Signa-Gruppe findet sich mit Alfred Gusenbauer (SPÖ) ein weiterer Altkanzler, mit Susanne Riess-Hahn (einst FPÖ) eine ehemalige Vizekanzlerin. Geschäftsführer der Signa Holding GmbH ist Christoph Stadlhuber, einst Kabinettschef von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP). Jetzt muss Benko – dem man immer wieder Bestechung vorwirft – befürchten, dass der Kurz-Prozess auch ihm noch Schwierigkeiten bereitet. 

Wirtschaftlichen Kummer bereitet dem 46-jährigen Finanzjongleur vor allem sein Immobiliengeschäft, das den Kern seines Imperiums ausmacht. Die Signa zählt europaweit zu den größten Spielern der Branche. Doch wie allen großen Investoren plagen auch die Österreicher gestiegene Zinsen und damit explodierende Refinanzierungskosten sowie immer höhere Materialpreise. Diese Belastungen drücken die Renditen der Gebäude, weil Mieteinnahmen nicht im gleichen Tempo mitziehen können. Gleichzeitig fällt es immer schwerer Immobilien zum einst kalkulierten Wert zu veräußern. Betongold glänz nicht mehr, wie noch vor wenigen Jahren. 

Wie die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtet, musste das Immobilienportfolio der „Signa Prime Selection“ um mehr als eine Milliarde Euro abgewertet werden. In dieser Tochterfirma bündelt Benko seine wichtigen Bestandsimmobilien. Wert: 20,4 Milliarden Euro. Unter dem Strich klafft bei der sonst ertragreichen Sparte für 2022 ein Nettoverlust von einer Milliarde Euro. Im Vorjahr wurde noch ein Gewinn von 750 Millionen Euro verbucht. Zu den Immobilien gehören unter anderem das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München, das Bürohaus Upper West in Berlin und das Park-Hyatt-Hotel in Wien. Auch das Goldene Quartier, ein luxuriöses Geschäftsviertel in der Innenstadt von Wien, soll zu diesen langfristig finanzierten Assets zählen. Laut Spiegel liefen noch im Frühjahr Forderungen von Banken in Höhe von sechs Milliarden Euro bis Ende 2026 auf. Insgesamt stünde die Prime demnach mit mehr als zehn Milliarden Euro in der Kreide. Der Geldbedarf ist groß. So soll allein die Bautätigkeit für den Elbtower in Hamburg jeden Monat bis zu 25 Millionen Euro verschlingen.

Offenbar steckt Topsanierer und Insolvenzberater Arndt Geiwitz nicht nur hinter dem Ausverkauf von Benkos Handelsgeschäft. Wie mehrere Medien am Wochenende erfahren haben wollen, soll der Experte auch das Immobiliengeschäft neu ordnen. So sollen weitere Objekte – beispielsweise aus dem Galeria-Bestand – abgestoßen werden. Spekuliert wird ferner, dass über neue Investoren bis zu 400 Millionen Euro frische Kapital in die Signa-Kassen fließen sollen. Als Vorbild gilt der Immobilienriese Vonovia, der 21.000 Wohnungen an den US-Investor Apollo für eine Milliarde Euro verkauft hat – mit Option später die Gebäude wieder zurückzukaufen. Signa selbst schweigt zu diesen Meldungen. 

Wer im Umfeld von Benkos Aktivitäten Geld oder Arbeitsplatz verloren hat, dem dürften die Schwierigkeiten des „Ösigarchen“ nur ein schwacher Trost sein. Zumal er persönlich immer noch gut ausgestattet ist. Mit einem Vermögen von sechs Milliarden Euro (Vorjahr 5,4) ist er auf der Forbes-Liste auf Platz drei unter Österreichs Superreichen geklettert. Weltweit stieg er auf Platz 425 (490) auf. Doch möglicherweise gilt bald auch für Benko: je höher der Ast desto tiefer der Absturz.

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